Wirtschaftliche Folgen von Seuchen:Ebola infiziert die Wirtschaft

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Angst vor Ebola in Monrovia, Liberia: Der Handel des Landes mit Guinea und Sierra Leone ist durch das Virus zum Erliegen gekommen. (Foto: dpa)
  • Die Vereinten Nationen warnen in den vom Ebola-Virus betroffenen Ländern vor einer Hungerkrise.
  • Sollte das Virus auf die Nachbarländer von Guinea, Liberia und Sierra Leone übergreifen, könnte das zu einem Wirtschaftseinbruch führen.
  • Der Ebola-Ausbruch ist bislang vor allem ein regionales Problem - doch solange es kein wirksames Medikament gibt, könnte sich das jederzeit ändern.

Von Christina Berndt, Helga Einecke, Jens Flottau, Silvia Liebrich und Tobias Zick

Es ist still geworden in Monrovia. In der einst so quirligen Hauptstadt von Liberia gehen die Menschen nur noch auf die Straße, wenn sie einen zwingenden Grund dafür haben. Einkaufen etwa. Und auch da stehen sie vor stetig wachsenden Problemen: den Preisen. Grundnahrungsmittel wie Reis und Palmöl etwa sind inzwischen bis zu eineinhalbmal so teuer wie vor Beginn der Ebola-Krise. Und das bei fallenden Einkommen. Die Vereinten Nationen (UN) warnen bereits vor einer "Hungerkrise epischer Ausmaße".

Immer deutlicher zeichnen sich die wirtschaftlichen Folgen dieser Katastrophe ab. Gelingt es nicht, die Epidemie einzudämmen, könnte das dramatische Folgen haben, nicht nur für die betroffene Region, sondern für ganz Afrika. Ein Übergreifen auf andere Kontinente halten Experten derzeit zwar für unwahrscheinlich, doch die Gefahr ist längst nicht gebannt, wie der Fall eines erkrankten Arztes in New York vergangene Woche gezeigt hat.

Sollte das tückische Virus auf die Nachbarländer von Guinea, Liberia und Sierra Leone übergreifen, könnte das zu einem dramatischen Wirtschaftseinbruch in der Region führen, warnt die Weltbank. Sie prognostiziert für diesen Fall einen Schaden von 32 Milliarden Dollar bis Ende 2015 für das betroffene Gebiet. Hilfsorganisationen warnen, dass auf die Seuche eine Hungerkrise folgen werde, die weitaus mehr Opfer fordern könnte als Ebola selbst.

Hinter den Zahlen über den wirtschaftlichen Schaden spielt sich ein Drama ab.

Ausländische Firmen ziehen ihre Mitarbeiter ab, Kontaktpersonen von Kranken werden drei Wochen in Quarantäne gesteckt und fallen, selbst wenn sie nicht infiziert sind, in der Zeit als Arbeitskräfte aus. Bauern gehen nicht mehr auf ihre Felder. Saat und Dünger stecken an geschlossenen Grenzen fest, der rege Handel im Dreiländereck von Guinea, Sierra Leone und Liberia ist zum Erliegen gekommen. Ausländische Investoren, auch deutsche Firmen, haben sich völlig zurückgezogen. Rohstoffkonzerne stoppen die Förderung. Die Ölsuche vor der Küste ist eingestellt.

Übertriebene Ängste richten immensen Schaden an

Dabei hat das Virus Regionen heimgesucht, die ohnehin schon äußerst verwundbar sind. Auch wenn etwa in Liberia die Wirtschaft in den vergangenen Jahren um durchschnittlich sechs bis acht Prozent gewachsen ist, liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei nur etwa 450 Dollar - das ist immer noch weniger als vor dem Bürgerkrieg, der das Land von 1989 bis 2003 zugrunde richtete und in dem mehr als 250 000 Menschen starben.

Das Virus macht die mühsam errungenen Wachstumserfolge zunichte.

Und es zeigt sich: Übertriebene Ängste können mehr Schaden anrichten als die Seuche selbst. Obwohl sich die Epidemie bislang vor allem auf drei der ärmsten Länder Afrikas beschränkt, droht sie nun das Image eines ganzen Kontinents zu ramponieren - ein Image, das zuletzt von überschwänglicher Euphorie getragen war. Ein erstes negatives Signal kommt vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der gerade seine diesjährige Wachstumsprognose für die Länder südlich der Sahara von 5,5 auf 5,0 Prozent gesenkt hat.

Eine beträchtliche Rolle spielt dabei die Psychologie. Kein Land bekommt das derzeit so zu spüren wie Nigeria. Nachdem ein Reisender aus Liberia das Virus in die 20-Millionen-Metropole Lagos eingeschleppt hatte, befürchteten Experten, dass die Seuche in den riesigen Slums völlig außer Kontrolle geraten könnte. Doch es blieb bei 20 Infizierten, weil das nigerianische Gesundheitssystem überraschend schnell und effizient reagierte. Inzwischen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Land für ebolafrei erklärt.

