Abenteuerexpedition in Alaska:Auf den Berg segeln statt klettern

Drei Freunde aus Bayern wollen in Alaska beweisen: Den Gipfel des 5000 Meter hohen Mount Blackburn erreichen sie mit einer Kombination aus Skitour, Eisklettern und Snowkiten. Und runter geht es mit dem Gleitschirm. Protokoll einer waghalsigen Reise - und ihres Scheiterns.

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Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Bernhard Freinademetz

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Ein Trio aus München hatte einen Traum: Vier (Extrem-)Sportarten am Berg zu kombinieren. Andreas Hillmer, Philip Kuchelmeister und Sebastian Bubmann planten folgendes: Eine Skitour führt bis zu einer Steilwand, die beim Eisklettern überwunden wird. Dann überschreiten sie den Gletscherrücken nicht auf Ski, sondern lassen sich vom Snowkite ziehen. Und vom Gipfel wollen sie sich den kräftezehrenden und gefährlichen Abstieg sparen: Hinab segeln sie mit dem Gleitschirm.

In den Alpen hatten sie die einzelnen Sportarten und deren Kombination schon erprobt, nach eineinhalb Jahren Vorbereitung folgte der Härtetest im Extrem: am 5000 Meter hohen Mount Blackburn in der Einsamkeit von Alaska (hier finden Sie weitere Informationen zum Projekt und der Route). Vier Wochen hatten die Freunde Zeit - und das Wetter gegen sich. Andreas Hillmer, der Alpinist im Team, berichtet auf den folgenden Seiten von der Expedition ins Eis.

Im Bild: Andreas Hillmer beim Aufstieg auf etwa 3000 Metern in Alaska. Ein falscher Schritt bedeutet an dieser Schnee- und Eisflanke den Absturz: "Man überlegt sich jede Bewegung also ganz genau", sagt er.

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: JUNGLE-PRODUCTIONS.COM; Bernhard Freinademetz

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"Hier sehen wir zum ersten Mal den Mount Blackburn. Das Foto machten wir auf der Fahrt von Wasilla nach Chitina. Dort befindet sich das kleine Rollfeld, an dem uns die Propellermaschine abholte, um uns zu dem riesigen Gletscher am Fuß des Mount Blackburn zu bringen. Es ist schon Wahnsinn, wenn man eine Expedition fast zwei Jahre plant, den Berg nur aus Karten und Bildern kennt und ihn dann endlich vor sich sieht."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"Das Basecamp war unsere einzige Rückzugsmöglichkeit. Bei Schneestürmen mit bis zu 100 km/h Windgeschwindigkeit müssen die Mauern einiges aushalten. Deswegen empfiehlt es sich, genug Zeit in den Aufbau des Basecamps zu investieren. Wir hatten drei Tage geschaufelt und unzählige Eis- und Schneeblöcke ausgehoben. Die Mauern waren dann bis zu zwei Meter hoch und das Camp etwa zwölf mal zehn Meter groß - und stand weit genug vom Berg entfernt, um nicht von Lawinen verschüttet zu werden. Beim Gleitschirmflug kommt einem das Camp ein bisschen vor wie eine eigene kleine Burg."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"Das Gleitschirmfliegen mit sogenannten Speedwings, also extrem kleinen und wendigen Schirmen, machte vor einer solchen Kulisse natürlich besonders viel Spaß. Start und Landung werden durch die Ski extrem vereinfacht. Trotzdem sollte man bei der Auswahl der Landezone aufpassen. Auch das Basecamp war auf einem Gletscher und Spalten konnten überall sein."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Bernhard Freinademetz

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"Selbst die höchsten Mauern hielten den Schnee nicht komplett aus dem Basecamp fern. Eine wenig beliebte, aber wichtige Aufgabe war es, die Zelte wieder frei zu schaufeln - wenn es sein musste auch nachts und in Schichten. Das Gewicht des Schnees drückt sonst das Zelt ein."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Daniel Bartsch

