Gericht veröffentlicht Urteilsbegründung:Hoeneß, ein rasender Zocker

Landgericht veröffentlicht Hoeneß-Urteil

Uli Hoeneß, am 11.03.2014, dem zweiten Verhandlungstag, als Angeklagter im Landgericht München II.

(Foto: dpa)

Das Landgericht München II hat die Urteilsbegründung im Fall Uli Hoeneß veröffentlicht. Zwar nur in teilweise stark anonymisierter Form. Aber eines zeigen die Unterlagen: Hoeneß war zeitweise ein unglaublicher Zocker.

Von Hans Leyendecker und Annette Ramelsberger

Das Landgericht München II hat die Urteilsbegründung im Fall des wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilten Uli Hoeneß in stark anonymisierter Form publik gemacht. Ein reines Lesevergnügen sind die 50 Seiten nicht (hier als PDF). Der Leser taumelt von A nach B, um dann zu rätseln wer oder was wohl C sein könnte. Der Finanzbeamte U, der dem Journalisten Z empfiehlt, den beim Finanzamt N tätigen Finanzbeamten W zu kontaktieren, ist auch keine große Hilfe. Sie sind alle schwer voneinander zu unterscheiden, Charaktermasken.

Also, wer sich beim Lesen leicht verrennt, kann bei diesem Stoff die Übersicht verlieren. Man darf jedenfalls nicht an Namen hängen, wenn man die Dinge im Zusammenhang verstehen will. "Der mit der Brille, wie hieß der doch gleich?" bringt diesmal nichts. Anfangsbuchstaben sind sehr schwer voneinander zu unterscheiden.

Warum das Gericht die Anonymisierung so gemacht hat, wie sie es gemacht hat, hängt grundsätzlich damit zusammen, dass Geschäftsgeheimnisse zu schützen sind und Persönlichkeitsrechte gewahrt werden müssen. Das ist immer so.

Der persönliche Werdegang fehlt

In Rechtsportalen wie Juris lagern Berge von Urteilen, die mehr oder weniger sinnvoll anonymisiert worden sind. Im Fall Hoeneß zeigt ein erster Blick auf die anonymisierte Urteilsbegründung, dass die Wirtschaftsstrafkammer, die auch die Anwälte von Hoeneß um eine Stellungnahme gebeten hatte, offenbar das Prinzip Geheimnis zur Richtschnur gemacht hat. Viele der Punkte, die jetzt nur schwer identifizierbar sind, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und wurden auch breit in den Medien geschildert. Man kann das so machen, aber es wäre bei einigen Passagen zumindest anders möglich gewesen.

Auffällig ist auch, dass der gesamte persönliche Werdegang des 62-Jährigen fehlt und auch zu seinen persönlichen Verhältnissen findet sich in der anonymisierten Form kein Wort. Beides steht natürlich in dem Original-Urteil. Aber wer sich auf das Abenteuer einlässt, kommt schon auf seine Kosten. Man kann aus dem Urteil einiges erfahren.

Zu den umlaufenden Gerüchten gehört, dass es sich in Wahrheit nicht um ein Hoeneß-Konto, sondern ein verdecktes Konto des FC Bayern München gehandelt haben soll. Da legt sich das Gericht fest. Es war ein Hoeneß-Konto.

Wie war die Geschichte mit dem früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, der mit Hoeneß befreundet war und diesem im Jahr 2000 ein Darlehen in Höhe von fünf Millionen Mark sowie eine Bürgschaft in Höhe von fünfzehn Millionen Mark fürs Spekulieren gegeben hatte? Dreyfus heißt X und das Gericht schreibt, dass Hoeneß das Darlehen im August 2001 vollständig zurückerstattet hat. Drei Monate später habe Hoeneß noch die Zinsen in Höhe von umgerechnet 131 650 Euro an X überwiesen.

