Atomstreit mit Iran:Vorsicht vor dem faulen Frieden

U.S. Secretary of State Kerry and Iranian FM Zarif shake hands as EU envoy Ashton watchesbefore a meeting in Vienna

US-Außenminister John Kerry (rechts) trifft seinen iranischen Amtskollegen Javad Zarif. Beiden kommt bei den Verhandlungen über Irans Atomprogramm eine wichtige Rolle zu.

(Foto: REUTERS)

Bei den Verhandlungen über Irans Atomprogramm darf es keine Kompromisse geben. Denn so wichtig es ist, diese Krise zu bewältigen: Es muss verhindert werden, dass Teheran nukleare Waffen herstellt.

Gastbeitrag von Shimon Stein

Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis eskaliert in Jerusalem, die Terroristen vom Islamischen Staat (IS) enthaupten westliche Geiseln in Syrien. Es gibt wenig gute Nachrichten aus dem Nahen Osten und, so richten sich viele Hoffnungen auf die Gespräche zwischen Frankreich, Großbritannien, Deutschland, USA, China und Russland und Iran über dessen nukleares Programm.

Sie sollen am 24. November ihren Abschluss finden, möglichst mit der Unterzeichnung eines umfassenden Abkommens. Damit wäre, nach mehr als zehn Jahren Bemühungen, eine Krise bewältigt, die mit der Enthüllung eines vermutlich militärischen Zwecken dienenden iranischen Nuklearprogramms begonnen hatte.

Iran muss die Herstellung nuklearer Waffen verwehrt bleiben

Wird aber tatsächlich ein Abkommen erreicht, das Bestand hat? Schließt man vielleicht eher ein Teilabkommen und versucht, über nicht gelöste Fragen weiter zu verhandeln? Wird es zu einer (noch) befristeten Verlängerung kommen - nachdem ja die Verhandlungsfrist schon im Juli dieses Jahres verlängerte wurde? Gibt es gar eine Pause bei den Verhandlungen, gar ihre Einstellung?

Zur Person

Shimon Stein, 66, war Israels Botschafter in Deutschland von 2001 bis 2007. Zur Zeit ist er Senior Fellow am Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) an der Universität Tel Aviv.

Erst vor kurzem sprach US-Präsident Obama von noch zu überbrückenden "großen Lücken", die es verhindern könnten, ein umfassendes Abkommen bis zum 24. November abzuschließen. Am Ende, so Obama, muss es schließlich darum gehen sicherzustellen, dass das iranische Regime keine nukleare Waffen erlangen wird.

So wichtig es ist, diese Krise zu bewältigen - gerade vor dem Hintergrund so dringender Aufgaben wie Bekämpfung des IS, dessen Bedrohung für die Region niemand bezweifelt - so darf kein Abkommen unterzeichnet werden, das seine wesentliche Aufgabe nicht erfüllt: Iran muss es künftig verwehrt sein, nukleare Waffen herzustellen. Darum geht es in erster Linie.

Und nicht um den Appell, den einige "führende Außenpolitiker" jüngst an die sechs Verhandlungsparteien richteten - dass nämlich "eine so gute Gelegenheit nie wieder" komme und deshalb alle Seiten "angemessene Kompromisse" machen sollten. Eine gute Gelegenheit aber ist dann erst eine gute Gelegenheit, wenn die Ziele erreicht werden können, um die es geht, wenn es keine iranischen Atomwaffen geben wird. Ein schlechter Deal ist besser als kein Deal - das ist in diesem Fall kein gutes Argument.

Überzogene Forderungen Irans

Sollten die Verhandlungen am 24. November erfolglos zu Ende gehen, dann wird dies nicht der Kompromisslosigkeit der westlichen Seite geschuldet sein, sondern der Hartnäckigkeit, mit der Iran seine Bemühungen um Nuklearwaffen fortsetzte. Teheran ist von seinem Anspruch ja nie abgerückt - und wird dies auch nicht tun.

Stattdessen beschweren sich Präsident Rohani und dessen Unterhändler über angeblich überzogene und unrealistische Forderungen, beharren auf ihrer "Würde" und fordern beständig "Respekt". Es geht in den Verhandlungen aber nicht um die Würde und den Respekt, den bei solchen Verhandlungen alle Partner voreinander haben sollten. Es geht auch nicht um den von Iran immer wieder ins Spiel gebrachten Anspruch auf die friedliche Nutzung von Atomkraft.

