Magazine für Mädchen:Rosa Feen fliegen rückwärts

Cover Blue Ocean Verlag

Die Style Princess konkurriert mit Wendy, Barbie und den "Drei Ausrufezeichen" um junge Leserinnen.

(Foto: Blue Ocean Entertainment AG)

Jungs mögen Dinosaurier, Mädchen Prinzessinnen in Rüschenkleidern. Die deutschen Zeitschriftenverlage wollen jeden Konsumwunsch bedienen. Doch dabei tappen sie in eine Welt aus Klischees und Rollenbildern aus den Fünfzigern.

Von Nadia Pantel

Das Leben als Kinderdetektiv ist prima. Geheimnisse hüten, Erwachsenen hinterherschnüffeln, gefährliche Dinge tun - alles ist erlaubt und wird am Ende sogar belohnt. Leider kamen in den populärsten Banden bisher hauptsächlich Jungs zu diesem Vergnügen. Die drei ???: Männersache.

Bei TKKG stand das G zwar für Gaby, aber so brav und humorlos TKKG an sich schon waren, so doppelt brav und humorlos war Gaby. Sie war verknallt in Tarzan, wuschelte gern in Hundefell herum und rief im Notfall ihren Kommissar-Papa zur Hilfe. Wer sich mit Gaby identifizierte, konnte auch gleich beim Pferde-Heft Wendy bleiben. Die Fünf Freunde hatten zwar George, aber weil die um keinen Preis Gaby sein wollte, tat sie so, als sei sie ein Junge. Kurzum: Die Detektiv-Szene war für Mädchen bislang uninspirierend.

Im Zeitschriften-Regal präsentiert sich nun eine Alternative: Die drei !!!. Seit 2006 sind 51 !!!-Bücher erschienen, diesen Herbst hat sie der Blue-Ocean-Verlag als Magazin für Kinder herausgebracht. Die Grundidee ist ähnlich wie bei den ???: Drei Kinder sind beste Freunde und erleben zusammen Abenteuer, obwohl sie ziemlich unterschiedlich sind. Bei den Fragezeichen gab es den Sportlichen (Peter), den Straßen-Schlauen (Justus) und den Buch-Schlauen (Bob). Bei den Ausrufezeichen gibt es die Sportliche (Franzi), die Schlaue (Kim) und Marie. Marie hat keine Entsprechung bei den Fragezeichen, denn sie ist in erster Linie die Stylische.

Marketing für Mädchen orientiert sich heute an deren Großmüttern, sagt der Trendforscher

Im Heft klingt das so: "Marie will Showstar werden. Deshalb hat sie viel nebenher zu erledigen: Schauspielunterricht, Gesangsstunden, Joggen, Aerobic - da fällt es ganz schön schwer, noch Zeit zum Ermitteln zu finden!" Marie steht im Heft die meiste Zeit der Mund offen. Sie begegnet der Welt staunend und lächelnd. Marie ist Gaby. Und Marie ist noch nicht einmal das Problem.

Das Problem ist die Ideenlosigkeit dieses Heftes, das letztlich nur ein Klon von Dutzenden anderer Mädchenhefte ist. Allein 21 dieser Titel werden von Blue Ocean gemacht, das Themenspektrum lässt sich grob auf Welpen, Ponys (meist mit Flügeln und Locken) und Prinzessinnen (auch oft mit Flügeln und Locken) eingrenzen. Der Egmont Ehapa Verlag steuert unter anderem Hello Kitty, Disney Prinzessin und den Klassiker Wendy bei. Als reine Jungsthemen haben die Marketing-Abteilungen Drachen, Dinosaurier, Piraten und Raumschiffe ausgemacht; bei Blue Ocean Material für neun Hefte.

Laut der Kids-Verbraucher-Analyse 2014 lesen 74 Prozent der sechs bis 13-Jährigen einmal wöchentlich ein Kindermagazin. Ein Markt, der nach den Regeln des Gendermarketings verdoppelt wurde: Wer Sohn und Tochter hat, braucht zwei verschiedene Kindermagazine. Denn wie alle wissen, machen sich Jungs rein gar nichts aus Hundebabys. Und was soll ein Mädchen mit einem Dinosaurier anfangen?

