Bonus für Beschäftigte in München:In der Zulagen-Zwickmühle

Bonus für Beschäftigte in München: Der Forderer: Bedenken will der Münchenstift-Chef Siegfried Benker nicht gelten lassen. Wenn es die Zulage für alle gebe, sei niemand benachteiligt.

Der Forderer: Bedenken will der Münchenstift-Chef Siegfried Benker nicht gelten lassen. Wenn es die Zulage für alle gebe, sei niemand benachteiligt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Münchens Erzieher erhalten künftig jeden Monat 200 Euro mehr. Das fordern jetzt auch weitere Angestellte der Stadt. Nicht nur bei den Kommunen sorgt das für Unmut.

Von Andreas Glas

Thomas Böhle hat zurzeit zwei große Sorgen. Sorge Nummer eins ist die Krise des TSV 1860, seines Lieblingsklubs, der mal wieder Spiel um Spiel verliert. Und Sorge Nummer zwei erklärt man am besten, indem man Sorge Nummer eins auf links dreht: Während die Krise des TSV 1860 daher rührt, dass der Verein zwar genug Spieler hat, von denen aber nur wenige etwas taugen, rührt Böhles Kummer daher, dass die meisten seiner Mitarbeiter zwar einen guten Job machen, aber seine Mannschaft zu klein ist.

Böhle ist Personalreferent der Stadt München. Seine Mannschaft, das sind diejenigen, die bei der Stadt München angestellt sind. Und sein Problem ist, dass es in der Stadt an allen Ecken und Enden an Personal fehlt. Um das zu ändern, hat sich Böhle im Sommer beim Bayerischen Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) dafür eingesetzt, zumindest den städtischen Erziehern mehr Geld zahlen zu dürfen.

Er hat gekämpft und gewonnen. Von November an bekommen alle 3200 Erzieher in städtischen Krippen, Kindergärten und Horten pro Monat eine Arbeitsmarktzulage von 200 Euro. Für die städtischen Erzieher war das eine gute Nachricht, für Böhle begannen damit die Probleme.

Domino-Effekt für Gehälter

Jetzt wollen nämlich auch die anderen Angestellten der Stadt mehr Geld - allen voran Pflegekräfte und Verwaltungsangestellte. Böhle hat diesen Domino-Effekt gewiss kommen sehen, aber die Erzieherzulage war ein Wahlversprechen von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SDP). Der Job des Personalreferenten ist eben ein undankbarer: Einerseits soll Böhle Konzepte entwickeln, wie möglichst kostengünstig möglichst viele Stellen besetzt werden; andererseits ist da der Stadtrat, der ihm ganz andere Konzepte vorschreiben kann. Als Böhle die Erzieherzulage durchgesetzt hatte, bekam er dafür nicht einmal Applaus. Feiern ließ sich Dieter Reiter, es war ja seine Idee.

Nun ist es bestimmt nicht so, dass Böhle den städtischen Angestellten das Geld nicht gönnt. Es ist schlicht so, dass er sich an gesetzliche und tarifliche Vorgaben halten muss, die weiteren Zulagen im Weg stehen könnten. Und es ist sein Job, dafür zu sorgen, dass die Personalkosten der Stadt nicht aus dem Ruder laufen. Allein die Erzieherzulage kostet im Jahr mehr als 7,6 Millionen Euro. Würde die Stadt all ihren 33 000 Beschäftigten dieses Geld zahlen, würde das jährlich etwa 79 Millionen Euro kosten - eine enorme Summe, die anderswo fehlen würde.

Zumal dies den Fachkräftemangel nicht lösen würde, denn der ist ein deutschlandweites Phänomen, für das Böhle nichts kann. Es gibt ja nicht nur in München das Problem, dass immer weniger Menschen bereit sind, unter viel Stress für wenig Geld in einem Job zu arbeiten, der ein mieses Image hat. Aber wohl nirgendwo ist dieses Problem schwerer zu lösen als in München.

"München-Zulage" als Ausgleich

Der Grund ist simpel: München ist die teuerste Stadt der Republik. Das Leben kostet hier um 27,2 Prozent mehr als im deutschlandweiten Durchschnitt. Als Ausgleich gibt es seit 1990 die "München-Zulage", sie gilt für Beamte sowie städtische Arbeiter, Angestellte und Auszubildende in den mittleren und unteren Einkommensstufen. Die Zulage liegt derzeit bei etwa 123 Euro plus 22,51 Euro pro Kind - doch viele derer, die heute noch den Idealismus haben, als Erzieher oder Pfleger zu arbeiten, haben trotzdem noch einen Nebenjob, um über die Runden zu kommen.

