Erfolgreiches Kinderfernsehen:Susi und das Sandmännchen

Erfolgreiches Kinderfernsehen: Kinder schauen mehr Kinderprogramme, seit es mehr Kanäle gibt. Das ist die komfortable Lage der Sender. Aber wie lange noch?

Kinder schauen mehr Kinderprogramme, seit es mehr Kanäle gibt. Das ist die komfortable Lage der Sender. Aber wie lange noch?

(Foto: imago stock&people)

Seit Januar macht Disney Channel bei den Kindersendern in Deutschland mit. Das bekommen Kika, Nickelodeon und Super RTL zu spüren - schlechte Laune darf es trotzdem nicht geben.

Von Hans Hoff

"Susi Sonnenschein, alles in Ordnung mit dir?" Nein, mit Susi Sonnenschein ist gerade gar nichts in Ordnung, sie hat ihr Lächeln verloren. Das muss untersucht werden. Aber Susis Probleme sind nichts gegen die von Peter Hase, der auf der Suche nach Wuschelpuschels verschwundenem Geburtstagskuchen ist, während Opa Ringel was erzählt von vielköpfigen Seemonstern. Und dann ist da noch der Bösewicht, der aus den Goldfischen im Glas Fischnuggets machen will.

Es ist eine gemäßigt wilde Welt, die sich dem Zuschauer offenbart, wenn er vormittags durch die Animationsserien der vier hierzulande gängigen Kindersender zappt. Überall herrscht Niedlichkeit, die meisten Probleme werden innerhalb der nächsten paar Minuten zur allgemeinen Zufriedenheit der jungen Kunden gelöst.

Es ist eine heile Welt, die da von den Sendern präsentiert wird. So heil, dass das Glück auch auf die Sendervertreter abstrahlt. Fragt man die nach ihrer aktuellen Stellung im Wettbewerb, verkünden sie alle Erfolgsmeldungen. Uns geht es gut, lautet das Motto, und es ist noch nicht einmal gelogen. Das liegt vor allem daran, dass sich der Markt vergrößert hat. Lag der Marktanteil aller Kindersender in der Zielgruppe der 3- bis 13-Jährigen 2013 noch bei etwa 55 Prozent, so pendelte er Ende Oktober um die 58-Prozent-Marke. Drei Prozentpunkte mehr, das ist in Zeiten sich in Fragmentierung verdünnisierender Märkte schon eine Hausnummer.

Zu verdanken haben die Sender das Wachstum einem neuen Konkurrenten. Seit dem 17. Januar ist der Disney Channel on air, und das hat das Interesse der jungen Zuschauer offenbar angefacht. Sie schauen vermehrt die für sie gemachten Programme. Dementsprechend verkündet Disney Erfolgsmeldungen und will noch mehr.

"Wir streben natürlich an, am Ende des Jahres vor Nickelodeon zu liegen", sagt Lars Wagner, General Manager bei Disney. Derzeit balgen sich die beiden "kleinen" Sender um die Pole Position unterhalb der Zehnprozentmarke, aber damit will sich der Neuling nicht zufrieden geben. "Unser Anspruch in der Daytime ist es, zweistellig zu werden", sagt Wagner. Disney will in die Zone der beiden großen Player vorstoßen.

Weil Mütter mit ihren Kindern oft vor dem Fernseher hocken, wollen sie diese in die Primetime locken

Die Großen, das sind Super RTL und der Kika. Insbesondere Letzterer hat von der Markterweiterung profitiert und liefert sich in Höhe der 20-Prozent-Marke ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem seit anderthalb Jahrzehnten auf der Marktführerposition verharrenden Privatsender. Beim Kika gibt man sich aber lieber bescheiden. "Es ist nicht unser vorrangiges Ziel, Marktführer zu werden. Wir wollen einen Auftrag erfüllen, und den wollen wir gut erfüllen", sagt Michael Stumpf. Fragt man den Programmgeschäftsführer, ob es bei der Zwei-Welten-Liga bleiben wird, oben Kika und Super RTL, unten Nick und Disney, sagt er: "Fürs erste glaube ich schon." Er warnt aber ausdrücklich, sich auf dem Erreichten auszuruhen. "Da ist noch nicht alles vorbei, da wird noch einiges passieren."

