Umstellung der Übertragungstechnik:Was Kunden über das digitale Netz der Telekom wissen müssen

Umstellung der Übertragungstechnik: Die Telekom stellt ihr Netz auf eine digitale, internetbasierte Technologie um. Illustration: Stefan Dimitrov

Die Telekom stellt ihr Netz auf eine digitale, internetbasierte Technologie um. Illustration: Stefan Dimitrov

Bis 2018 stellt die Telekom ihr Telefonnetz komplett auf eine neue, digitale Übertragungstechnik um. Für die Kunden ist das zumeist bequemer. Ein Überblick, was sie dabei beachten sollten.

Von Varinia Bernau

Etwa jeder zweite deutsche Haushalt nutzt einen Telefonanschluss der Deutschen Telekom. Und viele davon erhalten in diesen Tagen ungewöhnliche Post. Denn der Bonner Konzern rüstet sein Netz gerade für eine bessere Übertragung um und versucht, seine Kunden dabei auch für einen neuen Vertrag zu gewinnen. Obwohl der Konzern damit nur nachholt, was bei den meisten seiner Konkurrenten bereits erprobt ist, sind viele Verbraucher verunsichert. Die SZ erklärt, was man nun beachten sollte - und warum ein Kündigungsschreiben für den Kunden sogar von Vorteil sein kann.

Warum stellt die Telekom die Übertragungswege überhaupt um?

Die bisher eingesetzte Technologie, die historisch gewachsen ist, passt nicht mehr in die heutige Zeit. Deshalb stellt die Deutsche Telekom ihr gesamtes Netz derzeit auf die IP-basierte Übertragung um. Dabei werden dann auch Sprachsignale in Datenpakete geschnürt und durchs Netz geschleust, so wie dies heute schon bei den Fernseh- und Internetangeboten läuft. Die alte Technik kann die Telekom damit nach und nach ausrangieren. Das ist für das Unternehmen nicht nur günstiger, sondern auch dringend notwendig. In absehbarer Zeit wird es schlichtweg keine Ersatzteile mehr für die herkömmliche Übertragungstechnik bekommen, weil die Netzausrüster diese nicht mehr herstellen. Wollte die Telekom das alte System, auf das etwa ISDN-Anschlüsse setzen, weiterhin betreiben, würde sie damit also auch Ausfälle riskieren. Etwa 3,7 Millionen Kunden hat die Telekom bereits auf die neue Technik umgesattelt. Pro Woche kommen etwa 50.000 Kunden dazu. Die Umstellung des gesamten Netzes soll bis 2018 erledigt sein.

Welche Vorteile hat die neue Technologie zu bieten?

Messagingdienste wie Whatsapp bauen ebenso auf den Datentransport über Computernetzwerke wie Streamingdienste wie Netflix. Und in Zukunft wird noch mehr möglich: Von unterwegs den Ladezustand des Elektroautos kontrollieren, die Heizung regeln oder über die Smart Watch die Haustür für den Paketboten öffnen - all das sind Szenarien, an denen gerade verschiedene Anbieter tüfteln - und die allesamt nur in einem IP-basierten Netz Wirklichkeit werden können. "Die neue Technologie ermöglicht neue Dienste, die auf den alten Transportwegen schlichtweg nicht möglich gewesen wären", sagt Andreas Grebe vom Institut für Nachrichtentechnik der Fachhochschule Köln. Für die Telekom, aber auch andere Anbieter, ist die Umstellung des Netzes auch eine Frage der Effizienz. Sie kann nun alle ihre Angebote über ein Netz schicken. In Mazedonien, wo die Umstellung bereits vollzogen ist, spart die Telekom bei jedem Kunden jährlich zehn Euro.

Und was hat der Kunde davon?

Im besten Fall profitiert auch der Kunde von diesen Einsparungen, weil die Anbieter auch günstigere Tarife zusammenstellen. In jedem Fall aber hat er einen schnelleren Zugang zu neuen Diensten: Im alten Telefonnetz ist ein Großteil der Leitungen und Frequenzen nur für das Telefonieren reserviert - selbst dann, wenn sie gerade niemand nutzt. Im IP-Netz wird das Kabel in seiner gesamten Frequenzbreite zum Alleskönner. Die Telekom wirbt zudem damit, dass die neue Technologie auch eine bessere Sprachqualität ermöglicht. Allerdings ist dies eher etwas für Menschen mit sehr feinen Ohren - und ein klarer Klang ist auch mit älterer Technik möglich.

Hat die neue Technologie auch Tücken?

