Förderung von Schiefergas in Deutschland:Ausgefrackt

Viel Hürden für das umstrittene Gas-Fracking

Fracking ist derzeit eines der größten Streitthemen in Deutschland.

(Foto: Martin Gerten/dpa)
  • Das Streitthema Fracking beschäftigt die Bundesregierung: Das Bundesumweltministerium hat einen Gesetzentwurf erarbeitet.
  • Es sieht ein grundsätzliches Verbot der umstrittenen Fördertechnik vor - erlaubt allerdings Probebohrungen.
  • Einen Schiefergasboom wie in den USA würde es in Deutschland aber ohnehin nicht geben. Dafür fehlen die Vorräte.

Von Michael Bauchmüller und Silvia Liebrich

Fracking, das ist in Deutschland eine Art Synonym für das Böse: zerstörte Umwelt, verseuchtes Wasser, Bürger in Angst. Wenige Themen regen die Deutschen derzeit so auf wie die Aussicht, um die Ecke könnte dereinst im großen Stil das umstrittene Schiefergas gefördert werden - ungeachtet aller Gefahren. An diesem Donnerstag will das Bundesumweltministerium nun den Entwurf für ein Fracking-Gesetz zur internen Abstimmung an die anderen Ressorts verschicken - und wie es aussieht, wird keine der schlimmsten Befürchtungen eintreten.

Darauf jedenfalls läuft der mühsam ausgehandelte Koalitionskompromiss hinaus, ein Konvolut aus Hürden und Hindernissen. Zunächst sieht es ein "grundsätzliches" Verbot von Fracking-Bohrungen vor, die keine 3000 Meter erreichen - also just bis zu jener Tiefe, in der sich in Deutschland das meiste Schiefergas befindet. Nur Probebohrungen sollen hier möglich sein, aber erst nach einem aufwendigen Genehmigungsverfahren.

Sollten die erfolgreich sein, kann eine sechsköpfige Expertenkommission eine Ausnahme vom Verbot befürworten. Sollte sie mehrheitlich zu dem Schluss kommen, dass ein konkretes Fracking-Projekt "unbedenklich" ist, könnte es doch noch eine Chance bekommen. Zumindest mal rein theoretisch.

Viele Hürden für Fracking-Genehmigung

Praktisch sieht die Sache anders aus: Erstens lassen sich Wissenschaftler zu vielem hinreißen, ungern aber zu einer quasi amtlichen Unbedenklichkeitserklärung. Und zweitens wäre das nur der erste Schritt: Die eigentliche Genehmigung nämlich müssten Bergämter und die örtlichen Wasserbehörden ausstellen. Doch gerade Letztere stehen dem Fracking ungefähr so offen gegenüber wie die Feuerwehr dem Brandstifter.

Auch das Umweltbundesamt soll ein Wörtchen mitzureden haben, es muss die verwendete Fracking-Flüssigkeit als absolut ungefährlich einstufen. "Wir legen damit die strengsten Regelungen im Bereich Fracking vor, die es jemals gab", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Die Folge: Claims (siehe Grafik) für unkonventionelles Gas mag es mittlerweile viele geben - die Genehmigungen für den Abbau aber rücken mit diesem Gesetz in weite Ferne.

Förderung von Schiefergas in Deutschland: SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: bmwi, Bergbaubericht

SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: bmwi, Bergbaubericht

"Der Schutz des Trinkwassers und der Schutz der Gesundheit haben bei uns absolute Priorität", sagt etwa der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD). "Als Oberste Wasserbehörde wird das Umweltministerium für solche Experimente keine Genehmigung erteilen." Mehr noch: Die Länder können die Regeln noch zusätzlich verschärfen. Sie können zum Beispiel so genannte Trinkwassergewinnungsgebiete ausschließen, also etwa das Einzugsgebiet der Flüsse. So wird die deutsche Fracking-Landkarte immer kleiner.

Kein Schiefergasboom "made in Germany"

Für die deutsche Wirtschaft ist das eine Enttäuschung. Während in den USA die Förderung von Schiefergas in den letzten Jahren die Energiepreise purzeln ließ, bleibt es hierzulande wohl eher eine theoretische Option. Selbst die Hoffnung, deutsches Schiefergas könnte ein Ersatz für Lieferungen aus Russland sein, erweist sich als trügerisch - und das nicht allein des Gesetzes wegen. Auch das Potenzial fehlt: Die notwendigen Reserven für einen Schiefergasboom "made in Germany" sind schlicht nicht vorhanden.

Das bestätigen auch Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, in Deutschland die Nummer eins bei der Analyse von Vorkommen. Sie geht zwar davon aus, dass im Untergrund technisch förderbare Ressourcen von 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter Schiefergas lagern. Die Menge würde theoretisch reichen, um Deutschland für sieben bis 23 Jahre zum Selbstversorger zu machen.

Fest steht aber auch, dass längst nicht alles davon wirtschaftlich abbaubar sein wird. Das heißt, eine Förderung lohnt sich nur dann, wenn das gewonnene Gas nicht zu teuer wird. Hinzu kommt, dass Fracking in Städten, Ballungsräumen, Natur- und Wasserschutzgebieten an Gesetzen scheitern dürfte, ganz zu schweigen vom Widerstand der Bevölkerung. Damit reduziert sich das Potenzial weiter. Am Ende könnten die heimischen Vorkommen gerade dafür reichen, die gesamte deutsche Gasnachfrage für einige wenige Jahre zu decken, rein rechnerisch.

