Luxemburg-Leaks:Trickreiche Manager der Deutschen Bank

Deutsche Bank Headquarters And Branches Ahead Of Foreign Exchange Rigging Fine

In diesen Türmen in Frankfurt sitzen die trickreichen Manager der Deutschen Bank

(Foto: Bloomberg)

Legal, aber nicht legitim: Solche Geschäfte will das Geldinstitut eigentlich nicht mehr machen. Doch Dokumente belegen, dass der Konzern Investoren beim Steuernsparen hilft und selbst profitiert.

Von Christoph Giesen und Klaus Ott

Es sind nur ein paar Sätze, mit denen die Luxemburger Filiale der Deutschen Bank auf ihrer Webseite für Investitionen im Großherzogtum wirbt. Doch die Passage genügt, um zu verstehen, warum der Finanzkonzern in dem kleinen Land so gerne große Geschäfte macht. Andere europäische Staaten hätten früher ihre Haushaltslöcher "mit immer neuen Steuergesetzen zu stopfen" versucht, bemängelt das Institut. Luxemburg hingegen habe den richtigen Weg eingeschlagen. Ein strenges Bankgeheimnis, eine "wettbewerbsfähige Steuerpolitik" und pragmatische Behörden, die neue Projekte rasch und unbürokratisch genehmigten. "Klarheit und Flexibilität", lobt die Deutsche Bank, seien Luxemburgs Erfolgsgeheimnis.

Minimale Steuern also und Beamte, die kreative Konstruktionen in Windeseile durchwinken. Die Deutsche Bank vertraut seit Langem auf Luxemburg.

Am 22. Februar 2006 präsentiert die Beratergesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) im Auftrag der Bank der luxemburgischen Verwaltung zwei komplizierte Fondsmodelle für Immobiliengeschäfte in halb Europa. Das Geld soll aus Übersee via Luxemburg, teils über die Zwischenstation Malta, nach Deutschland, Italien und andere europäische Staaten fließen. Und dort etwa in Kaufhäuser oder Bürogebäude gesteckt werden. Die Gewinne, die diese Immobilien abwerfen, wandern wieder zurück zu den von der Bank betreuten Anlegern. Dazu gehören den Papieren zufolge Investoren, die ihr Vermögen "offshore", also in Steueroasen, verwalten lassen, genauso wie übrigens die Bank selbst, die eigenes Kapital in den Fonds anlegt.

Damit auf dem Rückweg möglichst wenig Abgaben anfallen, hat die Deutsche Bank Dutzende Firmen vor allem in Luxemburg, aber auch auf Malta geschaffen, die ineinander verschachtelt sind. Den PwC-Schreiben sind Grafiken beigefügt, die alles erklären sollen. Sie sind ähnlich kompliziert wie die Schaltpläne eines Atomkraftwerks.

Wer diese Strukturen von außen über öffentliche Handelsregister-Einträge nachvollziehen will, scheitert. Von Deutschland nach Luxemburg ist die Spurensuche noch möglich, auf Malta ist spätestens Schluss. So heißt es im maltesischen Handelsregister bei einigen Gesellschaften lapidar: "Es gibt keine Informationen bezüglich der Anteilseigner."

Für die Luxemburger Behörden sind die komplexen Strukturen offenbar kein großes Hindernis. Bereits zwölf Tage später, am 6. März 2006, sind die beiden Modelle genehmigt und abgestempelt - von Marius Kohl, dem Chef-Administrator für Fonds im Großherzogtum. Nach luxemburgischen Recht mag formal alles legal sein, doch Zweifel bleiben. Banker als Steuertrickser, das passt nicht so recht zu dem von den Konzernchefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen ausgerufenen Kulturwandel.

Die Deutsche Bank reagiert mit Unverständnis auf Fragen zu beiden Fondsmodellen, die Mitte des vergangenen Jahrzehnts aufgelegt und später immer wieder verfeinert wurden, wie weitere Schreiben von PwC aus den Jahren 2009 und 2010 belegen. Diese Fonds seien "absolut konform" mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und mit den internen Regeln der Bank, teilt das Institut schriftlich mit. Die Geschäfte, die man nur mit institutionellen Anlegern und nicht mit Privatkunden gemacht habe, dienten nicht der Steuervermeidung. Das "nicht" ist in der Antwort der Bank unterstrichen. Zudem, heißt es in der Stellungnahme, seien die Fonds schon vor "vielen Jahren aufgelegt" worden, sie seien bereits ausgelaufen oder befänden sich in Auflösung. Neue Geschäfte dieser Art seien derzeit nicht geplant.

