Bahnstreik beendet:Reisende müssen weiter mit Behinderungen rechnen

Nach Lockführerstreik - Köln

Obwohl der Streik beendet ist, kommt es noch immer zu zahlreichen Verspätungen.

(Foto: dpa)

Bis alle Züge wieder normal fahren, wird es bis Montag dauern. GDL-Chef Weselsky ist schon jetzt erkennbar bemüht, sich versöhnlich zu geben.

Von Oliver Klasen

Als Achim Stauß, der Pressesprecher der Bahn, am Samstagnachmittag vor die Presse tritt, ist das Ende des Bahnstreiks noch vier Stunden entfernt. Bis 18 Uhr streikt die Lokführergewerkschaft GDL, auch danach wird der Bahnverkehr noch empfindlich gestört sein, aber Stauß traut sich schon jetzt zu sagen: "Wir können den Kunden durchaus empfehlen, wieder Bahn zu fahren."

Es ist eine mutige Aussage - schließlich sind am Sonntag im Fernverkehr nur etwa 60 Prozent der Verbindungen verfügbar (Hier der Link zur Live-Auskunft der Bahn). Die Reise in jenen Zügen, die tatsächlich fahren, dürfte nicht besonders angenehm werden. Sie werden deutlich voller sein als sonst. Schließlich ist der Sonntag - neben Freitag - der Hauptreisetag bei der Bahn. Millionen Pendler fahren dann aus der Heimat wieder zurück zu dem Ort, an dem sie arbeiten. Sie alle sollten lieber einen "Zeitpuffer" einplanen, so der Bahnsprecher.

In Norddeutschland, so der Bahnsprecher Stauß, werde die Situation trotz des Streikendes das ganze Wochenende angespannt bleiben. Auf mehreren Strecken hat es dort Brandanschläge auf Kabelschächte und Signalanlagen gegeben. Die Polizei ermittelt und prüft derzeit ein Bekennerschreiben aus der linken Szene. Dort hieß es, dass mit der Sabotage an den Tod eines französischen Anti-Atom-Aktivisten bei einem Castortransport erinnert werden soll.

Erst am Montag, so heißt es von der Bahn, werden alle Züge vollständig nach dem Normalfahrplan fahren. Lokomotiven, Waggons und das nötige Personal stünden wegen des Streiks oft nicht dort, "wo sie hingehören", so Stauß. Im Nahverkehr sei die Situation etwas einfacher. Dort sollen am Sonntag wieder zwei Drittel aller Züge fahren.

Die S-Bahn-Züge in Berlin, wo an diesem Wochenende die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls stattfinden, sollen am Sonntag sogar zu mehr als 90 Prozent einsatzbereit sein. Im Güterverkehr seien die Auswirkungen des Streiks indes noch einige Tage zu spüren.

Weselsky erwartet Einladung von der Bahn

Die GDL fordert in dem Tarifkonflikt für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld sowie eine kürzere Arbeitszeit. Vor allem aber will sie neben den Lokführern künftig auch das übrige Zugpersonal in Verhandlungen vertreten, für das bislang die Konkurrenzgewerkschaft EVG zuständig ist. Die Bahn will dagegen verhindern, dass es verschiedene Tarifverträge für einzelne Berufsgruppen gibt.

Eigentlich wollte die GDL bis Morgen früh 4 Uhr streiken. Dass sie ihren Arbeitskampf um 34 Stunden verkürzt hat, sieht die Gewerkschaft als versöhnliche Geste. Claus Weselsky, der GDL-Chef, steht am Nachmittag auf dem Leipziger Hauptbahnhof und ist erkennbar bemüht, sich auch weiter versöhnlich zu geben. Noch am Morgen hatte ein anderer GDL-Mann in einem Radiointerview mit neuen Streiks gedroht, doch Weselsky sagt jetzt: "Wir diskutieren jetzt erstmal nicht über Streiks. Wir warten auf Verhandlungen." Man rechne mit einer Einladung von der Bahn.

Einen Termin dafür gibt es noch nicht. Immerhin nennt Bahnsprecher Stauß das vorzeitige Streikende "ein gutes Zeichen". Beim Gerichtsverfahren in Frankfurt, wo das Unternehmen erfolglos versucht hatte, den Streik verbieten zu lassen, habe es Signale gegeben, dass man wieder ins Gespräch komme. Zunächst aber zieht Bahn-Chef Rüdiger Grube in der Bild am Sonntag eine finanzielle Bilanz des Streiks. Bislang habe die Bahn 100 Millionen Euro verloren. Das werde sich auch in der Jahresbilanz des Unternehmens niederschlagen. Hinzu kämen der "Imageschaden und Vertrauensverlust".

Wie groß dieser Schaden wirklich ist, lässt sich schwer sagen. Die Reisenden scheinen ziemlich gut vorbereitet gewesen zu sein auf den Streik. Viele haben gelassen reagiert und sich rechtzeitig Alternativen gesucht. Chaos auf Bahnhöfen und in den verbliebenen Zügen gab es kaum.

Die größten Profiteure des Streiks

Fernbusse, Mietwagen-Verleiher, Mitfahrzentralen und Taxis - das sind die größten Profiteure des Bahnstreiks. "Das wird ein Rekordwochenende", sagte eine Sprecherin des Betreibers "MeinFernbus". Auch nach der überraschenden Verkürzung des Streiks hat das Unternehmen noch bis Montag Zusatzfahrzeuge im Einsatz. 130 Extra-Fahrten pro Tag würden angeboten. Ein Sprecher des Konkurrenten "DeinBus" sagte: "Wir haben doppelt so viele Passagiere wie sonst im Bus."

Für die Fernbus-Betreiber, deren Geschäft seit einigen Monaten ohnehin boomt, könnte der Streik nicht nur kurzfristig, sondern auch auf längerere Sicht von Vorteil sein. Denn viele Reisende haben dieses Verkehrsmittel jetzt zum ersten Mal genutzt - und womöglich erkannt, dass es eine gute Alternative zur Bahn sein kann.

Die Internet-Server der Mitfahrzentralen hatten ebenfalls einen viel größeren Datenstrom als sonst zu bewältigen. Die Preise lagen zwar - wie sonst auch - bei fünf bis sieben Euro pro 100 Kilometer, sagte ein Sprecher des Marktfühers "mitfahrgelegenheit.de". Trotzdem dürfte das Portal mehr eingenommen haben. Elf Prozent des vereinbarten Preises gibt der Fahrer für die Vermittlung der Fahrgelegenheit an das Unternehmen ab. An einem normalen Freitag würden 100 000 Plätze gebucht. In der vergangenen Woche seien es mehr als 250 000 gewesen.

Mietwagenfirmen wie Sixt und Europcar sprachen von einer höheren Nachfrage, nannten aber keine Zahlen. "In den Ballungszentren war es in den letzten Tagen wirklich schwierig, ein Fahrzeug zu bekommen", sagte eine Europcar-Sprecherin.

Spediteure ziehen keinen Nutzen aus dem Streik

Der Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands, Thomas Grätz, sprach ebenfalls von einem guten Wochenende, mit 40 bis 50 Prozent mehr Geschäft. Der Sprecher der Taxi-Bestell-App "mytaxi.de" bestätigt die Tendenz: Die Buchungen seien allein am Donnerstag um 147 Prozent gestiegen.

Etwas differenzierter sieht das Bild bei den Fluglinien aus. Sie setzten zwar auf einigen ausgesuchten Strecken größere Maschinen ein, um mehr Passagiere zu befördern. Das geht jedoch nur in begrenztem Umfang. So hieß es bei der Lufthansa, es werde mal ein A320 durch einen etwas größeren A321 ausgetauscht, um 15 bis 20 Passagiere mehr zu befördern.

Die deutschen Spediteure ziehen dagegen keinen Nutzen aus dem Streik. Geplante Frachten, die mit Güterzügen der Deutschen Bahn befördert werden sollten, müssten mit großem Aufwand umdisponiert werden, sagte der Sprecher des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV) in Bonn. "Das bedeutet zusätzliche Kosten, auf denen die Spediteure sitzen bleiben."

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)

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