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"Das Snowkiten auf dem riesigen Gletscher am Fuß des Mount Blackburn diente zum einen der Fortbewegung - und machte zum anderen einfach Spaß. Die ultraleichten, nur etwa zwei Kilo schweren Snowkites sind so konstruiert, dass sie sich extrem klein verpacken lassen und in jeden Rucksack passen. Dreht der Wind ungünstig, wird er zu stark oder zu schwach, muss man den Kite schnell verpacken können. Und ebenso rasch wieder auspacken, wenn die Windverhältnisse stimmen: Am besten weht der Wind genau bergauf. Befestigt wird der Kite am normalen Kletter- oder Hochtourengurt. So können Anstiege bis etwa 30 Grad rasch überwunden werden: Das spart extrem viel Kraft und Zeit, wenn es mal drauf ankommt - also besonders bei anstrengenden Touren am Berg."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"'In einer solchen Spalte kann man ein Haus versenken', war einer der ersten Kommentare, als wir diese Gletscherspalte auf dem Weg zum Hochlager am Mount Blackburn überqueren mussten. Ob die Spaltenbrücken aus Eis und Schnee wirklich halten, ist dabei immer wieder ein nervenaufreibender Gedanke. Man geht nie unangeseilt an diesem Berg und genauso fährt man auch wieder ab: am Seil. Wenn die Sicht so gut war wie an diesem Tag, hatten wir Glück und konnten uns den (vermeintlich) optimalen Weg überlegen. Heikel wurde es, wenn der Schneesturm so stark war, dass man kaum seine Hand vor Augen sah. Teilweise sind die Spaltenbrücken nur wenige Meter breit. Die Anspannung und Konzentration war ständig extrem."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: JUNGLE-PRODUCTIONS.COM; Bernhard Freinademetz

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"Manchmal mussten wir uns in wirklich ungemütlichen Situationen (hier im Hochlager auf 3000 Metern Höhe) etwas Warmes kochen. Die Handschuhe sollte unser "Koch" Sebastian Bubmann aber möglichst nicht zu lange ausziehen. Die Temperaturen waren sehr unterschiedlich: Sobald die Sonne weg war, herrschten auf 2000 Metern Höhe im Basislager etwa minus zehn bis minus 15 Grad Celsius - auch im Zelt. Sobald wir uns mit unseren zwei Kameraleuten zu fünft im Gemeinschaftszelt aufhielten und die Kocher zum Schneeschmelzen liefen, wurden es etwa minus fünf Grad. Luxus war, wenn die Sonne aufs Zelt schien, dann war es innen knapp über null Grad. Draußen hängt die gefühlte Temperatur natürlich extrem vom Wind ab."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"Rechts sieht man den Nebengipfel Jury Peak (3220 Meter) und links den Hauptgipfel Mount Blackburn (4996 Meter). Erst als wir uns langsam diesen Bergen und den riesigen Spalten näherten, wurden die Größenverhältnisse wirklich klar. Kurze Ausflüge nach dem Motto 'Komm, da schauen wir jetzt mal kurz rüber' können sich zu ausgedehnten Tagestouren entwickeln. Das Studium des Kartenmaterials lohnte sich also - allerdings war es für diese Gegend Alaskas sehr spärlich. Dennoch wollten wir auf die Hilfe eines Führers verzichten, der zu Kompromissen drängt: Der Mount Blackburn war unser Projekt, unser Baby. Wir waren alle drei gut vorbereitet und hatten ausgemacht: Sicherheit geht vor - wenn einer Stopp sagt, kehren alle um. Wir sind ja keine Extremsportler mit Werbevertrag, die liefern müssen und sich damit selbst in Gefahr bringen. Zwar haben wir viel diskutiert, aber wir sind sicher wieder zurückgekommen. Wir waren vorher beste Freunde - und sind es immer noch."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"Bei diesem Bild muss man genau hinschauen: Es ist keine Abfahrt, sondern ein Aufstieg. Wir waren hier auf dem Jury Peak: Bevor wir es nach oben schafften, mussten wir eine etwa 70 Grad steile Eisflanke überwinden. Wer möchte, kann sich da gerne mal mit Ski versuchen. Möglich wäre es sogar, aber bei den Schneebedingungen war es uns doch zu heikel. Beim Abstieg waren dann ein paar Eisschrauben nötig."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"Rund um das Camp gingen ständig Lawinen ab - und zwar richtig große. Unter anderem waren massiver Schneefall, starker Wind und die Tatsache, dass wir uns in einer Erdbebenregion befanden, dafür verantwortlich. Auf diesem Bild hat sich die Lawine in Sekunden schon tausend Meter von der Abbruchkante den Berg herunter gearbeitet. Erst am nächsten Tag begriffen wir, dass sie sich bis auf wenige Meter an unsere Aufstiegsspur zum erstem Hochlager herangewälzt hatte. Da wird einem schon ganz anders zumute. Wegen der Lawinengefahr konnten wir nach Schlechtwettertagen auch nicht gleich wieder den Aufstieg auf den Mount Blackburn wagen, sondern mussten warten, bis sich die Schneemassen gesetzt hatten oder abgerutscht waren."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Daniel Bartsch

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"Tage mit zu starkem Wind und schlechtem Wetter im Gipfelbereich nutzten wir, um ein bisschen Spaß rund um das Basecamp zu haben. Hier zeigt der ehemalige Juniorenweltmeister im Freestyle-Snowkiten, Sebastian Bubmann, einen Trick am Snowkite - hinter dem Schneewall verbirgt sich unser Basecamp. Trotz des Spaßes immer dabei: Lawinenausrüstung, Funkgerät und GPS - bei einem plötzlichen Whiteout (im gedämpften Sonnenlicht verschwindet der Horizont, man scheint sich in einem konturlosen weiß-grauen Raum zu bewegen) kann man sonst schnell den Kontakt zum Basecamp verlieren."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Daniel Bartsch

