Klassische Musik:Johann Magdalena Bach

Bachhaus in Eisenach

Porträtbüste des Komponisten Johann Sebastian Bach im Bachhaus in Eisenach

(Foto: dpa)

Kaum zu glauben: Die Frau des Meisters soll selbst komponiert haben. Ein australischer Forscher beruft sich auf ein forensisches Gutachten - und auf ein dürftiges Indiz. Musikexperten üben Kritik.

Von Michael Stallknecht

Liebhaber der Malerei haben sich längst daran gewöhnt, dass viele einst Rembrandt zugeschriebene Werke heute in den Museen unter "Rembrandt und Schüler" firmieren. Werden sich auch die Musikliebhaber an Stücke von "Johann Sebastian Bach und Gattin" gewöhnen müssen?

Jedenfalls, wenn es nach einer Dokumentation über Anna Magdalena Bach geht, die in diesen Tagen ihre erste Runde über die Filmfestivals und durch die Fernsehkanäle macht. In "Written by Mrs Bach" vertritt der Musikologe und Dirigent Martin Jarvis die These, dass einige bekanntere Werke gar nicht von Bach stammen, sondern von dessen zweiter Ehefrau.

Dabei geht es vor allem um die berühmten sechs Suiten für Cello solo, die in mehreren Handschriften, darunter der von Anna Magdalena vorliegen. Jarvis, Professor an der australischen Charles Darwin University, stützt sich vor allem auf forensische Gutachten. Seine Thesen hat er bereits vor einigen Jahren in einem Buch publiziert, doch die Verfilmung rückt sie nun ins grellere Licht der Öffentlichkeit.

"Purer Schwachsinn"

Das Anliegen dahinter ist aller Ehren wert: Anna Magdalena taucht in der Bach-Biografik oft nur am Rande als die Frau auf, die mit zwanzig Jahren den älteren Witwer Johann Sebastian heiratete und ihm dreizehn weitere Kinder gebar. Dabei galt sie selbst als hervorragende Sängerin, am Köthener Hof verdiente sie das zweithöchste Gehalt nach ihrem Ehemann. Mit dem gemeinsamen Umzug nach Leipzig bestanden für sie kaum noch Auftrittsmöglichkeiten. Sie schrieb Manuskripte für ihren Mann ins Reine, wobei die Zusammenarbeit eng war. Daneben dürfte sie selbst eine gute Pianistin gewesen sein. Klavierschüler bekommen es heute noch mit dem weitgehend in ihrer Handschrift überlieferten "Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach" zu tun.

Was ihr Jarvis darüber hinaus zuschreibt, ist nach wissenschaftlichen Kriterien dennoch in höchstem Maße fragwürdig. So zielt das forensische Gutachten vor allem auf die Schreibgeschwindigkeit als Indiz für eine Autorschaft Anna Magdalenas, übersieht aber zum Beispiel, dass in ihrem Manuskript der Cellosuiten die für einen Kompositionsvorgang typischen Korrekturen fehlen.

Auch die für Fragen der Autorschaft zentralen Stilkriterien beschäftigen Jarvis wenig. Dass Anna Magdalena nirgends als Komponistin erwähnt wird, erklärt der Film damit, dass ihr Nachlass gezielt vernichtet worden sein könnte, und raunt, noch beim Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar vor zehn Jahren seien Dokumenten verschwunden. Gegen die extrem spekulative Argumentation haben denn in den vergangenen Tagen auch bereits Musikjournalisten wie Alex Ross und Norman Lebrecht ebenso Einspruch erhoben wie zum Beispiel die Cellisten Steven Isserlis und Julian Lloyd Webber. So schreibt Isserlis im Musikblog des Guardian, dass der Stil Johann Sebastian Bachs in den Cellosuiten unverkennbar sei. Den "Suitenskandal" hält er für "puren Schwachsinn".

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