Spitzelaffäre in Hamburg:Senat bestätigt verdeckte Ermittlungen in der Roten Flora

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  • Der Hamburger Senat hat erstmals offiziell die verdeckten Ermittlungen bestätigt, die von 2000 bis 2006 in der Roten Flora stattfanden.
  • In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Scheider legt die Landesregierung dar, auf Basis welcher rechtlichen Grundlage der Einsatz der Ermittlerin Iris S. stattfand.
  • Über Jahre hat Iris S. in der linken Szene Freundschaften und Beziehungen gepflegt - und dabei Informationen gesammelt. Zu welchem Zweck genau, ist weiterhin unklar.

Von Sarah K. Schmidt

Hamburger Senat bestätigt verdeckte Ermittlungen in der Roten Flora

Eine Spitzelaffäre in Hamburg treibt die Politik um: Unter dem Namen Iris S. soll eine junge Frau über Jahre verdeckt im Autonomen Zentrum Rote Flora ermittelt haben. Bislang basiert der abenteuerliche Fall lediglich auf den Schilderungen linker Aktivisten im Internet. Nun bestätigt der Senat den umstrittenen Einsatz in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane Schneider.

Diese hatte sich nach der rechtlichen Grundlage erkundigt, auf Basis derer Iris S. eingesetzt wurde. Diese Frage ist bedeutsam, weil den Einsatz eines "verdeckten Ermittlers" die Staatsanwaltschaft anordnen muss. Dies ist beim Einsatz eines "nicht offen ermittelnden Polizeibeamten" nicht notwendig - allerdings gelten in diesem Fall strengere Einschränkungen. So muss die Aktion der Gefahrenabwehr dienen. Außerdem darf der Beamte sich keinen Zugang zu privaten Wohnungen verschaffen und auch nicht mit einer sogenannten Legende arbeiten, einer erfundenen Identität. Beides war offenbar bei Iris S. der Fall.

"Der Einsatz der im hinterfragten Sachverhalt nicht offen eingesetzten Polizeibeamtin wurde durch die Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt zu Beginn als gefahrenabwehrende Maßnahme [...] angeordnet", heißt es in der Antwort des Senats, die Süddeutsche.de vorliegt. Nach den ersten Wochen sei dieser Status dann aber verändert worden. Bis zum Ende ihres Einsatzes sei die verdeckte Ermittlerin dann auf Anweisung der Bundesanwaltschaft aktiv gewesen.

Linke-Politikerin Schneider sieht weiteren Aufklärungsbedarf

Christiane Schneider, die Bürgerschaftsabgeordnete der Linkspartei, die die Anfrage an den Senat gestellt hat, ist mit den Antworten nicht zufrieden: "Der Senat hat zwar viel geschrieben, aber mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet." So bleibe zum Beispiel völlig unklar, warum nach einem halben Jahr der Einsatzzweck und die rechtliche Grundlage der Ermittlung verändert wurden.

"Die Ermittlerin hat außerdem in ganz verschiedenen Szenen ermittelt." Iris S. sei zum Beispiel in der Queer-Szene, in der Bauwagen-Szene und beim Radio `Freies Sender Kombinat' aktiv gewesen. "Das sind ganz unterschiedliche Gruppierungen - was war da das Ziel der Ermittlungen?", fragt Schneider. "Das ist schon alles sehr dubios.". Auch sei es rätselhaft, warum keine der Personen, die offenbar überwacht werden sollten, über die Ermittlungen informiert wurde. Dies ist nach Abschluss solcher Ermittlungen rechtlich vorgeschrieben.

Am 9. Dezember wird das Thema auf Antrag der Grünen im Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft verhandelt. Doch von diesem Termin verspricht Schneider sich nicht allzu viel. "Schon in der Antwort auf die Anfrage hat der Senat deutlich gemacht, dass er fast die gesamte Verantwortung für den jahrelangen Einsatz auf Ebene der Bundesanwaltschaft sieht." Daher werde Schneider das Thema mit ihren Parteikollegen im Bundestag besprechen, um den offenen Fragen auch auf Bundesebene weiter nachzugehen.

Die Spitzelaffäre

Spitzelaffäre in der Roten Flora
:Tief in den Strukturen

Sechs Jahre soll eine Polizistin unter falschem Namen im Umfeld der Roten Flora in Hamburg ermittelt haben, dabei sogar Liebesbeziehungen eingegangen sein. Aktivisten haben sie kürzlich enttarnt. Nun beschäftigt der Fall die Politik.

Von Hannah Beitzer

Iris S. ermittelte verdeckt gegen Mitglieder der Roten Flora in Hamburg. Sie engagiert sich in der linken Szene, schließt Freundschaften, geht angeblich sogar Liebesbeziehungen ein. Über sechs Jahre, vom Jahr 2000 an hält sie ihre Tarnung aufrecht. Schon 2002 schöpft eine Recherchegruppe der linken Aktivisten Verdacht. Doch erst vor einigen Wochen konnten sie durch Zufall die Ermittlerin enttarnen - Rote-Flora-Mitglieder waren ihr unter ihrem richtigen Namen begegnet.

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