Liechtensteins Werben um muslimische Anleger:Banking halal

Islamic Banking Finance

Ein Finanzhändler in der Saudi Investment Bank in Riad.

(Foto: Fahad Shadeed/Reuters)

Die Zeiten von Bankgeheimnis und Steueroase sind vorbei. Deshalb macht sich Liechtenstein auf die Suche nach reichen Kunden aus der islamischen Welt. Das ist nicht gerade einfach, weil strenggläubige Muslime nicht einmal ein Sparbuch besitzen dürfen.

Von Charlotte Theile, Schaan/Vaduz

Die Konferenz ist fast beendet, Gastgeber Dirk Zetzsche will noch zu einem Abendessen einladen. "Kommen Sie doch mit uns in die Räume der Universität Liechtenstein. Lassen Sie uns gemeinsam etwas essen, reden, ein Glas Wein trinken." Ein Raunen geht durch den Saal, Dutzende erstaunte Gesichter blicken Zetzsche an. Hastig korrigiert er sich: "Ein Glas Saft, meinte ich natürlich, ein Glas Saft."

Die Regeln der Scharia, um die sich an diesem Dienstag alles dreht, sind bei den Verantwortlichen in Liechtenstein noch nicht ganz angekommen. Aber das soll sich ändern. Islamic Finance, also Geldanlage nach den Regeln des Koran, soll dem kleinen Land, das bisher vor allem als Steueroase bekannt war, neuen Auftrieb geben. Absolute Anonymität und Geheimnisschutz, die Qualitäten, mit denen Liechtenstein bisher Kunden für sich gewann, gibt es so nicht mehr. Neue internationale Abkommen haben di e Spielregeln auf dem Finanzmarkt verändert.

Die Vorschriften, nach denen gläubige Muslime ihr Geld anlegen dürfen, sind zwar kompliziert und mit einigen Investitionskosten verbunden, erklärt Dirk Zetzsche, der an der Universität Liechtenstein Bank- und Finanzmarktrecht lehrt, könnten aber zahlungskräftige Kunden anlocken. Die Hoffnungen, die Liechtenstein auf Islamic Finance setzt, sind groß. Das "neue Geschäftsmodell für Finanzzentren", wie die Konferenz offiziell heißt, wird vom Fürstenhaus und der nationalen Finanzmarktaufsicht unterstützt.

Ausschlusskriterien Schweinefleisch, Alkohol und Glücksspiel

Ein Dutzend Experten aus Großbritannien, Singapur, Indien, Bahrain und Deutschland sollen den interessierten Bankern erklären, welche Regeln sie erfüllen müssen, um strenggläubige Muslime anzuziehen. Da sind zunächst mal die offensichtlichen Ausschlusskriterien: Schweinefleisch, Alkohol, Glücksspiel, Prostitution, Pornografie - und alles, was damit zu tun hat. Das schließt Hotelketten und Luftfahrt-Unternehmen ein, denn dort wird Alkohol ausgeschenkt. Die Scharia Boards, die beurteilen, ob eine Anlage halal (erlaubt) oder haram (verboten) sind, lassen in diesem Punkt nicht mit sich reden.

Außerdem verboten: Riba. Riba bezeichnet nach verbreiteter Interpretation Zinsen, was bedeutet, dass Muslime weder einen Kredit aufnehmen noch ein Sparbuch besitzen dürfen. Viel Spielraum bleibt da nicht: Riba zählt neben Mord, Flucht in der Schlacht und Anklage von keuschen Frauen zu den Hauptsünden des Koran. "Na ja, Zinsen gibt's ja im Moment sowieso keine", brummt ein Banker auf Schweizerdeutsch.

Legt man das Konzept weiter aus, sind sämtliche ethisch ungerechtfertigten Kapitalzuwächse gemeint: Ausbeutung und Ungerechtigkeit sollen verhindert werden. Für Dirk Zetzsche ist dieser Grundsatz daher vergleichbar mit anderen Finanz-Regeln, die auf ethisch-moralischen Überlegungen basieren und zum Beispiel von Ethik-Banken angewendet werden. Vorsichtiges, anständiges Banking also.

Während der Finanzkrise hätten islamisch geführte Anlagen nicht so stark gelitten, hebt er hervor - und: selbst die katholische Kirche habe erklärt, dass sie die Grundsätze, nach denen Islamic Banking stattfindet, für begrüßenswert halte.

Islamic Finance ist keine Terrorismus-Finanzierung

Für den Amerikaner Andrew White ist dieses Argument wichtig, sagt er in einer der Vortragspausen. "Wenn ich nach Hause kommen, nach North Carolina, und erzähle, dass ich in Singapur Islamic Finance unterrichte, sind die Leute oft schockiert", sagt er und nimmt einen Schluck süßen Traubensaft. "Die Leute fragen mich: Ist das nicht Terrorismus-Finanzierung? Bist du jetzt Moslem? Muss ich Angst vor dir haben?" Der Mann mit dem dunklen Bart neben ihm sieht einen Moment irritiert aus. White lacht. "Ich sage ihnen dann: Nein, alles ist gut. Ich bin immer noch Christ." Wenn seine Leute in North Carolina das hören würden, seien sie oft sehr interessiert an seiner Arbeit. Die Grundlagen der islamischen Finanzierung, Fairness und Brüderlichkeit, leuchteten auch den Leuten in seinem Heimatstaat ein.

Trotzdem ist es für westliche Banker nicht einfach, den Ansprüchen der gläubigen Kundschaft zu entsprechen. Anders als bei konventionellen Ethik-Richtlinien, die man sich im Unternehmen überlegen und intern kontrollieren kann, ist man beim schariakonformen Banking abhängig von einer externen Instanz. Je nach Auslegung des Koran kann das Scharia-Board zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Eins der klassischen Instrumente des islamischen Finanzwesens wird Sukuk genannt - es funktioniert über den Erwerb von Eigentumsrechten. Steigern sich die erworbenen Güter oder Ansprüche im Wert, ist es legitim, gewinnbringend weiterzuverkaufen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sind Sukuk oft geschickt verpackte Finanzprodukte mit großer Rendite-Erwartung, die bei der Überprüfung durch Scharia-Boards ebenfalls durchfallen. Sogar Betrugsfälle, bei denen gläubige Moslems gezielt um ihr Vermögen gebracht wurden, gab es bereits. Und: Bei vielen anderen Kunden erfüllten sich die Gewinnerwartungen nicht.

In Deutschland, wo es seit einigen Jahren einzelne Islam-konforme Anlagemöglichkeiten gibt, wurden diese mit dem Bestseller "1000 ganz legale Steuertricks" verglichen. Man soll eigentlich nicht mit diesen Finanzkonstrukten Gewinn machen - aber wenn sich im Koran keine entsprechende Sure findet und das Scharia-Board sein Okay gibt - geht es eben doch. Bis ein Portfolio aufgestellt und akzeptiert ist, kann es dauern.

Einige Schweizer Großbanken haben das Geschäft zurückgefahren

Einige Schweizer Großbanken haben das Geschäft mit den islamischen Anlagen bereits wieder zurückgefahren. Liechtenstein dagegen sieht hier seinen Vorteil: Als kleines, sicheres Land mit konservativer Finanzpolitik sei man auf maßgeschneiderte Anlageformen spezialisiert - und den muslimischen Kunden auch in anderen Fragen nahe. "Das, worum es bei Islamic Finance geht, keine Gier, kein Wucher - das ist ja im Prinzip das, was wir auch unseren Kindern beibringen", sagt Zetzsche.

Dass Liechtenstein noch 2009 Schlagzeilen machte, weil der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel hier Hunderttausende Euro vor der Steuer verstecken konnte, ist jetzt ebenso unwichtig, wie die Frage nach Menschenrechten in Bahrain oder Dubai, wo die angereisten Experten ihre Geschäfte abwickeln. Eine Versammlung anständiger Finanzleute, inklusive Gebetsraum und Kürbis-Ravioli. Auf dem Platz vor dem Saal ist Wochenmarkt, es gibt Käse aus der Region, Grundschüler spielen ein Flötenlied. Im Hintergrund leuchten die Berge in der Mittagssonne. Der perfekte Ort, um ethisch einwandfrei Geld anzulegen.

Schariakonforme Geldanlagen sind, das betonen alle, die an diesem Tag auf der Bühne stehen, ein enormes Wachstumsgeschäft. Noch sei ihr Anteil am Weltmarkt klein, doch das werde sich ändern. 20 Prozent Steigerung im Jahr sei üblich, heißt es, oft sei es sogar deutlich mehr.

"Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht von dieser wiedererwachenden Religiosität profitieren sollten", findet der Chef der Liechtensteiner Finanzmarktaufsicht. Andere präsentieren Zahlen, die besagen, dass ein Großteil der Muslime, die bisher konventionell Geld anlegen, wechseln würden, wenn es nicht zu teuer ist. Und in Ländern wie Nigeria hätten viele Menschen noch gar kein Konto. "Dabei gibt es auch dort Kunden, die sehr viel Geld haben", betont ein Redner. Das Argument, die Welt könne durch Islamic Banking eine bessere werden, spielt da längst keine Rolle mehr.

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