Umstrittenes Freihandelsabkommen mit Kanada:Gutachten sieht Rechtsverstöße bei Ceta

  • Ein Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass das Freihandelsabkommen Ceta gegen europäisches und deutsches Recht verstößt.
  • Das Gutachten hält die Regeln zum Investorenschutz für angreifbar und eine Zustimmung zu Ceta sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat für erforderlich.
  • Die juristischen Zweifel könnten auch Auswirkungen auf die Verhandlungen über das TTIP-Abkommen mit den USA haben.

Von Silvia Liebrich

Das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta stehe teilweise in Konflikt zum deutschen Grundgesetz und auch zu EU-Vorschriften, juristisch angreifbar seien nicht nur darin die enthaltenen Investorenschutzregeln. Zu diesem Schluss kommt der Rechtwissenschaftler Andreas Fischer-Lescano in einer aktuellen Studie im Auftrag des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Für das Gutachten wurde der im August veröffentlichte Ceta-Text untersucht.

Der Völkerrechtler von der Universität Bremen macht auch deutlich, dass nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat dem Vertrag grundsätzlich zustimmen muss, was bisher umstritten ist. Dieses Prozedere verlange das Grundgesetz, heißt es in dem Gutachten weiter. "Ceta ist ein gemischtes Abkommen. Es kann nur in Kraft treten, wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifizieren."

Einzelne Teile könnten für ungültig erklärt werden

Der Vertrag zwischen Kanada und der EU sorgt seit seiner Veröffentlichung für großen Ärger. Die EU-Handelskommission war bis zum Sommer davon ausgegangen, dass für den Wirtschaftsvertrag zwischen der EU und Kanada allein eine Zustimmung der EU-Regierung ausreichend ist. An diesem Punkt hat sich in den vergangenen Monaten jedoch ein heftiger Streit zwischen der Bundesregierung und Brüssel entwickelt. Wann und ob das Abkommen überhaupt inkrafttreten kann, ist unklar.

Hart umkämpft sind bei Ceta wie beim größeren Abkommen TTIP zwischen den USA und der EU vor allem die Investorenschutzregeln (ISDS), die Konzernen das Sonderrecht einräumen, vor privaten Schiedsgerichten zu klagen. Sie könnten von Staaten milliardenschwere Entschädigungen verlangen, wenn sie zum Beispiel ihre Geschäfte durch strengere Umweltschutzauflagen gefährdet sehen. Die ISDS-Regeln verletzen nach Auffassung des Gutachtens das richterliche Rechtsprechungsmonopol, das im Grundgesetz verankert ist.

Die Autoren des Gutachtens meinen außerdem, dass bei Ceta am Ende das Bundesverfassungsgericht und der europäische Gerichtshof das Sagen haben könnten. Einzelne Teile des Vertrags könnten für ungültig erklärt werden, weil sie nicht mit europäischem oder deutschem Recht in Einklang zu bringen seien.

Die Kritikpunkte könnten auch bei TTIP eine Rolle spielen

So werde etwa die im Grundgesetz festgeschriebene Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Ceta-Vertrag nicht ausreichend berücksichtigt. Auch Sozial-, Umwelt-, Arbeits-, Gesundheitsstandards seien nicht ausreichend verankert.

Der Pakt mit Kanada ist das umfangreichste Freihandelsabkommen, das die EU bislang ausgehandelt hat, und in seinen Ansätzen mit dem amerikanischen TTIP-Abkommen vergleichbar. Umstrittene Punkte wie sie nun beim kanadischen Abkommen diskutiert werden, werden auch bei TTIP eine entscheidende Rolle spielen.

Der Widerstand in der Bevölkerung gegen Ceta und TTIP ist groß. Die Kritiker des Abkommens befürchten, dass der Wirtschaft Sonderrechte auf Kosten der Bürger eingeräumt werden sollen und die demokratische Grundordnung unterlaufen werden könnte. Außerdem befürchten sie, dass Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards aufgeweicht werden könnten. Befürworter werben damit, dass die Verträge Unternehmen mehr Wachstum bringen und neue Arbeitsplätze schaffen würden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: