Katar und die Fußball-WM:Belohnung für die Falschen

Die Fußball-WM sollte für das Emirat Katar der krönende Abschluss sein, sich mit viel Geld in die Moderne einzukaufen. Egal, ob die Fifa sich nun von Korruptionsgerüchten freispricht oder nicht - das Sportereignis gehört nicht nach Katar.

Kommentar von Sonja Zekri, Kairo

Vielleicht hat das Unbehagen vor dem Zwergstaat Katar ja auch mit dem Grusel vor dem Kapitalismus zu tun. Vor der schieren Macht des Geldes, einer Macht über Leben und Tod. Die einheimischen Katarer, die nicht ganz die Einwohnerzahl von Münster erreichen, aber das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt haben, kaufen - alles: Modehäuser, Kaufhäuser, Hochschulen, Kunst, Fußballclubs, Anteile an Porsche, Tiffany und der Deutschen Bank.

Katar spendiert den Palästinensern im Gazastreifen - also der islamistischen Hamas - neue Häuser nach dem Krieg mit Israel; es erreicht - bezahlt? - die Freilassung amerikanischer Geiseln aus der Hand syrischer Dschihadisten, aber es hat auch Extremisten in Syrien unterstützt. Katar ist im Westen der Inbegriff eines undurchsichtigen, rückständigen, maßlosen arabischen Sklavenhalterstaates. Dass es sich auch die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 gekauft haben soll, klang logisch.

Noch vor zwei Jahren galten die Katarer als Ausnahme am Persischen Golf: lernwillig, aber wertebewusst, auf Nachhaltigkeit bedacht, aber entwicklungsfähig, aufgeschlossen dem Westen und der arabischen Welt gegenüber. Die WM sollte Schlussstein und Motor dieser Entwicklung sein. Inzwischen aber hat es sich Katar nicht nur mit dem Westen verdorben, sondern auch die Schwergewichte der Region gegen sich aufgebracht. Saudi-Arabien hat seinen Botschafter abgezogen, Ägypten sagte die Teilnahme an der Schwimm-Weltmeisterschaft in Katars Hauptstadt Doha ab.

Die Fußball-Weltmeisterschaft gehört nicht an den Golf

Nur die Fifa hält zu Katar. Sie hat entschieden: Katar - und Russland und die Fifa - sind über jeden Korruptionsverdacht erhaben. Es gebe keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten, keinen Grund, die Vergabe der Weltmeisterschaft an den Golf zu überdenken. Nur Stunden zuvor hatte Amnesty International kritisiert, Katar unternehme nur sehr wenig, um die lebensgefährlichere Schinderei von Arbeitern aus Nepal oder Vietnam zu mildern: Vor allem das Kafala-System, eine Art Leibeigenschaft auf Zeit, bestehe weiter.

Das ist, aus arabischer Perspektive, egal. Eine WM in der Region ist eine feine Sache, in Katar wäre sie in den Augen vieler eine Belohnung für die Falschen. Aber das Kafala-System gilt auch in anderen Golfstaaten, Menschenrechte werden in der ganzen Region mit Füßen getreten, Korruption ist epidemisch. Nein, Katars Konflikte mit seinen Nachbarn haben nichts mit Fußball zu tun, und nur wenig mit Ideologie, aber viel mit der neuen Machtverteilung in einer wankenden Region. Ägypten hat Katar nicht verziehen, dass es die im vergangenen Jahr gestürzte Muslimbruderschaft unterstützt. Auch Saudi-Arabien und die Emirate fürchten die Konkurrenz der politischen Islamisten. Inzwischen hat Katar vorsichtig eingelenkt und einige Muslimbrüder sanft vor die Tür gesetzt, aber in Libyen beispielsweise dauert die Konfrontation an. Hier unterstützen Ägypten und die Emirate einen Ex-General, der Islamisten vernichten will, während Katar zu den Religiösen hält.

Andererseits sind ideologische Kriterien in Libyen irreführend. Hier, wie in der ganzen postrevolutionären Region geht es um dieselben Fragen an Milieus und Konfessionen, an Clans und Cliquen: Wer bleibt übrig? Wer setzt sich durch?

Besonders erbittert und völlig unlogisch ist deshalb die Konfrontation um Syrien. Katar, so die Kritik, hat islamistische Kämpfer gefördert, zumindest durch private Geldgeber, vielleicht flossen sogar Mittel an den Islamischen Staat. Nur: Das taten auch andere Golfstaaten, auch die Saudis, selbst wenn davon heute keiner mehr etwas wissen will. Inzwischen ist öfter die Rede von einer arabischen Einigung, vielleicht sogar von einem Treffen des Golfkooperationsrates in Doha. Katar kann ohne den Westen, aber nicht ohne Arabien.

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