Brüchige Waffenruhe:UN warnen vor "ausgewachsenem Krieg" in Ostukraine

  • Internationale Beobachter fürchten, dass die Waffenruhe im Osten der Ukraine bald komplett zusammenbrechen könnte.
  • Nach Nato-Berichten über Militärtransporte aus Russland drohen die USA mit neuen Sanktionen gegen Moskau.
  • Russland weitet seine Bomber-Patrouillen bis an die Grenzen der USA und Kanadas aus.
  • Vor dem G-20-Gipfel in Brisbane kreuzen russische Schiffe überraschend vor der australischen Küste.

Waffenruhe vor dem Zusammenbruch

Die knapp zwei Monate alte Waffenruhe in der Ostukraine droht nach Einschätzung internationaler Organisationen ganz zusammenzubrechen. Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerten sich zutiefst besorgt.

"Wir sind tief besorgt, dass die schweren Kämpfe der Vergangenheit jederzeit wieder ausbrechen könnten. Das wäre eine Katastrophe für die Ukraine", sagte UN-Vizegeneralsekretär Jens Anders Toyberg-Frandzen. Er warnte vor einer "Rückkehr zu einem ausgewachsenen Krieg". Ein weiteres mögliches Szenario wäre das eines "eingefrorenen Konflikts", der den Status quo in der Krisenregion auf Jahre oder gar Jahrzehnte zementiere. Die Verantwortung sehe man vor allem bei den Separatisten.

Die Waffenruhe gebe es "mehr und mehr nur noch auf dem Papier", sagte OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier in. Die Separatisten haben nach Einschätzung der OSZE zuletzt deutliche Geländegewinne erzielt.

US-Drohungen nach möglichem Panzereinfall

Gleichzeitig werden Vorwürfe gegen Russland laut, es beliefere die Separatisten in der Ostukraine mit schweren Waffen und schicke Soldaten zur Unterstützung. Kolonnen mit russischen Panzern, Artillerie, Luftabwehrsystemen und Kampftruppen bewegten sich in der ostukrainischen Unruheregion, sagte Nato-Oberbefehlshaber General Philip Breedlove in Sofia. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, sprach von "fortgesetzten, andauernden und eklatanten Verletzungen des Protokolls von Minsk durch Russland und seine Stellvertreter" und kündigte an, dass möglicherweise weitere russische Politiker auf die Sanktionsliste gesetzt würden.

Russland wies die Vorwürfe scharf zurück. Die Anschuldigungen seien "nichts als heiße Luft", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow, Sprecher des Verteidigungsministeriums. "Das alles basiert nicht auf Fakten." Der stellvertretende russische Chefdiplomat bei den Vereinten Nationen, Alexander Pankin, erklärte, die Technik und das Personal der russischen Streitkräfte würde sich "auf dem Gebiet meines Landes" befinden. Die Separatisten widersprachen ebenfalls Berichten über militärische Unterstützung aus Russland. Bei den Konvois, die unter anderem von OSZE-Beobachtern gesehen wurden, handele es sich um Kolonnen der Aufständischen und nicht um russische Truppen, sagte Separatistenführer Boris Litwinow in Donezk.

Russland weitet Bomber-Patrouillen bis nach Nordamerika aus

Russland kündigte an, seine Bomber-Patrouillen bis an die Grenzen der USA und Kanadas auszuweiten. Als Teil der Ausbildung sollten die Langstreckenbomber über die Gewässer um Nordamerika fliegen, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Er verwies dabei auf Einsätze über dem Arktischen Ozean. "In der gegenwärtigen Lage müssen wir unsere Militärpräsenz im westlichen Atlantik, im östlichen Pazifik sowie den Gewässern der Karibik und des Golfs von Mexiko sicherstellen", erklärte er weiter.

Die russische Luftwaffe fliegt nach Angaben der Nato mit immer größeren Bomberstaffeln in Europa, bleibt dabei jedoch im internationalen Luftraum. Derartige Patrouillenflüge waren zu Sowjetzeiten die Regel, wurden dann aber nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zurückgefahren. Russlands Präsident Wladimir Putin ließ sie 2007 wieder verstärkt aufnehmen.

Russische Kriegsschiffe kreuzen vor Australien

Vor dem G-20-Gipfel in Australien überrascht Russlands Präsident Putin mit einer Machtdemonstration. Vier Kriegsschiffe der russischen Pazifikflotte wurden vor die Küste Australiens verlegt. Die russischen Schiffe kreuzten außerhalb des australischen Hoheitsgebiets. "Die Bewegung dieser Schiffe steht völlig im Einklang mit den Vorschriften der internationalen Gesetze, wonach sich Militärschiffe in internationalen Gewässern frei bewegen können", teilte das australische Verteidigungsministerium mit. Weniger entspannt reagierte die Öffentlichkeit auf die Provokation. "Müssen wir uns Sorgen machen?", fragten in Brisbane Moderatoren in Fernsehsendungen.

Die Schiffe waren von Wladiwostok aus bereits im Oktober gestartet - darunter der Raketenkreuzer Warjag und das große U-Boot-Abwehrboot Marschall Schaposchnikow. Aufgabe der Marine sei es, Flagge zu zeigen, wie russische Medien berichten. Die Royal Australian Navy beobachte die Lage, teilte das Verteidigungsministerium in Canberra mit.

Am Samstag beginnt das Treffen der 20 Industrie- und Schwellenländer (G 20) in Brisbane. In der Vergangenheit hatte es Spannungen zwischen dem australischen Regierungschef Tony Abbott und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegeben. Wegen Russlands Politik im Ukraine-Konflikt hatte Abbot Putin vom Gipfel ausladen wollen. Der russische Präsidenr sollte sich beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) am Dienstag für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 im Juli im Kriegsgebiet Ostukraine entschuldigen. Russland weist jede Beteiligung zurück und verlangt, die Ergebnisse der internationalen Untersuchung der Tragödie abzuwarten. Bei dem Absturz starben 298 Menschen, darunter Dutzende Australier.

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