"Newtopia" auf Sat 1:Big Brother im Freien

"Newtopia" auf Sat 1: Graben für Newtopia: ein Bagger in Königs Wusterhausen.

Graben für Newtopia: ein Bagger in Königs Wusterhausen.

(Foto: Sat1)

Fast 8000 Menschen habe sich für die niederländische Show "Utopia" beworben, bei der sie ein Jahr lang auf einem Acker in Königs Wusterhausen zusammen leben und sich von Sat 1 ständig filmen lassen sollen. Die Bewerber könnten dabei kaum unterschiedlicher sein.

Von Claudia Fromme

Die mediale Zukunft liegt in Königs Wusterhausen. Schon sehr lange eigentlich. Die Bewohner nennen ihre Stadt, die südöstlich von Berlin liegt, KW, was den Ort schön abkürzt, aber auch für Kurzwelle steht. Bereits 1916 wurden dort die ersten Antennen aufgebaut, der Ort gilt als Wiege des Rundfunks in Deutschland. Im Stadtwappen sind drei Sendemasten auf einer Weltkugel zu sehen, was nicht nur von einer Entschlossenheit des Malers zeugt, sich der üblichen Pflug-Schollen-Pferd-Metaphorik zu verweigern, sondern auch von Weitsicht: Bald werden in KW viele neue Sendemasten aufgestellt, um live zu senden, wie eine neue Welt entsteht. So jedenfalls ist der Plan.

Sat 1 setzt im Frühjahr in Brandenburg das um, was der Sender früher im Jahr von dem niederländischen Fernsehproduzenten und Milliardär John de Mol eingekauft hat: Die Show Utopia, bei der 15 Menschen ein Jahr lang auf einem Acker nebst Scheune, zwei Kühen und ein paar Hühnern ausgesetzt werden und sehen müssen, wie sie zurande kommen - miteinander, ohne Betten, Lebensmittel, Heizung, Toiletten, Warmwasser. Das müssen sie sich alles selbst organisieren oder bauen, und sehr schnell wird sich auch in Königs Wusterhausen die Frage stellen, ob die anderen die Hölle sind oder die 100 Kameras und Mikrofone, die alles live senden, was im Freiluftknast passiert.

"Wenn 15 Pioniere eine neue Gesellschaft gründen, kann das zu totalem Chaos führen - oder zu vollkommenem Glück", sagt Nicolas Paalzow, Geschäftsführer von Sat 1. Erst die Unberechenbarkeit mache die Show spannend. Damit der Ausgang nicht zu offen ist, wählen die Fernsehzuschauer regelmäßig Menschen aus dem Camp heraus. Big Brother im Freien.

In den Niederlanden läuft Utopia seit Januar, regelmäßig sehen eine Million Menschen zu, was bei nur 16 Millionen Einwohnern sehr solide ist. Inzwischen haben die Bewohner ihre Scheune vollvertäfelt, Konzerte veranstaltet, ein Kalb mit zur Welt gebracht. Weil es dort so schön kuschelig ist, und die Quoten auch, hat John de Mol entschieden, dass nach einem Jahr nicht Schluss ist, sondern erst dann, wenn entweder die Kandidaten oder die Zuschauer passen. Bis jetzt deutet nichts darauf hin.

Die deutsche Version soll im Frühjahr starten, mit einer 24-Stunden-Liveshow im Internet und einer täglichen Zusammenfassung im Vorabendprogramm. Wann genau der Start ist, will man nicht sagen, wohl auch, damit andere Sender nicht zu früh Quotenabsauger in ihren Vorabend schieben.

Definitiv werde man aber starten, wenn es draußen richtig kalt ist. Wohl auch eine Erfahrung aus der US-Version, die nach zwei Monaten abgesägt wurde. "Dort waren gefühlt sieben Topmodels und acht Bachelors, die Urlaub machten im sonnigen Kalifornien." Da sei keine Spannung drin. Den Deutschen werde viel mehr abgefordert. Waren die Teilnehmer in den Niederlanden mit 10 000 Euro Startkapital ausgestattet, mit denen sie Essen und Baumaterial kaufen konnten, soll es in Königs Wusterhausen deutlich weniger sein. "Wir wollen es allen nicht zu einfach machen", sagt Paalzow.

Machs gut, gemeine Landeidechse

7959 Menschen haben sich beworben, 1500 wurden gecastet, nach psychologischen und anderen Tests sind 150 übrig geblieben, unter ihnen: ein Obdachloser, ein Professor, eine Hausfrau, die ihr Leben radikal ändern will. 15 Teilnehmer werden ausgewählt, alle müssen sich vertraglich verpflichten, ein Jahr lang ihr altes Leben ruhen und sich ständig beobachten zu lassen.

Beworben haben sie sich bei Utopia, einziehen werden sie bei Newtopia. "Wir finden das besser, als auf ein Buch aus dem 16. Jahrhundert zu rekurrieren", sagt Paalzow. Mehr noch als mit Thomas Morus hat es aber mit den unsicheren Namensrechten zu tun; zu viele haben sich Utopia schützen lassen. Für Bushaltestellen, Eistee, Nachhaltigkeit, Kinos, eine Disko in Nordhessen. Einige haben mit einstweiligen Verfügungen gedroht. Es hätte absehbar rechtliche Probleme gegeben, räumt Paalzow ein.

In Königs Wusterhausen wird derweil das Feld für die Bewohner bestellt. Ein See wurde ausgehoben, die Scheune wird gezimmert, und die gemeine Landeidechse, die dort wohnte und beinahe das ganze Unternehmen gefährdet hätte, ist auch schon umgesiedelt.

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