Pläne für eine Einwanderungsreform:Regieren oder verlieren

Sara Ramirez

Demonstration für eine Einwanderungsreform in Washington: Vor allem die Abschiebung einzelner Familienmitglieder ist eine der größten Ängste von illegal in den USA lebenden Immigranten.

(Foto: AP)
  • Obama will offenbar eine Einwanderungsreform per Erlass herbeiführen - Millionen undokumentierte Einwohner der USA könnten profitieren.
  • Die Republikaner lehnen den Vorstoß entschieden ab.
  • Die ohnehin geringen Chancen auf eine pragmatische Zusammenarbeit zwischen Kongress und Weißem Haus sinken weiter.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Ein Präsident sieht rot: Senat, Repräsentantenhaus - wohin Barack Obama in Washington auch blickt, die rote Farbe der Republikanischen Partei sticht ihm ins Auge. Zeit, zu resignieren? Zeit, anzugreifen.

Am Montag ging Obama beim Schutz der Netzneutralität in die Offensive, die Republikaner schüttelten den Kopf. Am Mittwoch schloss er einen Klimapakt mit China, die Republikaner daheim schnaubten. Am Donnerstag dann berichtete die New York Times unter Berufung auf Regierungskreise, dass Obama per Erlass Millionen Immigranten vor der Abschiebung schützen möchte. Die Republikaner? Überlegen noch, ob sie toben oder gleich explodieren sollen.

Die Einwanderungsreform ist nicht nur ein Kernanliegen der liberalen Basis, sondern liegt auch den vielen Minderheiten - vor allem den Latinos - am Herzen. Selbst Teile der Republikaner wären unter bestimmten Bedingungen für eine Reform zu haben. Doch Obama hat keine Lust mehr, sich von der politischen Rechten hinhalten zu lassen und schickt ein deutliches Signal: Ich werde auch ohne Mehrheit im Kongress das Land verändern.

Viele Einwanderer müssten keine Abschiebung fürchten

Konkret, so berichtet die New York Times, will der Präsident in den kommenden Wochen einen Erlass ("executive order") verkünden, der keine Zustimmung des Kongresses benötigt. Demnach könnten Eltern von in den USA geborenen Kindern Ausweis und Arbeitserlaubnis erhalten, selbst wenn sie selbst einst illegal eingereist waren. Dies würde Schätzungen zufolge mehr als drei Millionen Menschen betreffen.

Zudem sollen sich die Ermittler der Einwanderungsbehörde bei ihrer Arbeit auf die Suche nach Gang-Mitgliedern, möglichen Terroristen und Drogenschmugglern beschränken. Damit würden Millionen eingewanderte Menschen ohne Papiere aus dem Fokus für mögliche Abschiebungen geraten. Gleichzeitig will Obama die Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze zu Mexiko verstärken - eine Forderung, die auch die Republikaner stellen.

Noch wird im Weißen Haus um die Details gerungen, doch Fox News und Washington Post berichten Ähnliches wie die New York Times.

Die Republikaner sind sich noch unsicher, wie sie auf den Vorstoß reagieren sollen. Vor allem im Repräsentantenhaus, wo die Rechtsaußen-Fraktion einen stattlichen Teil der konservativen Abgeordneten stellt, sinnt die Partei auf Rache: So diskutiert der Zirkel um Speaker of the House, John Boehner, derzeit über ein mögliches Gesetz, das den für Immigration zuständigen Behörden die Geldmittel entziehen würde. Obamas Schritt sei "genau das, gegen das sich das amerikanische Volk am Wahltag ausgesprochen hat, also sind alle Optionen auf dem Tisch", sagte Boehner.

Keine Chance auf Zusammenarbeit

Der Republikaner Mitch McConnell, künftiger Mehrheitsführer im Senat, schloss zumindest einen neuen Shutdown aus, also einen Finanzierungsstopp für die Regierung. Im Dezember muss der Kongress ein neues Haushaltsgesetz verabschieden.

Weil das Weiße Haus um die Gefahr eines neuen Haushaltsstreits wisse, werde Obama seinen Erlass möglicherweise erst im Dezember vorstellen, hieß es bei der New York Times - dieser Zeitplan dürfte angesichts der Diskussionen kaum zu halten sein.

Klar ist: Der Erlass wird die ohnehin geringe Chance auf eine pragmatische Zusammenarbeit zwischen Kongress und Präsident weiter verringern. Allerdings hätte dafür die wachsende Bevölkerungsgruppe der Latinos einen Grund, in den Wahlen 2016 die Demokraten zu unterstützen.

Dass Obama nicht schon vor den Midterm-Wahlen einen Vorstoß für einen Ausweisungsstopp gewagt hatte, hatten ihm später viele Parteifreunde vorgeworfen. Während der Präsident gerade Asien bereist, wird nun das Motto für das letzte Viertel seiner Amtszeit immer deutlicher: Regieren oder verlieren.

Regieren per Erlass - darf Obama das?

Mehr als 13.000 Mal haben Präsidenten in der Geschichte der USA von "Executive Orders" Gebrauch gemacht. Die Erlasse sind die beste Möglichkeit, um am Kongress vorbei politische Fakten zu schaffen.

Seit Juni suchten nun Regierungsjuristen nach Möglichkeiten, weitere Punkte einer Einwanderungsreform de facto durchzusetzen. Kurz vor der Rede veröffentlichte das Justizministerium das Gutachten dazu. Die Erlasse sind letztlich Interpretationen bestehender Gesetze, dürfen aber diese nicht aushebeln oder ersetzen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: