"Er sagt, sie sagt":Wo der Hammer hängt

popart teaser kolumne "er sagt, sie sagt"

Heimwerken stellt manche Beziehung auf eine Probe.

(Foto: iStock)

Sein Blick wild entschlossen, die Bohrmaschine im Anschlag. Das Ergebnis seiner Wohnungsverschönerung wird sie umhauen, denkt er. Und wundert sich über ihre Reaktion. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Sie kommt nach Hause. Er steht in der Diele, eine neongelbe, futuristisch anmutende Bohrmaschine im Anschlag.

Er: Du schon?

Sie: Was ist denn hier los, und was hast du da in der Hand?

Er: Das ist eine Diamant-Nass- und Trockenbohrmaschine mit ölgeschmiertem Dreigang-Getriebe und integrierter Staubabsaugung.

Sie: Warst du schon wieder im Baumarkt? Die begrüßen dich bald mit Fähnchen und Blaskapelle, wenn du so weitermachst. Du hattest es doch vorher nie so mit Heimwerken.

Er: Dachte ich auch. Aber die Leute dort erklären einem alles ganz genau. Das Wichtigste ist: keine Angst zu haben und es einfach auszuprobieren.

Sie (schaut sich skeptisch um und lässt den Blick über verrutsche Möbel streifen, die von einer Staubschicht bedeckt sind): Muss ich mir Sorgen machen?

Er: Ach woher! Ich dachte nur, ich bringe endlich einmal die Bilder und Lampen an, die seit Monaten herumstehen. Sollte eigentlich eine Überraschung werden.

Sie: Und wie ich überrascht bin! Was ist mit dem Bücherregal passiert? Warum schweben die vorderen Beine in der Luft?

Er: Das habe ich kippsicher an die Wand gedübelt. Da kannst du dich jetzt bedenkenlos dranhängen!

Sie: Großartige Idee. In meiner Phantasielosigkeit hatte ich mich doch tatsächlich darauf beschränkt, Bücher darin aufzubewahren. Aber warum ist es so schief?

Er: Das liegt an den Wänden - die sind offenbar krumm. Sieh es einfach positiv: Jetzt kommt man beim Wischen viel besser drunter!

Sie (verdreht die Augen): Wow, das ist ja mal wirklich praktisch.

Er: Komm, ich muss dir was zeigen! Er drückt auf den Lichtschalter im Wohnzimmer, ein Lichtkegel erscheint auf dem Boden in der Mitte. Ich habe sogar die Lampe an der Decke befestigt. Na, was sagst du?

Sie: An der Decke? In Bodennähe trifft es wohl besser. Hängt die nicht ein bisschen sehr tief?

Er: Habe ich mich auch schon gefragt, dabei habe ich die optimale Höhe genau berechnet und mich dabei am goldenen Schnitt orientiert.

Sie: Welcher Schnitt?

Er: Das ist ein Profi-Heimwerkertrick: Der Abstand zwischen Lampenschirm und Boden muss doppelt so groß sein wie der Abstand zur Decke ... oder war es umgekehrt?

Sie: Na bravo, echt profimäßig. Hast du auch Helme besorgt in deinem Baumarkt? Falls einer von uns mal vergisst, sich zu bücken.

Er: Betrachte es doch mal aus künstlerischer Perspektive: Der Lampenschirm schwebt jetzt im Raum und wirkt dadurch wie eine Skulptur - da geht man automatisch drumherum.

Sie: Ich wollte aber keine Skulptur. Ginge es mir um Ästhetik, hätte ich nicht monatelang unter einer Decke gesessen, aus der nackte Kabel hängen. Was ich will, ist: endlich ohne Stirnlampe lesen können - ohne dafür mit einer Platzwunde am Kopf zu bezahlen.

Er: Also gut, wie du willst! (Er nimmt das Kabel und knotet eine Schlinge hinein, um es zu verkürzen.) Besser so? Wenn du mich jetzt entschuldigst - ich muss noch ein paar Löcher bohren. (Er packt die Bohrmaschine und verschwindet nach nebenan.)