Das verlorene Lächeln der Susi Sonnenschein könnte, wäre es kein Disney-Programm, prima auch bei Super RTL laufen. Dort hat man Einbußen hinnehmen müssen. Nicht nur sind die Marktanteile leicht gebröckelt, auch sind wichtige Programme abhandengekommen, denn viel von dem, was Disney nun im eigenen Kanal nutzt, lief früher bei den Kölner Veteranen, wo der heutige Konkurrent Disney immer noch 50-Prozent-Miteigentümer ist.

"Wir finanzieren die Verluste des Disney Channels", sagt Claude Schmit. Der Super-RTL-Chef sagt das natürlich mit einem Augenzwinkern. Es ist so seine direkte Art, die Dinge zu benennen, ohne gleich gerichtsfeste Fakten zu liefern. Schmit will damit natürlich vor allem klar machen, dass der Umstand, dass seine Eigner ihm nun Konkurrenz machen, kaum nennenswerte Schäden hinterlassen hat. "Wir haben mit schlimmeren Szenarien gerechnet und weniger verloren als erwartet", sagt er.

Zielgruppenmäßige Achterbahnfahrt

Vor allem schlage die neue Situation nicht wesentlich auf die Ertragslage durch. "Wir waren immer sehr, sehr profitabel, jetzt sind wir nur noch sehr profitabel", sagt er und zeigt sich froh, dass er dem Miteigentümer Disney nun keine überhöhten Preise mehr für dessen Programme zahlen muss. "Das war für die Firma ein Befreiungsschlag", sagt er. "Wir sind nicht am Ende des Wachstums angekommen."

"Übers Jahr werden wir wieder Marktführer sein", sagt Carsten Göttel. Schmits Programmdirektor muss die neue Situation meistern. Für die Planung bedient er sich bei Niklas Luhmann. "Wir machen gerade einen Instrumentenflug über geschlossener Wolkendecke", sagt er, denn schon früh muss er voraussagen, wann die Kinder was und wie oft schauen und wie die Werbekunden das beurteilen.

So ein Spagat ist für einen Kinderfernsehmacher alltägliche Übung, denn er muss ohnehin das Kunststück schaffen, die keineswegs homogene Zielgruppe der 3- bis 13-Jährigen über den Tag zu fesseln. Die Sorgen der Susi Sonnenschein dürften einen Zehnjährigen kaum interessieren, und wenn bei Nickelodeon die monströsen Transformer-Puppen beworben werden, ist das für Dreijährige eher erschreckend.

"Das ist zielgruppenmäßig eine Achterbahnfahrt", sagt Kika-Mann Stumpf, der aber den Trumpf bei sich weiß, über Marken zu verfügen, die den Eltern vertraut sind. Der Kika hat die Sendung mit der Maus, Löwenzahn und das Sandmännchen, Sendungen, die man sieht, weil man sie schon immer gesehen hat und weil alle sie schauen. "Wenn es um das ritualisierte Sehen geht, dann sind das Sandmännchen und unsere Märchen so etwas wie der Tatort für die ARD", sagt Stumpf.

Super RTL stellt das vor Probleme. "Die Erwachsenen denken, dass das, was sie früher gesehen haben, gutes Kinderprogramm ist. Das neue Angebot kennen sie gar nicht", klagt Super-RTL-Mann Göttel und skizziert die Strategie eines Programmmachers. "Wir müssen nicht in erster Linie die Kinder kriegen, wir müssen die Eltern davon überzeugen, dass unser Programm gut ist für die Kinder."

Den Umstand, dass Eltern oft mit ihren Kindern vor dem TV hocken, versuchen die Programmmacher als Chance zu begreifen. "Wir nutzen natürlich die Gelegenheit, die eine oder andere Mutter, die mit ihren Kindern schaut, mit in den Abend zu nehmen", sagt Disney-Mann Wagner.

Das ist verständlich, denn abends läuft es für Disney noch nicht ganz so gut. Mehrfach schon hat der Platzhirsch Super RTL deutlich gemacht, dass er mit seinen Asterix-Filmen auch noch den ambitioniertesten Disney-Blockbuster wie Wall-E aus dem Feld zu schlagen weiß. "In der Prime Time spüren wir den Disney-Effekt gar nicht", sagt Claude Schmit.

Und das mit Susi Sonnenschein haben sie bei Disney auch hinbekommen. Die Spielzeugärztin hat "Augenaufferitis" diagnostiziert. Susi ist launisch, weil sie beim Hinlegen das Schließen der Augen vergessen hat. Oder hat sie vielleicht ein bisschen zu viel Kinderfernsehen geschaut?

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