Immobilien:Monopoly in London

Immobilien: "The Gherkin" - die Essiggurke, so wird der Glasturm des Stararchitekten Norman Foster genannt. Das Gebäude im Herzen der City of London soll bald einem Brasilianer gehören.

"The Gherkin" - die Essiggurke, so wird der Glasturm des Stararchitekten Norman Foster genannt. Das Gebäude im Herzen der City of London soll bald einem Brasilianer gehören.

(Foto: Leon Neal/AFP)

Das berühmte Hochhaus "The Gherkin" wird brasilianisch, das Büroviertel Canary Wharf gehört vielleicht bald Katar: Londoner Immobilien sind bei ausländischen Investoren sehr beliebt. Dem britischen Premierminister David Cameron gefällt das.

Von Björn Finke, London

Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Die künstliche Eisbahn steht im Herzen von Canary Wharf, dem modernen Bankenviertel Londons. Abends scheinen die Lichter aus den Fenstern der Hochhäuser herunter auf die Schlittschuh-Läufer. Die Bahn machte Anfang November auf; bis Ende Februar können die Banker dort nach langen Arbeitstagen ihre Runden drehen - für einen London-typisch unverschämten Preis. Vielleicht wird bis dahin ihr Büro einen neuen Besitzer haben. Einen Besitzer aus einem Land, wo Schlittschuhlaufen nicht sehr populär ist: Der katarische Staatsfonds will zusammen mit dem New Yorker Investor Brookfield die Immobiliengesellschaft kaufen, welcher der Großteil von Canary Wharf gehört.

Jenes Unternehmen heißt Songbird, also Singvogel, was irgendwie ein passender Name für den Haupteigentümer von Canary Wharf - dem Kanaren-Kai - ist. Das Angebot der Kataris bewertet Songbird mit fast drei Milliarden Euro, doch Vertreter der Aktionäre und des Managements wiesen die Offerte jetzt als zu gering zurück. "Das Angebot bewertet Songbird deutlich zu niedrig, es spiegelt nicht den Wert des Geschäfts und der Immobilien wider", sagt Songbird-Chairman David Pritchard.

Investoren rangeln aber nicht nur um die Hochhäuser von Canary Wharf, einem Viertel, das so groß wie 80 Fußballfelder ist. Auch in der City of London, dem Revier der Banken im Stadtzentrum, gab es ein Wettbieten um einen bekannten Glasturm - um The Gherkin, also die Essiggurke, wie jenes markante Gebäude des Stararchitekten Norman Foster genannt wird. Am Montag teilte der brasilianische Milliardär Joseph Safra mit, er habe den Zuschlag erhalten. Den Preis erwähnte er nicht, doch laut Financial Times flossen 925 Millionen Euro.

Bauherr des 180-Meter-Turms war der Rückversicherer Swiss Re. Die Schweizer verkauften ihn aber 2006 an die Investmentbank Evans Randall und die Bonner IVG Immobilien AG. Die Partner nahmen dafür viele Kredite auf, allerdings konnten sie die Schulden nicht wie geplant abtragen. Seit 2009 brach das Duo Vorgaben des Kreditvertrags, weswegen die Banken im April die Versteigerung ansetzten.

Betongold als sicherer Fluchtpunkt

Ein Brasilianer kauft die Essiggurke, Kataris wollen gleich ein ganzes Viertel - Immobilien in London sind ein begehrtes Investment unter den Reichen aus aller Welt. Neben Büros sind auch luxuriöse Wohnhäuser sehr beliebt. Russen, Inder oder Chinesen legen sich gerne einen pompösen Zweitwohnsitz an der Themse zu. Sie schätzen Betongold in London als sicheren Hafen für ihre hart erarbeiteten Millionen, außerdem sehen sie die Metropole als guten Fluchtpunkt an, sollte die politische Lage zu Hause einmal zu brenzlig werden und sie umziehen müssen. Dem katarischen Staatsfonds gehört bereits das Edel-Kaufhaus Harrods. Und geht es nach dem britischen Premierminister David Cameron, dann sollen die Scheichs ruhig noch mehr investieren. Dazu ermunterte er den Emir von Katar, als der Ende Oktober auf Staatsbesuch in London war.

The Canary Wharf business district of east London taken from the Metropolitan Police helicopter is seen during a foggy morning in this photograph received via the Metropolitan Police in London

Das Finanzzentrum London könnte an Bedeutung verlieren.

(Foto: Metropolitan Police London/Reuters)

Würden die Araber Songbird und damit einen Großteil der Bürofläche von Canary Wharf übernehmen, erfüllte sich der Wunsch des Premiers auf spektakuläre Weise. Das Viertel ist ein Symbol für den Aufstieg der Finanzbranche und die Deregulierung in Großbritannien. Die Kais in dem alten Hafenareal östlich der Innenstadt erlebten einen jahrzehntelangen Niedergang, Anfang der Achtzigerjahre schloss die letzte Verladestelle. Um die Gegend wiederzubeleben, wurden eine Bahnlinie ins Zentrum - die Docklands Light Railway - und der City-Flughafen eröffnet. Außerdem erhielten Immobilienentwickler weitgehend freie Hand: Sie sollten ein Hochhaus-Viertel bauen, in das die boomenden Banken Teile ihrer Büros verlagern können. Denn die Altstadt, die City of London, war für die Finanzkonzerne zu klein geworden.

Im Jahr 1988 begann der Bau der ersten Hochhäuser in Canary Wharf, drei Jahre später zogen die Mieter ein. Der Glasturm One Canada Square war lange das höchste Gebäude des Königreichs. Doch der Immobilienentwickler des Viertels hatte sich verhoben und ging 1992 Pleite. Die Auffanggesellschaft wurde dann später von der Investmentgruppe Songbird übernommen - und nun steht jenes Unternehmen vor einem Eigentümerwechsel. Die Kataris stiegen 2009 ein, ihnen gehören 29 Prozent der Anteile. Nun wollen sie die anderen Aktionäre herauskaufen.

Die Querelen bei den Besitzern schadeten dem Viertel offenbar nicht, denn über die vergangenen Jahrzehnte entwickelte sich Canary Wharf rasant. Arbeiteten dort 1991 etwa 2000 Menschen, sind es jetzt 105 000. Kein Wunder, dass die Araber Gefallen am Kanaren-Kai finden.

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