Sie (ruft ihm hinterher): Bist du verrückt? Wie sieht das denn aus! (Nachdem sie keine Antwort bekommt, entknotet sie das Kabel wieder.) Da muss ein Elektriker ran.

Aus dem Schlafzimmer ist ein Dröhnen zu hören. Dann ein Fluchen. Er bohrt, flucht. Bohrt, flucht. Es staubt, der Putz bröckelt.

Die Tür geht nicht mehr auf

Sie: Brauchst du Hilfe?

Er (antwortet nicht. Nach einer Weile): Jetzt kannst du kommen. Und, wie gefällt dir das Bild über der Kommode?

Sie: Sehr schön. Aber müsste das nicht weiter nach links?

Er (verschiebt rasch die Kommode ein Stück nach rechts): So, nun passt es perfekt.

Sie: Nein, nicht so. Weil jetzt die Türe nicht mehr aufgeht. Die Kommode muss zurück, das Bild muss versetzt werden. Sie will es abnehmen, doch er hält sie zurück.

Er: Jetzt warte doch mal! Wozu müssen wir die Türe schließen, ist doch ohnehin nicht nötig.

Sie: Es geht ums Prinzip. Ich lasse mir doch von einem Bild nicht vorschreiben, ob ich die Tür hinter mir zumachen kann! Noch dazu von einem, das schief hängt.

Er: Was, schief? Ich seh' nix.

Sie: Doch, eindeutig. Total schief.

Er: Das einzige, was hier gleich schiefhängt, ist der Haussegen, wenn du nicht endlich Ruhe gibst.

Sie: Ich bleibe dabei: Das Bild hängt schief. (Sie geht erst zum Fenster, dann zurück zur Tür und begutachtet das Bild aus verschiedenen Winkeln. Schließlich greift sie nach dem Bild, nimmt es ab - und stellt fest: Die Wand dahinter gleicht einer Kraterlandschaft.) Was zum Teufel ist das?

Er: Da muss ein Eisenträger durch die Mauer laufen, anders kann ich mir das nicht erklären.

Sie: Natürlich, wie konnte ich das vergessen - es liegt an der Wand.

Er: Genau. Immerhin ist es mir gelungen, mit dem Bild sämtliche Löcher zu verdecken. Kann sein, dass es deshalb ein bisschen schief hängt.

Sie: So, so.

Er: Was soll dieses vielsagende "so so"? Mach' es doch besser.

Sie: Sag mal, was riecht denn hier so verbrannt?

Sie laufen ins Wohnzimmer, wo gerade das Kabel an der Decke vor sich hinschmort. Im nächsten Moment fällt die Lampe mit einem lauten KLONK zu Boden, allerdings ohne zu zerbrechen. Sie stehen da, er mit hängenden Armen, sie kratzt sich am Kopf, sucht nach einer Ermutigung.

Sie: Wenigstens ist sie noch heil.

Er: Aber nur, weil du den Knoten wieder geöffnet hast. Ich bin so ein Idiot. Nichts kann ich.

Sie: Ach woher. Ich bin sicher, diesmal lag es an der Wand.

Er sieht sie misstrauisch an.

Sie: Ich meinte natürlich: am Kabel.

Er: Nein. Es liegt an mir. Nur an mir.

Sie: Aber überleg' doch mal: Mit deinen falschen Berechnungen hast du die Lampe gerettet! Hättest du sie nicht so niedrig gehängt, wäre sie jetzt kaputt. Also das ist schon genial, irgendwie.

Kommen Ihnen solche Auseinandersetzungen bekannt vor? Haben Sie Situationen mit Ihrem Partner erlebt, die sich als Dialog umsetzen lassen? Beschreiben Sie in wenigen Sätzen Ihre Erfahrungen und senden Sie sie an leben@sueddeutsche.de (Betreff: Kolumne). Unsere Autorin verarbeitet Ihre Anregungen in der Kolumne.

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