Nürnberg:Forum für Völkerstrafrecht

Juristen aus aller Welt sollen an einem historischen Ort ausgebildet werden, um künftig Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen: Heute wird die "Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien" offiziell gegründet.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Oscar Schneider hat maßgeblich dazu beigetragen, dass in Nürnberg das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände auf den Weg gebracht wurde. Er hat erfolgreich für das Memorium Nürnberger Prozesse gestritten, auf ihn geht sogar der Name zurück: Memorium.

Am Samstag wird nun ein weiteres Ziel des 87-jährigen Grandseigneurs der Nürnberger CSU in Erfüllung gehen. Vertreter von Bund, Freistaat und Stadt unterzeichnen dann die Gründungsurkunde der Stiftung Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien (IANP). Sie bietet Juristen, Diplomaten und Journalisten ein Forum, um sich über das internationale Völkerstrafrecht austauschen zu können. Unterzeichnet wird die Urkunde im Saal 600 des Justizpalastes - dort wo die Alliierten über die NS-Kriegsverbrecher zu Gericht saßen.

Mit der Akademie, sagt Schneider, "wollen wir dort fortfahren, wo Robert H. Jackson sein Plädoyer beendet hat". Denn Jackson, Chefankläger im Prozess gegen die NS-Verbrecher, habe nicht nur auf moralische Überzeugungskraft gesetzt. Sondern auch auf die "präventive Wirkung von Strafrecht". Und auf jene Prinzipien, die dann von Nürnberg ausgingen. Etwa jenes, dass es Verbrechen von so universeller Eindeutigkeit gibt, dass kein Diktator und kein staatliches Gesetz vermag, diese Verbrechen zu legalisieren.

Natürlich: Die Nürnberger Prinzipien wurden nicht in Nürnberg erfunden. Aber sie wurden dort, im Saal 600, erstmals in einem Strafprozess angewendet. Sechs Jahre habe er für diese Akademie gekämpft, sagt Schneider. Jetzt, am Ziel angelangt, empfinde er ein "Gefühl von Zufriedenheit und Dankbarkeit". Zumal die Akademie ihre Arbeit - Kongresse und Symposien mit hochkarätiger Besetzung - bereits aufgenommen hat.

Schneider hat sieben Jahre als Bundesbauminister dem Kabinett von Helmut Kohl angehört. Er gilt als Meister des humanistischen, aus dem Stegreif vorgetragenen Zitats, handfest formulieren hat Schneider aber auch gelernt: Das "leere Friedensgerede" bringe nichts, sagt er, schon gar nicht "oberflächliches Gequatsche über die Nürnberger Prozesse". Eine Institution, die sich profund mit der Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts beschäftige, habe ihm deshalb vorgeschwebt, als er vor sechs Jahren die Idee einer Akademie auf den Weg brachte: immer in enger Verbindung mit den UN, auch wenn diese nun nicht zu den Stiftungsmitgliedern dazugehören, und in Kontakt mit dem Internationalen Strafgerichtshof.

So freudig Schneider nun der offiziellen Gründung der Akademie entgegenblickt, so traurig macht ihn die Erinnerung an Hans-Peter Kaul, den ersten Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Er habe zu den engsten Befürwortern dieser Akademie gezählt, "mit wahrer Leidenschaft gekämpft" habe er dafür, ehe er vor vier Monaten starb. "Die Akademie war nie als Nürnberger Angelegenheit gedacht", sagt Schneider, "auch nicht als eine von Freistaat oder Bund." Ihre Bedeutung solle weit darüber hinausstrahlen.

Als Minister hatte Schneider die Reichstagskuppel mit auf den Weg gebracht und das Konzept für das Deutsche Historische Museum. Die Nürnberger Akademie? Ein "Ruhestandsprojekt", sagt er. Aber eines, das ihm sehr am Herzen liege.

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