Iran hat jahrelang seine Pflichten verletzt

Es geht darum, dass Iran als Mitglied des Atomwaffen-Nichtverbreitungsvertrages jahrelang seine Pflichten verletzt und entgegen seinen vertraglichen Verpflichtungen den Besitz von nuklearen Waffen anstrebte - und das auch noch zu verheimlichen versuchte. Aus diesem Grund sind die Sanktionen der UN, USA und EU verhängt worden.

Was das Entgegenkommen der iranischen Verhandlungspartner, EU3+3 genannt, betrifft, so kann man das Ausmaß der Kompromisse nur bedauern, die diese Gruppe über die Jahre hinweg gemacht hat. Auf der anderen Seite bewegte sich nichts. Trotz einer UN-Resolution hat der Westen nicht darauf bestanden, dass Iran die Anreicherung von Uran aufgibt oder dass Teheran überhaupt einmal zugibt, dass es heimlich ein nukleares Programm für militärische Zwecke betrieben hat.

Man hat darauf verzichtet, über das ballistische Programm zu verhandeln, das ebenfalls in einer UN-Resolution erwähnt wird. Teheran musste die Schwerwasseranlage in Arak nicht in eine Leichtwasseranlage umwandeln, konnte die unterirdische Anreicherungsanlage in Fordow ebenso weiterbetreiben wie die Zentrifugen, die eigentlich nicht in Betrieb bleiben sollen.

Man muss nicht Israels Premier Netanjahu sein um zu behaupten, dass der Westen in wesentlichen Punkten dieser Gespräche gescheitert ist, ein militärisches Nuklearprogramm Irans zu verhindern.

Keine faulen Kompromisse

Jetzt geht es darum, Iran die Wege zu versperren, die ihm ein schnelles Überschreiten der nuklearen Schwelle ermöglichen. Die "break out capability - die Zeit also, die das Land nach einer entsprechenden politischen Entscheidung benötigen würde, um genug angereichertes Uran für eine Atomwaffe herzustellen - muss verlängert werden.

Ein glaubwürdiges Abkommen muss deshalb unter anderem die folgende Elemente enthalten: ein effektives und robustes Verifizierungs-Regime; eine drastische Reduzierung der Zahl der Zentrifugen; eine signifikante Reduzierung von angereichertem Uran, wobei der Rest (das noch nicht angereicherte Material) nicht höher als auf fünf Prozent angereichert werden darf; die Umwandlung der Anlage von Fordow für andere Zwecke als einer Anreicherung; die Umwandlung des Schwerwasserreaktors in Arak, um zu verhindern, dass dieser Reaktor militärischen Zwecken dienen kann.

Die Dauer des Abkommens sollte zehn Jahre betragen

Weiterhin müssen alle Fragen, welche die internationale Atomenergiebehörde IAEA mit als relevant in Bezug auf eine potenzielle militärische Dimension des iranischen Programms aufgeworfen hat, umfassend und zufriedenstellend geklärt werden. Forschung und Entwicklung von Zentrifugen müssen unter strenge Aufsicht gestellt werden.

Die Dauer des Abkommens sollte auf mindestens zehn Jahre angelegt werden, um das über die Jahre entstandene enorme Vertrauensdefizit abzubauen. Dies würde auch die Möglichkeit eröffnen, die Sanktionen je nach Erfüllung der vertraglichen Pflichten durch Teheran abzubauen.

Man kann ja nachvollziehen, dass manche EU Mitglieder - für die ein nuklear bewaffneter Iran ja keine Bedrohung ist - endlich ein Abkommen unter Dach und Fach bringen möchten, um so schnell wie möglich ihre wirtschaftliche Interessen zu bedienen. Man kann auch verstehen, dass manche (einschließlich der USA ) der Auffassung sind, Iran sei ein unerlässlicher Partner bei der Bekämpfung des IS, weshalb man die nukleare Frage schnell erledigen solle.

Dennoch: Ein Abkommen, das am Ende sein Ziel nicht erreicht, ist kein Verhandlungserfolg. Es ist ein fauler - und für die Zukunft der nuklearen Nichtverbreitung fataler Kompromiss.

Shimon Stein

Shimon Stein, 69, war von 2001 bis 2007 israelischer Botschafter in Berlin. Zurzeit ist er Senior Fellow am Institut für Nationale Sicherheit an der Universität Tel Aviv.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: