Leerstehende Häuser:Stadt überdenkt Abrisspläne für die Müllerstraße

Goldgrund-Aktion für bezahlbares Wohnen in München, 2014

Mit Konzerten und einer Renovierungsaktion wurde für den Erhalt der Häuser an der Müllerstraße gekämpft.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kommt in die Münchner Müllerstraße 2 bis 6 nun doch ein Flüchtlingsprojekt? Die Aktivisten von Goldgrund wollen hier das Wohn- und Kulturprojekt "Bellevue di Monaco" verwirklichen. Rathaus und Aktivisten treffen sich erstmals - und OB Reiter zeigt sich angetan.

Von Bernd Kastner

Längst ist im Rathaus der Abrissbeschluss für die Häuser Müllerstraße 2 und 4 gefällt, doch nun könnte alles ganz anders kommen. Der Stadtrat wird sich noch einmal mit den städtischen Häusern beschäftigen und diskutieren, ob an dieser Stelle das Wohn- und Kulturprojekt für Flüchtlinge "Bellevue di Monaco" verwirklicht wird. Alles ist wieder offen: Das ist das Ergebnis eines Spitzengesprächs zwischen den Initiatoren des Projekts um die Immobilien-Aktivisten von Goldgrund und der Stadtspitze. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) jedenfalls sieht das Bellevue-Projekt positiv. Im ersten Quartal 2015 soll der Stadtrat endgültig entscheiden, dann im Wissen um die neue Idee: Sollen in der Müllerstraße Neubauten mit Sozialwohnungen entstehen, wie eigentlich geplant - oder, in den bestehenden Altbauten, das "Bellevue"?

Es ist ein großer Schritt, den am Dienstag das Rathaus und die Flüchtlings-Aktivisten aufeinander zu gemacht haben. Zuletzt war wegen der massiven Goldgrundkritik an leer stehenden städtischen Immobilien die Atmosphäre sehr eisig: Man denke an die Gorilla-Aktion in der Müllerstraße oder jüngst die Demonstration gegen den Abriss des Hauses Pestalozzistraße 2. Nun haben sie erstmals nicht übereinander geredet, sondern miteinander. Reiter hat neben Zweitem Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und Dritter Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) auch Sozialreferentin Brigitte Meier und Kommunalreferent Axel Marquardt (beide SPD) dazu geholt, für die CSU-Fraktion saß ihr Chef Hans Podiuk am Tisch, für die SPD Beatrix Zurek, zugleich Chefin des Mietervereins. Die Aktivisten-Gruppe um ihren Sprecher, den Kleinkunstbühnenbetreiber Till Hofmann, wurde begleitet vom ehemaligen FC-Bayern-Spieler Mehmet Scholl.

Warum das Projekt hier entstehen soll

Im Dezember will sich die Runde nochmals treffen, bis dahin sollen die Initiatoren weitere Argumente liefern, warum der Stadtrat seinen Beschluss vom Februar kippen soll: Warum soll das Projekt ausgerechnet in der Müllerstraße entstehen, warum nicht außerhalb der Altstadt?

Hauptargument von Hofmann und Co. ist die symbolische Botschaft, die von der zentralen Lage ausginge: Im Herzen der Stadt, einen Steinwurf vom Viktualienmarkt entfernt, könnte ein "Welcome-Center" als Leuchtturmprojekt entstehen. Es würde symbolisieren, dass München Flüchtlinge mit offenen Armen empfängt und integriert. Die meisten größeren Asyl-Unterkünfte befinden sich bislang in städtischen Randlagen, abseits normaler Nachbarschaft, dafür mitunter neben Autobahn oder Wertstoffhof.

Keinesfalls, betont Hofmann, wolle er sein Projekt gegen Sozialwohnungen ausspielen: Diese könnten gleich gegenüber an der Corneliusstraße entstehen, wenn die Stadt die Straße an dieser Stelle verschmälere. Auch Reiter wertet das "Bellevue" als "Modellprojekt": "Ich finde es so interessant, dass man darüber nachdenken muss", sagte er im Gespräch mit der SZ. Zwar habe er selbst noch nicht entschieden, das "Bellevue" habe "aber Charme". Eine neue Abstimmung sei das Mindeste, um das Engagement der Gruppe zu würdigen. "Mir ist es wirklich ernst."

Was das Konzept "Bellevue" vorsieht

Hofmanns Truppe hat ihr Konzept weiterentwickelt. Es sieht jetzt vor, in den beiden größeren Häusern Müllerstraße 6 und 4 Wohnungen für junge Flüchtlinge und Familien einzurichten. In Nummer 2 soll ein Kulturraum entstehen und zudem die "Pension Bellevue", ein kleines Hotel: "Hier kommen Gäste aus aller Welt mit unseren anderen Gästen aus aller Welt zusammen", heißt es im Konzept. Vorbild für diesen Baustein ist das "Grandhotel Cosmopolis" in Augsburg, das Hotel und Asylunterkunft unter einem Dach verbindet. Wie in Augsburg soll es auch an der Müllerstraße ein Café geben, in dem auch Asylsuchende arbeiten. Hier sollen neu angekommene Flüchtlinge informiert und beraten werden. Der benachbarte Hochbunker neben der Schrannenhalle ist aktuell nicht mehr Teil des Plans, man wolle nicht alles auf einmal realisieren. Er könnte aber später einbezogen werden als Kulturzentrum.

Als Träger des "Bellevue di Monaco" träte eine zu gründende Sozialgenossenschaft auf, ein Verein soll das Projekt ideell unterstützen. Diskutiert werden muss noch über die Finanzierung. Nach einer ersten Schätzung der Initiatoren bräuchten sie einmalig gut 1,5 Millionen Euro von der Stadt für die Instandsetzung sowie etwa 250 000 Euro als jährlichen Betriebszuschuss, auch für mehrere Mitarbeiterstellen. Der Kern der Bellevue-Planer besteht neben Goldgrund aus dem Bayerischen Flüchtlingsrat sowie den Jugendhilfeträgern HPKJ und Verein für Sozialarbeit.

Groß ist die Zahl der Unterstützer im Hintergrund. Zu ihnen gehören etwa die Genossenschaft Wogeno, das Bürgerhaus Glockenbachwerkstatt, das Behandlungszentrum für Flüchtlinge, Refugio, das Import-Export, die Lach- und Schießgesellschaft sowie die Münchner Kammerspiele.

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