Anti-Doping-Gesetz:Bedrohliche Blicke in Berlin

Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes

Bundesjustizminister Heiko Maas (linksl) und Bundesinnenminister de Maiziere bei der Vorstellung des Gesetzes

(Foto: Lukas Schulze/dpa)

"Kampfansage an Doper": Die Minister Maas und de Maizière stellen das Anti-Doping-Gesetz vor - und hören von vielen Seiten Anerkennendes. Doch manche Aussage verwundert.

Von Johannes Aumüller und Sebastian Fischer

Die Miene von Thomas de Maizière war ernst, wie betoniert, nur ein paar Mal deutete er in seinem Mundwinkel kurz ein Grinsen an. Doch selbst wenn der Bundesinnenminister grinst, ein paar Millimeter seines Oberkiefers entblößt, bleibt sein Gesichtsausdruck markant. Das kann bedrohlich wirken.

Am Mittwoch passte das Mienenspiel des CDU-Politikers zum Anlass seines Auftritts. Gemeinsam mit Justizminister Heiko Maas (SPD) stellte er in Berlin den Entwurf für ein neues Anti-Doping-Gesetz vor - und von vielen Seiten hören sie anerkennend, dass ihnen damit ein guter Wurf geglückt ist. Erstmalig sollen Spitzensportler für Besitz und Konsum von Dopingmitteln strafrechtlich belangt werden, mit bis zu drei Jahren Haft. Die Justiz kann schon Ermittlungen aufnehmen, wenn sie bei einem Top-Athleten nur eine einzige Pille findet. Für beteiligte Ärzte und Dealer gibt es härtere Strafen als bisher.

Experte Franke wettert: "Total dumm oder total hinterhältig."

"Meilenstein", "Kampfansage an Doper", solche Formulierungen fielen in Berlin zuhauf. "Das Gesetz ist wirksam, kurz, klar, aber auch hart", sagte de Maizière. Für dopende Spitzensportler klang das: bedrohlich.

Doch de Maizière und Maas blickten in der halben Stunde, in der sie Fragen zum Gesetzestext beantworteten, auch deshalb ernst, weil sie sich vielfältiger Kritik ausgesetzt sehen. Der Anti-Doping-Experte Werner Franke etwa hatte sich in einem Interview mit dem Radiosender hr1 in der Sache zu Wort gemeldet. Die Vorlage sei "nicht nur ein kleiner Wurf, sondern gar kein Wurf", sagte er: "Das ist entweder total dumm oder total hinterhältig."

Seine Hauptkritikpunkte: Erstens breche der Gesetzentwurf nicht die Schweigepraxis der Sportmediziner. Zweitens sehe er strafrechtliche Konsequenzen bei Dopingbesitz nur für Spitzenathleten und Profis vor, nicht aber für Amateure und Freizeitsportler. Dabei kreuzen sich im Dopingmilieu die Wege von Amateuren und Profis häufig. De Maizière hält eine praktische Umsetzung von Verfahren bei Breitensportevents mit Tausenden Teilnehmern jedoch für undenkbar, weil unpraktikabel. "Das halte ich nicht für klug", sagte er: "Es würde das Strafrecht als Instrument maßlos überfordern."

Daneben mahnten Datenschützer unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte an. Der Entwurf sei verfassungswidrig, sagte Edgar Wagner, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Rheinland-Pfalz. De Maizière räumte ein, dass die Richtlinien der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, nach denen Spitzenathleten täglich ihren Aufenthaltsort mitteilen müssen, um für Kontrollen angetroffen werden zu können, einen signifikanten Eingriff darstellen würden. Allerdings sei die Verhältnismäßigkeit der Praxis geboten: Sauberer Spitzensport sei ein Anliegen der gesamten Gesellschaft.

Die Minister feilen schon am nächsten Gesetz

Auf den ersten Blick verblüffend war, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) offiziell anerkennende Worte fand - immerhin hatte er jahrelang gegen ein Anti-Doping-Gesetz und vor allem gegen die Besitzstrafbarkeit für Leistungssportler ab der ersten Pille gekämpft. Doch nun sagte Präsident Alfons Hörmann: "In der Grundtendenz geht das, was die Regierung vorlegt, genau in die Richtung, die wir uns vorstellen. Über einige Details wird noch einmal zu diskutieren sein."

Auf den zweiten Blick erklärt sich die Haltung des deutschen Sports durchaus. Der Entwurf stärkt nämlich massiv die viel kritisierte Sportgerichtsbarkeit - vor allem die Schiedsvereinbarungen, mit denen sich die Athleten den Regeln der Sportfachverbände unterwerfen müssen. "Wir wollen mit diesem Gesetz die Schiedsgerichtsbarkeit des Sports erstmals auch rechtlich absichern", sagte de Maizière.

Experten sind verblüfft ob dieser eindeutigen Position. Denn sie steht im Kontrast zu einem Urteil des Landgerichtes München. Es hatte im Januar im Schadenersatz-Prozess von Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-Weltverband (ISU) wegen ihrer Zwei-Jahres-Sperre gerügt, die Schiedsvereinbarung sei unter Zwang zustande gekommen und damit unwirksam. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht München in der Berufungsverhandlung deutlich erkennen lassen, dass es diesen Ansatz teilt. "Es ist sehr merkwürdig, dass der Staat mit dem Gesetz dem Sport hilft, das Problem der Schiedsvereinbarungen zu lösen", sagte der Heidelberger Sportrechtsexperte Michael Lehner dem sid: "Ich vermute, dass da Lobbyismus zwischen Sport und Politik im Spiel ist, nach dem Motto: Die Politik hilft dem Sport und stärkt die Schiedsvereinbarungen, im Gegenzug lässt der Sport seinen Widerstand gegen das Anti-Doping-Gesetz fallen."

De Maizières Aussage über aktuelle Verfahren verwundert

Auch Pechsteins Anwalt Thomas Summerer stört sich an dieser Passage: "Das ist ein staatlich verordneter Schiedszwang. Es ist die Frage, ob er gegen die Verfassung verstößt. Ich meine, dass man das so nicht machen kann", sagte er der SZ.

Nun soll das neue Anti-Doping-Gesetz erst 2015 in Kraft treten und beträfe damit nur künftige Fälle, de Maizière merkte aber auch an: "Ich hoffe, dass die Bestimmung über die Absicherung der Sportgerichtsbarkeit vielleicht auch eine Art Vorwirkung in einem aktuellen Verfahren entfalten könnte." Dass ein Bundesminister derartige Bemerkungen zu aktuellen juristischen Vorgängen abgibt, ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Anwalt Summerer ist empört: "Das ist geradezu ungeheuerlich, das ist eine ungebührliche Einmischung."

Die Minister feilen derweil schon am nächsten Gesetz, das den Spitzensport betrifft. Im kommenden Jahr soll es Regelungen gegen Wettbetrug und Manipulation geben.

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