Freising:Wohl viel zu rein

Ernst Pernicka erklärt bei seinem Vortrag in dem voll besetzten Weihenstephaner Hörsaal, warum der Goldfund von Bernstorf nicht so alt sein kann, wie bisher angenommen wurde

Von Petra Schnirch, Freising

Wenige andere Themen treiben die Menschen im Landkreis zurzeit derart um wie die Herkunft des Goldes von Bernstorf. Mit dem Vortrag des Archäologen Ernst Pernicka in Weihenstephan ist die Diskussion darüber, ob es sich um Fälschungen handelt, nach etlichen verbalen Querschüssen auf die sachliche Ebene zurückgekehrt. Der Hörsaal im Löwentorgebäude war bis auf den letzten Platz besetzt, gekommen waren auch viele Kranzberger. War es dem Archäologischen Verein Freising doch gelungen, genau den Mann als Referenten zu gewinnen, der den Experten-Streit nach seinen Analysen des Goldes wieder aufflammen ließ.

Für Pernicka besteht kein Zweifel mehr, dass die Fundstücke aus Bernstorf nicht aus der Bronzezeit stammen. 15 verschiedene Punkte listete er auf, kein einziger deutete darauf hin. Zunächst aber ging er in seinem Vortrag ausführlich auf die Himmelsscheibe von Nebra ein - die galt als Fälschung, mit aufwendigen Untersuchungen war es Pernicka und einigen Kollegen aber gelungen, diesen Verdacht auszuräumen. Ähnlich umfangreiche Tests hätte er sich auch für den Goldfund aus der Gemeinde Kranzberg gewünscht, ließ er durchblicken.

"Elektrisiert" habe ihn eine Fernseh-Dokumentation über Bernstorf. Dort hieß es, das dort gefundene Gold sei so rein wie das aus dem alten Ägypten. "Das war eine einzige Analyse", sagte Pernicka. Er selbst habe fünf Jahre gebraucht, bis er halbwegs eingrenzen konnte, woher das Gold auf der Himmelsscheibe von Nebra stamme. Bei Vergleichen mit dem Sarg des Echnaton riet Pernicka ohnehin zur Vorsicht. Dieser stamme aus dem Antikenhandel - und hier seien viele Fälschungen im Umlauf. Zudem könne von Ähnlichkeiten mit dem Bernstorfer Fund keine Rede sein. Auch eine Untersuchung der Spurenelemente durch die Frankfurter Kollegen zweifelte Pernicka an. In einem Punkt, dem Wismut-Gehalt, sei die Analyse bereits korrigiert worden.

Gold-Diadem von Bernstorf, 2005

Für den Archäologen Ernst Pernicka steht fest: Das in Bernstorf gefundene Gold stammt nicht aus der Bronzezeit. Es sei zu rein für diese Epoche.

(Foto: Manfred Eberlein/Archäologische Staatssammlung)

Es gebe nicht viel ägyptisches Gold, das bei Grabungen gefunden wurde, so Pernicka, und es sei nicht so rein wie der Schmuck aus Bernstorf mit mehr als 99 Prozent. Die Technik der Zementation, der Entsilberung, sei erst vom sechsten Jahrhundert vor Christus an bekannt, die Wallanlage in Bernstorf aus der Mittleren Bronzezeit ist gut 800 Jahre älter. In der Natur komme so reines Gold ebenfalls nicht vor, auch nicht bei Flussgold, sagte der Wissenschaftler auf Nachfrage. Bei einem Vergleich mit modernem Gold sei das Spurenelement-Muster dagegen "täuschend ähnlich". Was die Erd-Ummantelung der Fundstücke betrifft, folgert Pernicka aufgrund der in der Atmosphäre enthaltenen Radioaktivität in der Nachkriegszeit, dass sie im Jahr 1962 oder aber den beginnenden Neunzigerjahren entstanden sei. "Das können Sie sich aussuchen." Auch die Harzreste seien wahrscheinlich modern. "Jetzt können Sie sich selbst ein Bild machen", sagte er zum Schluss seines Vortrags. Das Alter von Gold lasse sich bisher nicht definieren, aber man könne eine schlüssige Argumentationskette aufbauen.

Demnächst wird sich auch der Frankfurter Vor- und Frühgeschichtler Rüdiger Krause in einem Vortrag äußern, der seit Jahren in Bernstorf forscht. Er referiert am Donnerstag, 4. Dezember, in der Archäologischen Staatssammlung in München. Beginn ist um 19.30 Uhr. Auf ihrer Internetseite bezieht das Museum, in dem die Originale aus Bernstorf aufbewahrt werden, zur aktuellen Debatte Stellung. Dort werden weitere Analysen gefordert, da Messergebnisse aus Frankfurt und München von denen Pernickas abwichen. Außerdem heißt es, dass es einige Objekte aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus gebe, die auf eine ältere Tradition der Goldreinigung hinweisen. Sehr reines Gold kenne man auch von Vergoldungen im Neuen Reich in Ägypten (etwa 1550 bis 1070 vor Christus). Darüber hinaus seien im Gold von Bernstorf wie Kadmium oder Palladium gemessen worden, die für modernes Schmuck- oder Zahngold typisch seien.

Weitere Untersuchungen laufen laut Pernicka. Nun prüfe das Bundesamt für Materialforschung das Gold.

Eine Aufzeichnung des Vortrags von Ernst Pernicka ist im Internet unter www.archaeologischer-verein.de zu sehen, die Gegenargumente auf der Website www.archaeologie-bayern.de

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