Drei Gründe, warum es Anlegern in Luxemburg gefällt

Wer sich in der Finanzbranche erkundigt, bekommt zu hören, dass bei der Deutschen Bank und anderen Instituten derlei Transaktionen als ganz normal betrachtet werden. Es entstehe doch gar kein Schaden, heißt es immer wieder. Bei manchen Immobilienprojekten könnten durch die Investitionen sogar Arbeitsplätze gerettet werden, und letztlich müssten die Anleger in ihren Heimatländern die Gewinne ohnehin versteuern. Unter den Kapitalgebern seien auch Pensionsfonds etwa von Feuerwehrleuten, die das Rentengeld ihrer Kunden vermehren wollten und kein Interesse hätten, in Europa hohe Steuern zu zahlen.

Die Deutsche Bank als Wohltäter für Normalverdiener? Das klingt zu schön. Feuerwehrleute und deren Pensionsfonds zählen bestimmt nicht zu jener Klientel, die beispielsweise auf den Cayman Islands in der Karibik ihr Vermögen bunkern, um es dort vor dem heimischen Fiskus zu verbergen. "Offshore-Investoren" werden solche Kapitalanleger im Finanzjargon genannt. Auch sie zählten, neben US-Investoren, zu den Partnern der Deutschen Bank bei den Immobiliendeals. So steht es jedenfalls in einer der beiden PwC-Eingaben vom 22. Februar 2006.

In einem der Dokumente ist eine Konstruktion beschrieben, die just auf den Cayman Islands beginnt und von dort via Malta nach Luxemburg führt, wo etliche Tochterfonds gegründet worden sind. Diese Gesellschaften kaufen sich über weitere Firmen überall in Europa ein. Dabei werden den Immobilienprojekten Darlehen mit hohen Zinsen aufgebrummt. Das ist das Herzstück des Plans. Die Kredite müssen bedient werden, die Zinsen, die nach Luxemburg fließen, sind in dem Land, in dem die Immobilie steht, dann steuerfrei.

Auch die luxemburgischen Gesellschaften sind offenbar weitgehend fremdfinanziert. Die Deutsche Bank setzt dabei breitflächig sogenannte Profit Participating Loans ein, die in den Akten meistens nur als PPLs abgekürzt werden. Im deutschen Finanzjargon wird etwas sperrig von "partiarischen Darlehen" gesprochen. Im Kern handelt es sich um Kredite, deren Zinsen sich am Unternehmenserfolg orientieren. Macht einer der Fonds viel Gewinn, fallen auch die Zinszahlungen üppiger aus.

Dieses Konstrukt hat steuerlich enorme Vorteile: Die von den Cayman Islands über Malta gewährten Kredite werden von den Behörden in Luxemburg als Verschuldung anerkannt und können von der Steuer abgesetzt werden. Stellt sich der Steuerberater in Luxemburg halbwegs geschickt an, bleibt von der Einkommenssteuer kaum etwas übrig. Von der Vermögens- und Quellensteuer sind die Fonds ohnehin befreit. Bezahlen müssen die Gesellschaften in Luxemburg oftmals nur einen Bruchteil der Erträge, der pauschal besteuert wird. Meistens sind nur für 0,25 Prozent der Profite Abgaben fällig.

Das ist nicht die einzige Steuersparvariante, an der die Deutsche Bank beteiligt ist. Die PwC-Papiere geben auch Aufschluss darüber, wie die Bank als Dienstleister anderen Unternehmen hilft, den Fiskus auszutricksen. Den Akten zufolge hat das Institut als sogenannter General Partner über eine Firma auf der Insel Guernsey im Ärmelkanal einer großen finnischen Gesellschaft geholfen, Profite aus Immobiliengeschäften in Russland nach Luxemburg zu verlagern.

In der Branche heißt es oft, das Großherzogtum sei vor allem aus drei Gründen so attraktiv für Investoren. Vom Luxemburger Dreiklang sprechen manche Fondsmanager deshalb dann gerne. Da ist zunächst die laxe Regulierung der Finanzaufsicht. Wenn Luxemburg EU-Vorgaben zum Finanzsektor in nationales Recht gießt, beschränkt sich das Land in der Regel auf das Minimum. Banker lieben das, sie können ungestört experimentieren. Der zweite Grund ist die Rechtssicherheit: Kein Investor will sein Vermögen ohne Not in einen Staat schaffen, in dem die Beamten korrupt und die Urteile der Gerichte intransparent sind. Und der dritte Grund: Das sind die niedrigen Abgabesätze.