Die Herkunft des Geldes, mit dem der Verurteilte anfangs sehr wild spekulierte, ist aus Sicht des Gerichts geklärt. Warum Dreyfus zahlte, ist nicht Thema des Prozesses gewesen. Hoeneß hat immer darauf bestanden, dass Dreyfus ihm das Geld vorgestreckt habe, weil beide eng befreundet gewesen seien. Solche Freundschaften gibt es im Leben allerdings selten. Die Staatsanwaltschaft hatte in der Frage, ob das Geld für Hoeneß vielleicht doch auch etwas mit Adidas zu tun hatte, nicht ermittelt. Solche Vorwürfe wären ohnehin verjährt gewesen. Allerdings gibt es für eine andere Variante als die Freundschafts-Variante keinerlei Beleg.

Was die Unterlagen zeigen

Was die Unterlagen aber zeigen: Hoeneß war zeitweise ein unglaublicher Zocker. Angelockt durch Banken-Spezialitäten, bei denen man nur Sicherheitsleistungen von fünf bis zehn Prozent der Spekulationssumme stellen musste, hat er zumindest einmal mit 500 Millionen Euro spekuliert. Die Geschäfte hatten eine hohe Hebelwirkung, die die Gewinne treiben konnte.

Er liebte Devisentermingeschäfte. Eine "Strategie mit dem Währungspaar Euro/US-Dollar", bei der er mehr als 150 Millionen Euro eingesetzt habe, brachte ihm laut Urteil einen Gewinn von knapp 24 Millionen Euro. Kurz darauf habe er bei der Kombination Euro und Schweizer Franken mehr als 90 Millionen Euro eingesetzt und einen Gewinn von 11,1 Millionen Euro erzielt. So reihen sich Zahlen an Zahlen, die klarmachen, dass da einer den Boden verloren hatte und im Bodenlosen keinen Stand mehr fand.

Es gab im Fall Hoeneß auf Schweizer Konten über die Jahre Barabhebungen in Höhe von 1.506.409 Euro. Die einzelnen Beträge werden aufgelistet. Warum Hoeneß das Geld abhob, ist unbekannt. Aber es war sein Geld, dessen Kapitalerträge er nicht versteuert hatte. Das Urteil schildert noch einmal detailliert, wie Hoeneß sich durch eine journalistische Recherche im Januar 2013 zu einer Selbstanzeige hinreißen ließ, die dann doch nicht griff. "Dass dem Angeklagten eine wirksame Selbstanzeige nicht gelang", sei aber seinem "eigenen über Jahre beibehaltenen Verhalten geschuldet, nicht einer fehlerhaften Beratung durch seinen Steuerberater".

Kein Deal, betont das Gericht

Mit seiner "überstürzten Selbstanzeige" habe sich Hoeneß selbst steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ausgeliefert". Ohne diese Selbstanzeige hätten die "Ermittlungen nicht mit einem vergleichbaren Erfolg geführt" werden können. Hoeneß habe sich "durch seine insbesondere zuletzt rückhaltlose Kooperation geradezu ans Messer geliefert".

Das Urteil beruhe nicht auf einem Deal, das betont das Gericht in der Urteilsbegründung auf Seite 23. Gespräche zur Anbahnung einer solchen Verständigung wie sie die einschlägigen Paragrafen der Strafprozessordnung vorschreiben, hätten zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.

Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl hatte von vornherein geklärt, dass er nie einen Deal macht und auch in der mündlichen Urteilsbegründung hatte er das noch einmal erklärt.

Vielleicht waren die nicht verstummenden Gerüchte um einen Deal am Ende der Antrieb für das Gericht, das Urteil in dieser Form zu veröffentlichen. Die Strafkammer habe "schon seit längerem darüber nachgedacht, das Urteil zu veröffentlichen", sagt Gerichtssprecherin Andrea Titz. Gespräche darüber habe es gegeben, bevor die ersten Aufforderungen von außen kamen, das Urteil herauszugeben. Aber das Gericht habe längst mit neuen, komplizierten Fällen zu tun und da habe die Frage, ob und wie das Hoeneß-Urteil veröffentlicht werde, "keine Priorität" gehabt.

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