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"Im Zelt kamen wir nicht ohne Daunenjacke und -hose aus. Das Schmelzen von Schnee war die einzige Möglichkeit, an Wasser zu kommen. Ob zum Trinken, Kochen, Waschen - ständig liefen die Benzinbrenner. Wasserschmelzen gehörte zu den wichtigsten Tätigkeiten jeden Tag (links im Bild Philip Kuchelmeister mit Sebastian Bubmann). Bei solch niedrigen Temperaturen und in großer Höhe ist der Flüssigkeitsverlust des Körpers extrem hoch. Wir nutzten die Zeit, um Tourenplanungen zu diskutieren - oder Kochrezepte.

Am Anfang hatten wir noch frische Sachen: Karotten, Lauch, Fisch, Wurst. Das musste zuerst verkocht werden. Es gab auch mal Currywurst mit Reis und Karotten. Später kam mehr und mehr aus der Konserve. Tomaten, Lachs, Tunfisch, Bohnen, Mais - mit Reis, Nudeln, Couscous oder Kartoffelbrei aus der Tüte. Praktischerweise halten sich Zwiebeln und Knoblauch sehr lange, das kam immer und überall mit rein. Wir tranken Tee in allen Variationen. Ein sehr begehrtes Gut war Kaffee - eines der wenigen Dinge, bei denen wir schlecht kalkuliert hatten. Nach zwei Wochen standen wir ohne Kaffee da."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: JUNGLE-PRODUCTIONS.COM; Bernhard Freinademetz

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"Leider wurde es bei den Aufstiegen zum Hochlager am Mount Blackburn fast immer extrem ungemütlich. Als wir das Hochlager einrichteten, schien noch die Sonne und wir waren ganz optimistisch. Doch dann schwenkte das Wetter oft in wenigen Minuten von strahlendem Sonnenschein zum Schneesturm um. Die Navigation war dann nur noch per GPS möglich, man sah kaum seinen Vordermann. Heikel waren Abschnitte voller Gletscherspalten. Und die eigenen Spuren vom Hinweg waren schnell komplett überschneit. Wir hatten so gut wie keine Orientierungspunkte. Hilfreich waren da kleine Fähnchen, die wir beim Aufstieg an markanten Punkten setzten, um zum Beispiel eine Gletscherspalte oder einen Wendepunkt zu markieren. Siebenmal machten wir die Drei-Stunden-Tour über tausend Höhenmetern zu unserem Hochlager. Von dort aus wollten wir weitere tausend Höhenmeter durch Eisklettern überwinden."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Bernhard Freinademetz

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"Extrem steile Passagen mussten mit Eisgeräten und Steigeisen bewältigt werden. Dabei kam das Gewicht des Rucksacks und der Ski erschwerend hinzu. Wir versuchten, uns mit Schrauben zu sichern, die wir ins Eis drehten. Aber ob das Eis hält, weiß man nie so ganz genau. Eigentlich war der Plan, nach der Eiswand und einem Grat auf dem Gletscherrücken bis zum Gipfel des Mount Blackburn zu snowkiten. Aber auch beim letzten Versuch schlug das Wetter um - es wurde so gefährlich, dass wir umdrehen mussten. So erreichten wir nie den Gletscherrücken, um zum Blackburn-Gipfel zu kiten und dann mit dem Gleitschirm abzufliegen. Nach zwei Jahren Vorbereitung war unser Frust riesig."

Alaska Andreas Hillmer Mount Blackburn

Quelle: Sebastian Bubmann

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"Dieses Foto entstand auf der Rückfahrt von Chitina nach Wasilla. Wir waren drei Wochen auf dem Gletscher und hatten nur das Schwarz der Felsen und das Weiß des Schnees gesehen - die einzige Abwechslung waren unsere roten Zelte. Da fühlten wir uns in dieser grünen Landschaft sehr wohl - um uns herum wurde es wieder lebendig. Zurück reisten wir in zwiespältiger Stimmung: melancholisch, weil wir den Gipfel nicht erreichen konnten, und dankbar, dass wir alle wieder heil heimkamen. Und wir freuten uns auf eine Dusche und Rasur nach drei Wochen - sowie auf eine Änderung im Speiseplan.

Unser Pilot erklärte übrigens, dass der 'Alaska-Faktor' schuld am Scheitern unserer Expedition war: In Alaska sei eben alles größer, weiter, rauer und härter."

Informationen zum Projekt unter blackburn2014.com.

© SZ.de/Protokoll: Katja Schnitzler/ihe/rus
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