Kein Wunder, dass sich inzwischen auch Siegfried Benker zu Wort gemeldet hat, der Geschäftsführer des städtischen Altenheimträgers Münchenstift. Er kann nicht nachvollziehen, warum nur Erzieher einen Bonus bekommen sollen: "Was für Erzieher möglich ist, muss auch für Pflegekräfte möglich sein", sagt Benker und fordert die 200-Euro-Zulage auch für seine Mitarbeiter. Grüne und CSU im Stadtrat setzen noch einen drauf. Sie fordern die Zulage für Verwaltungsjobs, in denen Personalmangel herrscht - als Ausgleich für das Chaos, das dieser Mangel in Bürgerbüros, Ausländerbehörde und Kfz-Zulassungsstelle verursacht: lange Schlangen, genervte Bürger, viele Überstunden.

Für Thomas Böhle kommt eine Verwaltungszulage nicht infrage. Dass es in manchen Behörden an Personal fehlt, liege ja nicht daran, dass es zu wenige Bewerber gebe, sondern an der Stellenbemessung. Weil die Stadt jahrelang einen Sparkurs gefahren hat, um Schulden abzubauen, hat sie die Personalkosten - und damit den Personalbedarf - künstlich nach unten korrigiert, den Mangel in den Behörden quasi selbst verschuldet. Vor kurzem hat die Stadt die rigide Schuldenabbau-Politik gelockert, sodass Böhle und der Chef des Kreisverwaltungsreferats (KVR), Wilfried Blume Beyerle, endlich den wahren Bedarf ermitteln und bald ausreichend Personal einstellen können. So ist jedenfalls Böhles Plan.

Bonus für Pfleger "nicht machbar"

Eine Zulage, sagt er, sei dann nicht mehr nötig. Und die Pflegezulage hält er ohnehin aus rechtlichen Gründen für "nicht machbar". Anders als bei Erziehern könnte ein Bonus für Pflegepersonal einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Trägern darstellen und gegen das EU-Beihilferecht verstoßen. Anders als Kitas gelten Pflegeträger wie Münchenstift oder das Städtische Klinikum als eigenständige Unternehmen.

Ein Hindernis, dem die Stadt leicht ausweichen kann, findet Münchenstift-Chef Benker. Und zwar, indem sie die Zulage nicht nur städtischen sondern auch privaten Pflegeeinrichtungen zahlt. Für die Erzieher hat OB Reiter diese XL-Variante der Zulage bereits versprochen, bezahlen will er sie über die "Münchner Förderformel", dabei handelt es sich um einen Sondertopf, in den die Stadt jährlich 100 Millionen Euro steckt, um den Kita-Ausbau zu forcieren. Dass die XL-Zulage für Erzieher kommt, gilt als sicher, auch wenn sie teuer ist, den nächsten Domino-Effekt auslösen könnte - und extrem ungerecht ist, wie Kritiker sagen.

Denn das teure München hört ja hinter dem Ortsschild nicht auf. Spürbar billiger wird das Leben erst dort, wo keine S-Bahn mehr hinfährt. Kein Wunder also, dass sich das Umland benachteiligt fühlt, wenn nur Erzieher und Pfleger in Stadtbezirken Zulagen bekommen.

Wettlauf um die Fachkräfte

Nicht aus Neid, sondern aus Angst, dass die Stadt ihnen die Erzieher abwerben könnte, weil sie dort mehr Lohn bei ähnlich hohen Lebenshaltungskosten kriegen. Zwar darf auch das Umland die Erzieherzulage zahlen, aber die finanzschwachen Gemeinden fürchten, beim Wettlauf um Fachkräfte nicht mithalten zu können. Sie meinen, dass die Stadt zum Kannibalen mutiert, der seinem Umland das Personal wegfrisst.

Dass am Ende alle zufrieden sind, könnte die Stadt wohl nur verhindern, indem sie die Arbeitsmarktzulage allen Menschen zahlt, die in Mangelberufen arbeiten - egal ob in kommunalen oder privaten Einrichtungen, egal ob im Stadtgebiet oder im Umland. Das wäre dann zwar gerecht, dafür aber unbezahlbar.

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