Männer sind Schulsprecher, Frauen patente Muttis

Zeitgleich mit dem rosa Ausrufezeichen-Heft hat der Blue Ocean Verlag im Herbst auch Die drei ??? als Kinder-Magazin auf den Markt gebracht. In Schwarz. Die zwei Magazine sind weitestgehend identisch aufgebaut: Comic, Rätsel, Plastikspielzeug auf dem Cover. In den Details unterscheiden sie sich. Outfitwechsel pro Heft bei den Ausrufezeichen: dreizehn. Bei den Fragezeichen: null. Das Tatmotiv beim Kriminalfall, den die Ausrufezeichen lösen: Mutterliebe (ergo: sehr reuige Täterin). Bei den Fragezeichen: Habgier. Die schuldige Männer-Gang nimmt die Verhaftung eher schulterzuckend in Kauf. Extras am Heftende: Anziehpuppen für die Ausrufezeichen, ein Memoryspiel für die Fragezeichen. Beim Finde-den-Unterschied-Bilderrätsel werden sowohl Ausrufezeichen als auch Fragezeichen in der Küche gezeigt. Bei den Ausrufezeichen gibt es dazu den Hinweis auf "tolle Rezepte zum Selberbacken" auf der Verlags-Homepage. Bei den Fragezeichen beschränkt sich die Haushaltserziehung darauf, dass in dem einen Bild weniger Eier sind als in dem anderen.

Dazu gibt es Gastauftritte von Figuren des jeweils anderen Geschlechts. Männer bei den Ausrufezeichen: der Schulsprecher (handwerklich geschickter Mädchenschwarm) und der Schuldirektor (so streng, dass sogar die Lehrerinnen vor ihm kuschen). Frauen bei den Fragezeichen? Eine hilflose Oma und eine patente Mutti. Die drei Ausrufezeichen können noch so tough tun. Sie wurden in eine kuschelige Schonwelt abgeschoben. Und in der Realität der drei Fragezeichen kommen ernstzunehmende Mädchen nicht vor.

Der schlechte Ruf von Rosa und Prinzessinnen macht inzwischen einige Frauen wütend. So argumentierte die Journalistin Jessica Valenti vergangenen Freitag im britischen Guardian, wer süßliche Mädchen-Spielereien verteufelt, würde Kindern beibringen, dass weiblich konnotiertes Verhalten weniger Wert sei. Und es stimmt: Wenige finden tobende Piratenjungs albern, bei Mädchen mit glitzernden Feenflügeln werden schon schneller die Augen verdreht. Kinder sollten das Recht haben, sich in Phantasiewelten zu flüchten, so klischeehaft sie auch sein mögen. Ärgerlich ist allerdings, dass die meisten heutigen Mädchen- und Jungs-Produkte Rollenbilder der 50er-Jahre reproduzieren und zur Norm erklären.

"Das Marketing für kleine Mädchen orientiert sich heute nicht an den Müttern, sondern an den Großmüttern" - der Trendforscher Peter Wippermann diagnostiziert den Deutschen eine Retro-Sehnsucht, die nicht beim Kauf von "Design-Klassikern" fürs Wohnzimmer haltmacht. Die Zahl der Alleinerziehenden, der Einzelkinder, der geschiedenen Eltern steigt - und mit ihr die Sehnsucht nach der klassischen Familie. "Es gibt ein riesiges Bedürfnis nach klaren Identitätszuweisungen", sagt Wippermann. Heutige Eltern erklärten ihren Kindern gerne, wie besonders es jeweils sei, ein Junge oder ein Mädchen zu sein. Was emanzipatorisch und bestärkend gemeint sein könnte, lässt den Kindern wenig Raum, sich geschlechtsgerechtem Verhalten zu entziehen.

Nachdem die Mädchen-Bande im Ausrufezeichen-Heft ihren Fall gelöst hat, strecken Marie, Kim und Franzi die Fäuste in den Himmel und schreien "Power". Der letzte müde Verweis auf die Girl-Power-Bewegung der 90er-Jahre, die zeigte, wie junge Frauen auf ihre eigene Art cool, wild und laut sein können. Von diesem Stolz, ein Mädchen zu sein, sind im Zeitschriftenregal nur noch Slogans und Kaufanreize übrig. Die Outfits, die an den gezeichneten Heldinnen im Heft gezeigt werden, hängen relativ identisch bei Teenager-Modeläden im Schaufenster. Die Medien-Wissenschaftlerin Rebecca Hains, Autorin des Buches The Princess Problem, beschreibt, wie die Girl-Power im Laufe ihrer Kommerzialisierung auf eine einzige Formel reduziert wurde: "Kauf dieses eine T-Shirt und auch du wirst Girl-Power haben." Die Wut der Riot Girls verschwand.

Und was können Erwachsene tun, wenn Tochter, Nichte oder Patenkind eine Detektivin kennenlernen wollen, deren Hauptbeschäftigung nicht darin besteht, sich ständig umzuziehen? Astrid Lindgren vorlesen. Eva-Lotta, der heimliche Star in Lindgrens Kalle Blomquist, löste schon Kriminalfälle, als die Riot Girls längst nicht geboren waren. Sie war mutig und witzig, und dass Kalle in sie verliebt war, nahm sie gelassen hin. Solange ihn das nicht davon abhielt nachts mit ihr durch Kleinköping zu schleichen, durfte er ruhig seinen romantischen Phantasien nachhängen.

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