Durchaus. Bei den alten ISDN-Anschlüssen gibt es immer ein Telefon, das auch ohne Strom funktioniert. Bei Anlagen, die auf der IP-Technologie basieren, geht bei einem Stromausfall nichts mehr. Die Netzanbieter setzen darauf, dass der Kunde in solch einem Fall zum Handy greift, weil es zu teuer wäre, eine Notstromversorgung in dem Netz vorzuhalten. Allerdings: Stromausfälle sind in Deutschland zwar selten. Wenn es aber doch dazu kommt, fallen oft auch die Empfangs- und Sendestationen im Mobilfunknetz aus.

Wie gehe ich mit einer Kündigung um?

Bei der Umstellung kam es bereits zu Pannen. Lässt sich daraus schließen, dass die IP-Telefonie doch nicht so gut funktioniert?

Ende August gab es Störungen, von denen etwa jeder zehnte Kunde betroffen war, dessen Anschluss die Telekom bereits auf die neue Technologie umgerüstet hatte. "Solche Ausfälle sind peinlich, aber sie sind kein Beleg dafür, dass die Technik nicht ausgereift ist", sagt Nachrichtentechniker Grebe und verweist darauf, dass sich die Technik seit langem bewährt hat - und zwar an vielen Stellen, an denen die meisten Menschen sie gar nicht wahrnehmen. So transportiert etwa der Kabelnetzbetreiber Unity Media, der seine Anschlüsse in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen anbietet, Gespräche schon seit mehr als zehn Jahren über die neue Technologie. Auch die Gespräche im Mobilfunk werden über weite Strecken als Datenpakete durchs Netz geschleust.

Lohnt es sich, den Anbieter zu wechseln?

Nicht, wenn es einem lediglich darum geht, einen Bogen um die neue Übertragungstechnik zu machen. Auch alle anderen Anbieter rüsten um und sind dabei sogar schon weiter als die Telekom. Bis Ende dieses Jahres, so schätzt der Branchenverbands VATM, in dem sich die Wettbewerber zusammengeschlossen haben, werden etwa 70 Prozent ihrer Kunden über die IP-Technik telefonieren.

Manche Kunden haben im Zuge der Umstellung auch schon eine Kündigung von der Telekom erhalten. Darf der Bonner Konzern das überhaupt?

Grundsätzlich gilt: Sofern die im Vertrag festgeschriebene Frist beachtet wird, darf ein solcher Vertrag von beiden Seiten gekündigt werden - also auch vom Anbieter. Die Telekom hat allerdings keinerlei Interesse daran, ihre Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. Deshalb schreibt das Unternehmen bis Ende nächsten Jahres in mehreren Wellen etwa 300 000 Kunden in 53 Großstädten wie etwa Berlin, Hamburg und München an. Dort soll das Netz nämlich bereits bis 2016 umgestellt werden. Zunächst versuche man, persönlich mit den Kunden zu sprechen, heißt es bei dem Bonner Konzern. Auch im Internet hält das Unternehmen Informationen zur Umstellung bereit. Die Telekom, das bestätigen auch Verbraucherschützer, gewährt ihren Kunden bei der Umstellung eine relativ großzügige Frist von mehreren Monaten.

Was sollte man als Verbraucher beachten, wenn ein Brief von der Telekom kommt?

Die Telekom macht den Kunden, die sie auf das neue Netz bringen will, zumeist auch ein neues Angebot. Das aber sollte man nur dann annehmen, wenn es einem wirklich passt. "Man kann das, was viele Verbraucher zunächst für eine schlechte Nachricht halten, auch als eine neue Freiheit nehmen", sagt Anneke Voß von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Wenn die Kündigung auf dem Tisch liegt, sollte man sich die Zeit nehmen, gründlich darüber nachzudenken, welchen Tarif man wirklich braucht und wer einem dafür das beste Angebot macht." Im Schnitt ist der Preis, den man für einen Telefonanschluss in Deutschland zahlt, im Laufe der vergangenen Jahre gesunken. Wer sich heute also nach einem neuen Vertrag umsieht, hat also gute Chancen, einen günstigeren Tarif abzuschließen als derjenige, der in alten Verträgen festgeschrieben ist.

Braucht, wer die Umstellung auf das neue Netz mitmacht, auch ein neues Telefon?

Wer bei der Telekom bleiben will, muss zumeist nur einen neuen Vertrag abschließen - sei es im Internet, im Laden oder unter der Hotline 0800 5511500. Dabei erfährt der Kunde auch, ob er seinen Router oder sein Telefon austauschen muss. Verwendet der Kunde bereits heute einen Router ohne zusätzlichen Splitter, kann er seine restlichen Geräte in der Regel weiter nutzen. Neuere Geräte kann man bei der Telekom kaufen oder auch mieten. Wer den Anbieter wechseln will, der sollte einem dortigen Berater die Nummer seines Geräts nennen. Daran lässt sich ablesen, ob es auch für das neue Netz taugt.

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