Ein deutscher Steuerfahnder, der schon viele große Fälle bearbeitet hat, schimpft über die "Luxemburger Doppelzüngigkeit". Dort werde offiziell verkündet, man gehe gegen Steuerhinterziehung vor, und gleichzeitig biete Luxemburg "Schlupflöcher für Konzerne". Der kleine Staat sei innerhalb der Europäischen Union "immer noch der große Steuerhafen". SZ, NDR und WDR haben diesem Finanzbeamten mehrere der PwC-Dokumente vorgelegt, in denen Fonds beschrieben sind, die von der Deutschen Bank geschaffen oder als Dienstleister unterstützt wurden. "Das sind eindeutig Steuergestaltungsmodelle, da gibt es gar keinen Zweifel", sagt der Fachmann. Was Luxemburg und die Konzerne machten, sei eine "eklatante Benachteiligung des Mittelstands". Der habe in der Regel nicht die Leute und die Mittel, um solch aufwendige Strukturen zu entwerfen und zu betreiben.

Und was sagt die Deutsche Bank dazu?

Dem Steuerfahnder und seinen Kollegen sind die Hände gebunden. "Das ist legal, das ist keine Steuerhinterziehung", sagt der Beamte. "Es gibt Tausende Vehikel, mit denen ich eine Gesellschaft, die hier bei uns gute Geschäfte macht, leer räume." Das gilt offenbar auch für die RHH Landmark Immobilien GmbH & Co. KG aus Eschborn bei Frankfurt, die Teil des Imperiums der Deutschen Bank ist. Sie wird selbst offiziell von einer Gesellschaft aus Luxemburg kontrolliert. In Deutschland gehören mehr als 20 Töchter zur RHH - für jede Region eine eigene Firma. Zum Beispiel in Hannover. Dort verwaltete die RHH einen grauen, unscheinbaren Flachbau an einer Ausfallstraße. Wer vorbeifährt, hat das Gebäude nach wenigen Metern schon wieder vergessen. Genauso unspektakulär sind die Mieter: Ein Fachhändler für Sanitärbedarf hat hier seinen Sitz, ein Logistikunternehmen und ein Bildungszentrum, in dem sich Realschüler Rat holen können, welche Ausbildung zu ihnen passt. Als das Areal mit seinen immerhin 57 000 Quadratmetern im Mai dieses Jahres von der RHH veräußert wurde, erschien in einem Branchendienst eine kleine Meldung mit dem Hinweis, dass über den Kaufpreis Stillschweigen vereinbart worden sei. Auch sonst hält sich die Deutsche Bank sehr bedeckt.

Wie die Gewinne aus diesem Deal versteuert werden, dazu äußert sich die Bank nicht. Einen deutlichen Hinweis darauf, wo das Geld landen soll, geben jedoch die PwC-Papiere. Die Beratergesellschaft hat am 29. Juli 2009 die Luxemburger Verwaltung darum gebeten, Änderungen der Fonds-Konstruktion der Deutschen Bank gutzuheißen. In dem Schreiben geht es auch um das "Projekt Landmark". Die Ausführungen im Abschnitt B.3 mit den Textziffern 46 und 47 lassen keinen Zweifel daran, dass Profite am deutschen Fiskus vorbei ins Großherzogtum geschleust werden.

Die Deutsche Bank äußert sich zu der Gewinnverlagerung nur sehr allgemein: "Die Entscheidung über die Struktur eines Produktes folgt der Prüfung der Sinnhaftigkeit für das Produkt selbst, und diese Entscheidung ist immer konform mit den rechtlichen Rahmenbedingungen."

Was die Deutsche Bank und ihre Partner an den Immobiliendeals verdient haben, teils auf Kosten des Fiskus, bleibt im Dunkeln. Das Institut teilt lediglich mit, zum 30. Juni 2014 habe sich das in den Fonds angelegte Vermögen auf 700 Millionen Dollar belaufen, und zum 30. September 2014 seien es noch 500 Millionen Dollar gewesen. Zahlen aus früheren Jahren, die deutlich über der Milliardengrenze liegen müssten, gibt die Bank nicht preis.

Wie passt das alles zusammen? Luxemburg, die Immobilien, die verschachtelten Strukturen und der von der Deutschen Bank ausgerufene Kulturwandel, der besagt, Geschäfte sollten nicht nur legal, sondern auch legitim, also gesellschaftspolitisch akzeptiert sein? Die Bank sieht keinen Widerspruch zu ihren "Werten und Überzeugungen", insbesondere deshalb nicht, weil die Fonds vor dem Kulturwandel geschaffen und inzwischen aufgelöst worden seien oder jetzt ausliefen. Zu Details äußert sich die Bank kaum und erklärt vielmehr, man habe keine "Steuergestaltungsmodelle" angeboten und könne deshalb Fragen nach Zahlen und Volumen nicht beantworten.

Stattdessen betont die Bank: "Wir kommen unseren Steuerverpflichtungen in allen Ländern vollumfänglich nach." Besonders gerne offenbar in Luxemburg.

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