Doch die Angst vor dem Virus dürfte der Wirtschaft Nigerias noch länger zu schaffen machen: Die Dangote Group etwa, das Zement- und Zucker-Imperium des reichsten Mannes Afrikas, Aliko Dangote, musste vergangenen Monat eine Rundreise mit internationalen Investoren absagen - nachdem sich mehrere aus Angst vor Ebola zurückgezogen hatten. Stefan Liebing, Vorstand des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, kennt das Problem. "Es gibt Leute, die nicht mehr nach Johannesburg fliegen, weil in Monrovia Ebola ausgebrochen ist", sagt er. "Das ist, als ob man nicht nach Moskau fahren würde, weil gerade in Paris eine Epidemie grassiert."

Die Tourismusbranche leidet ebenfalls. Im Ministaat Gambia, der vollständig vom ebolafreien Senegal umschlossen ist und vom Strandtourismus lebt, sind die Hotelbuchungen seit Beginn der Epidemie um 65 Prozent eingebrochen. Selbst Anbieter von Safaris in Ost- und Südafrika verzeichnen Rückgänge. Stark eingeschränkt ist der Flugverkehr in die drei Ebola-Länder. Nur die Lufthansa-Tochter Brussels Airlines bietet noch Direktflüge an, allerdings mit ausgedünntem Flugplan. Die Verluste der Fluggesellschaften halten sich bislang aber in Grenzen. Westafrika ist kein wichtiges Drehkreuz im Luftverkehr.

Einen Angriff auf Weltgesundheit und damit Weltwirtschaft bedeutet die Epidemie allemal. Dass die Seuche jederzeit auf andere Kontinente übergreifen könnte, haben die führenden Industrienationen inzwischen begriffen. Neben Finanzhilfen für die Ebola-Region haben sie auch ihre Notfallpläne in den eigenen Ländern überdacht. Mitunter kommt es dabei jedoch zu Auswüchsen: So verweigerte Mexiko vor Kurzem einem US-Kreuzfahrtschiff das Anlegen an der Insel Cozumel, weil eine Frau an Bord war, die vor längerer Zeit im Krankenhaus in Dallas mit Blutproben eines Ebola-Patienten gearbeitet hatte.

Die Ebola-Krise könnte schon bald eine politische Krise werden

Die Hysterie ist groß. Das haben auch Erfahrungen mit anderen Seuchen gezeigt. Als die Schweinegrippe 2009 die Welt in Schrecken versetzte, war klar, dass sie sich unter Menschen ebenso leicht verbreiten würde wie eine normale Grippe, die weltweit jeden Winter bis zu einer halben Million Tote fordert.

Es war vor allem Glück, dass die Schweinegrippe nicht so gefährlich war wie befürchtet. Laut WHO starben nicht mehr als 20 000 Menschen. Sars, eine bis zum Winter 2002/2003 unbekannte Lungenkrankheit, breitete sich von Hongkong binnen wenigen Monaten aus. Mehr als 8000 Menschen in 37 Ländern erkrankten. Insgesamt starben aber nur etwa 750 Menschen an dem Erreger. Beträchtlich war der ökonomische Schaden. Schätzungen zufolge kostete Sars die Weltwirtschaft ein Wachstum von 1,4 Prozent, vor allem wegen massiver Einschränkungen im internationalen Flugverkehr.

Im Vergleich dazu ist der Ebola-Ausbruch bislang vor allem ein regionales Problem. Doch das könnte sich jederzeit ändern, solange es keine wirksamen Medikamente gibt. Infizierte haben kaum Überlebenschancen. Die Hälfte der Patienten stirbt, weil die Erforschung von Ebola lange Zeit für die Pharmaindustrie nicht lukrativ war. Bis vor einem Jahr erkrankten extrem wenige Menschen, und nur in armen Ländern. Pro Jahr gab es oft nicht einmal 50 Tote. Das ändert sich nun, seit die UN eine Milliarde Dollar für den Kampf gegen Ebola ausgelobt hat. Auch die EU-Staaten wollen ihre Finanzhilfen auf eine Milliarde Euro verdoppeln.

Kranke hoffen auf zwei Stoffe

Ein erheblicher Teil dieser Mittel fließt in die Pharmaindustrie und die Forschung. Derzeit arbeiten zwei Dutzend Biotech-Firmen an Medikamenten oder Impfstoffen. Mittel kommen zudem vom Militär, denn seit dem Kalten Krieg ist das Ebola-Virus als mögliche biologische Waffe eingestuft. Kranke hoffen derzeit auf zwei Stoffe, die sich bereits in einer frühen Testphase befinden. Für Betroffene sind sie offiziell genehmigt. Ihre Wirksamkeit ist jedoch umstritten, weil bei den Tests die Hälfte der so behandelten Infizierten starb.

Eine Entwarnung für die afrikanischen Länder wird es vermutlich erst dann geben, wenn ein wirksames Medikament in Sicht ist. Die verheerendsten Szenarien freilich drohen den drei Epidemie-Ländern selbst. Die Konfliktforschungsorganisation International Crisis Group befürchtet, dass die Ebola-Krise schon bald in eine politische Krise umschlagen könnte. Unruhen in der mehrheitlich jungen, arbeitslosen Bevölkerung, so heißt es, könnten in Verbindung mit der Epidemie "zu einer Katastrophe führen, die möglicherweise unmöglich zu beherrschen ist". Die Länder, die gerade dabei waren, sich allmählich aus dem Staub zu erheben, werden wohl auf lange Sicht von ausländischer Hilfe abhängig bleiben - und je später die kommt, umso verheerender könnten die Folgen sein.

© SZ vom 30.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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