Formel 1:Motorsport? Unbezahlbar

Australia Formula One Grand Prix

Kamui Kobayashi ist mit seinem Caterham im Kiesbett gelandet.

(Foto: dpa)

Es geht längst nicht mehr ums Gesundschrumpfen. Die Rennställe Caterham und Marussia haben Insolvenz angemeldet und sind beim Großen Preis der USA nicht dabei. Doch auch Traditionsteams droht das Aus.

Von Elmar Brümmer, Austin

Das kleinste Starterfeld der Formel 1 seit zehn Jahren wäre um ein Haar noch kleiner geworden. Die britischen Rennställe Caterham und Marussia schafften es erst gar nicht zum Sammel-Transportflugzeug nach Texas, stattdessen meldeten die Hinterbänkler in London Insolvenz an. Sie dürfen aber mit Ausnahmegenehmigung von Bernie Ecclestone beim Saisonfinale in Abu Dhabi Ende November nochmal dabei sein, falls sie bis dahin an frisches Geld kommen sollten. Der Force-India-Rennstall hat im letzten Augenblick vor dem Abflug zum Großen Preis der USA am Sonntag die Kurve gekriegt und offene Motorenleasing-Raten bei Mercedes bezahlt. Sonst wären nur 16 Autos in Austin am Start gewesen, die Lage in der Königsklasse könnte nicht als Gesundschrumpfung verharmlost werden. Wer über den Fahrerlagerzaun hinweg schaut, hat ohnehin erkannt: Wenn es für die Hälfte der Teilnehmer ums Überleben geht, droht keine Krise, dann ist sie längst angekommen.

Das Schicksal von Caterham und Marussia ist absehbar. Schon im Frühsommer hatten die kleineren Rennställe, von der großen Gewinnausschüttung und der Mitbestimmung bei den Regeln quasi ausgeschlossen, einen Brandbrief an den Automobilweltverband FIA geschickt, der die Regeln beaufsichtigen soll und eine Kostenbegrenzung festschreiben lassen wollte - zu der es aber nie kam. Sie haben die jährlichen Kosten für ein durchschnittliches Formel-1-Team akribisch aufgelistet: 120 Millionen Dollar, ein Drittel davon hängt mit dem Antriebsstrang zusammen, den die unabhängigen Rennställe bei den Herstellern leasen müssen. Die Preisgeldausschüttung deckt davon, wenn es richtig gut laufen sollte, nur etwa die Hälfte ab. Es steht zu befürchten, dass den akuten Sorgenteams weitere folgen werden, auch seriöse Traditionsteams wie Sauber, Lotus, selbst Williams fahren Verluste ein.

Ist dies das Ende der Formel 1, wie man sie kennt? Mario Andretti, der Weltmeister von 1978, ist Austins Motorsportbotschafter. Sein erster Rat an die Formel 1 ist typisch amerikanisch: "Macht Euch lockerer." Der zweite hat tatsächlich etwas mit den Schulden zu tun: "Muss man es denn mit der Technik so übertreiben?" Nun mag Benzinsparen und Hybridtechnik in den USA landesweit nur bedingt en vogue sein, aber das Eindämmen der immensen Kosten ist exakt der Punkt, an dem die Macher der Rennserie längst hätten ansetzen müssen. Nicht, dass es diese Diskussion erst seit den jüngsten Pleiten gibt, ein so genanntes "budget cap" ist seit Jahren im Gespräch. Max Mosley, ehemals Präsident des Automobilweltverbandes FIA, war einer der Vorreiter des Sparkurses. Heute urteilt der Brite: "Das ist kein fairer Wettbewerb mehr. Aus sportlicher Sicht sollte man das Geld gleichmäßig aufteilen."

Kleines Starterfeld würde auch Ecclestone schaden

Ähnlich entnervt zeigt sich Monisha Kaltenborn, die Teamchefin des im Vorjahr ebenfalls in eine bis heute anhaltende Finanzkrise gerutschten Sauber-Rennstalls: "Wir alle, egal ob an der Spitze oder am Ende des Feldes, haben massiv investiert, um auf diesem Niveau mit von der Partie sein zu können." Ihr stößt besonders ein Zitat von Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone auf, der zu der sich abzeichnenden Krise der Kleinen sinngemäß bemerkte, dass nur der mitfahren soll, der es sich leisten könne, und dass er lieber mit weniger, aber dafür gesunden Teams fahren wolle statt mit solchen, die betteln müssten. Nun war die Formel 1 stets ein rasender Verdrängungswettbewerb, aber ohne komplettes Starterfeld wäre sie nur die Hälfte wert, und Ecclestone sowie die glänzend verdienenden Investoren von CVC würden schnell aus der Gewinnzone rutschen. Auf Dauer wäre mit einem Mini-Starterfeld die Geschäftsgrundlage entzogen.

Mehr als acht Milliarden Dollar Gewinn soll das Finanzkonglomerat CVC seit seinem Einstieg 2006 aus der Formel 1 gezogen haben, re-investiert wurde nur wenig. Und der seit dieser Woche 84 Jahre alte Ecclestone hält von moderner Vermarktung und größerer Chancengleichheit wenig - obwohl das bisherige Modell gescheitert ist. Caterham und Marussia hatten erst 2009 als Newcomer den Zuschlag für die Formel 1 bekommen, zusammen mit Hispania Racing. Die Spanier gingen schon 2012 in Konkurs. Der Notplan, dass die Top-Rennställe 2015 einen dritten Rennwagen einsetzen müssen, soll den Schaden begrenzen und somit das den Fernsehanstalten garantierte Starterfeld aufpeppen. Es könnte sogar sein, dass der dritte Wagen den kleinen Teams in einer Art technischer Querfinanzierung zur Verfügung gestellt werden muss. Schon bei der Idee scheint viel Verzweiflung durch.

Unabhängige Konstrukteure haben es immer schwerer, nicht nur am Tabellenende, weshalb selbst McLaren jetzt zu Honda flüchtet und Red Bull mit Renault und vielleicht irgendwann noch mit Volkswagen gemeinsame Sache machen muss. In einem von der Natur der Sache her teuren Sport muss über Reglements oder über die Einnahmenverteilung eine Balance hergestellt werden. In der Formel 1 aber ist es so, dass die Top-Teams nicht nur die meisten Siegprämien einfahren, sondern auch hohe zweistellige Boni bekommen. Die Kleinen aber sehen von den etwa 800 Millionen Dollar, die zuletzt am Jahresende ausgeschüttet wurden, nur wenig.

Die dramatischen Etatunterschiede haben auch das sportliche Gleichgewicht komplett aus der Balance gebracht. Weniger Erfolg bedeutet aber noch weniger Geld. Ein Teufelskreis. Graeme Lowdon, der Statthalter von Marussia, klagt: "Die sportlichen und technischen Rahmenbedingungen der Formel 1 haben für einen Motorsport gesorgt, den niemand mehr bezahlen kann."

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