"Die Vorräte sind überschaubar"

Das sei besser als gar nichts, argumentieren die Fracking-Befürworter. Denn die Vorräte an konventionellem Gas gehen zur Neige, seit 15 Jahren sinkt die Gasförderung in Deutschland. Nur etwa zehn Prozent des heimischen Bedarfs können damit noch gedeckt werden - die Branche würde diesen Anteil gerne auf 20 Prozent heben. Nicht zuletzt mache es die Bundesrepublik unabhängiger von russischen Gasimporten, wirbt etwa Exxon-Deutschland-Chef Gernot Kalkoffen. "Man kann besser verhandeln, wenn man mehrere Eier im Korb hat", sagt er.

Wobei noch unklar ist, zu welchem Gaspreis sich die unkonventionellen Vorkommen in Deutschland überhaupt wirtschaftlich fördern ließen. Denn das hinge wiederum von den Auflagen ab, die Behörden im Zweifelsfall machen würden. Am Bodensee gab die Firma Parkyn Energy Germany Ltd. kürzlich sogar zwei Konzessionen für die Aufsuchung unkonventionellen Gases zurück.

"Die Vorräte sind überschaubar", heißt es auch im Bundesumweltministerium. "Und viele Gründe sprechen in Deutschland gegen eine wirtschaftlich interessante Förderung." Das Klima könnte es danken. Erst vor zwei Wochen forderte der Weltklimarat eindringlich, den Großteil der verbliebenen Vorräte an Kohle, Öl und Gas im Boden zu lassen. Andernfalls lasse sich die Erderwärmung nicht mehr auf die Schmerzgrenze von zwei Grad beschränken. Die Zahlen lieferte das Gremium gleich mit: Treibhausgase mit der Wirkung von 1000 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürften demnach noch freigesetzt werden, um die Welt nicht zu überheizen. Doch allein die bis heute nachgewiesenen Reserven übertreffen die Menge um das Vierfache.

Erdgas ist nicht gleich Erdgas

Ganz ohne Gas freilich wird die Welt nicht von heute auf morgen auskommen, im Gegenteil. Im Vergleich zu Stein- und Braunkohle gilt Erdgas als verhältnismäßig klimafreundlich. Gaskraftwerke gelten deshalb auch als idealer Partner erneuerbarer Energien, auch ihrer enormen Flexibilität wegen.

Allerdings ist Erdgas nicht gleich Erdgas. Gerade Schiefergas gilt als klimaschädlicher, schon wegen des enormen Energieeinsatzes beim Abbau. Auch fürchten Experten, beim Fracking im Schiefergestein könnte das geförderte Methangas leichter entfleuchen. Methan verweilt zwar wesentlich kürzer in der Atmosphäre als Kohlendioxid, dafür ist es aber auch 21-mal so schädlich.

Das wiederum spräche dafür, erst jene Gasvorkommen zu nutzen, die sich mit weniger Aufwand fördern lassen - darunter auch jene deutschen Lagerstätten, die tiefer als 3000 Metern liegen, etwa in Sandstein. Zwar wird auch in diesen konventionellen Lagerstätten bisweilen "gefrackt", dies aber nur, um ab und an neue Wege zum Gas aufzusprengen. Anders als beim unkonventionellen Gas muss hier nicht dauernd gefrackt werden, damit das Gas weiter fließt. Auch in Deutschland gibt es derlei konventionelles Fracking schon seit vier Jahrzehnten. Und auch der neue Gesetzentwurf lässt es unter Auflagen weiterhin zu - nachdem die zuständigen Behörden über Jahre nichts davon wissen wollten. Fracking galt eben als tabu, egal ob konventionell oder unkonventionell.

Viel Geld für Lobbyarbeit

Ganz Europa ist gespalten in Sachen Schiefergas. In Polen etwa gilt es als sinnvolle Alternative zu Importen aus Russland. Die Regierung forciert deshalb die Suche; nur die geologischen Bedingungen sind vielerorts nicht einfach - und die hohen Erwartungen wurden erst im vorigen Jahr vorsichtig nach unten korrigiert. Länder wie Frankreich und Bulgarien dagegen haben sich früh vom Fracking verabschiedet.

Nun folgt - de facto - auch Deutschland. Selbst der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, der als Energiekommissar lange als vehementer Fracking-Befürworter galt, dämpfte im Sommer die Hoffnungen. Maximal ein Zehntel des europäischen Gasbedarfs können auf diesem Weg gedeckt werden, stellte er fest. Das reiche allenfalls aus, um die Abhängigkeit von Importen nicht weiter steigen zu lassen.

So könnte sich manche Sorge europäischer Fracking-Gegner verflüchtigen wie das Gas am Bohrloch. Für viele Firmen, die bis zuletzt noch Hunderttausende Euro in Anzeigenkampagnen, Informationsportale und Lobbyarbeit gesteckt hatten, ist das bitter. Für viele Anwohner potenzieller Claims wird das Leben wieder ruhiger.

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