Porträts von Fotograf Martin Schoeller:Spiel mit dem Vertrauen

Steve Carell Porträt
(Foto: Martin Schoeller)

Steve Carells Gesicht mit Tesafilm verkleben? Der Fotograf Martin Schoeller wurde dafür bekannt, dass prominente Amerikaner ihm fast alles erlauben. Jetzt sind seine Bilder in Berlin zu sehen.

Von Andrian Kreye

Kaum einer Sorte Bilder sieht man die Wirkung ihres Schöpfers so deutlich an wie Porträtfotografien. Blättert man sich durch den neuen Band von Martin Schoeller, stellen sich da schon ein paar Fragen. Wie er den Regisseur Quentin Tarantino in eine Zwangsjacke stecken konnte. Wie er Udo Lindenberg dazu brachte, mit einer Pickelhaube auf dem Tisch zu tanzen. Oder den Skateboard-Weltmeister Tony Hawk, eine Pirouette auf seinem Küchenbuffet zu drehen.

Vielleicht sollte man kurz in die Anfangsjahre dieses deutschen Fotografen in New York zurückgehen. Fast zwanzig Jahre ist es her, als Martin Schoeller eine Langzeitreportage über die Detectives der Polizei im Großstadtkrisenherd Newark, New Jersey, fotografierte. Er war damals noch als Assistent von Annie Leibovitz bekannt. Den Polizisten sagte das wenig. Aber es dauerte nicht lange, da hatten sie den Deutschen mit den blonden Dreadlocks so fest in ihre Gemeinschaft aufgenommen, dass er mit ihnen bei Verfolgungsjagden auf der Rückbank sitzen durfte, mit ihnen lange Pizzanächte auf den nächsten Einsatz wartete und schließlich sogar zur Weihnachtsfeier der Mordkommission eingeladen war. Eine beachtliche Leistung, wenn man weiß, dass amerikanische Polizisten zum misstrauischsten Menschenschlag der Welt gehören.

Diese enorme Vertrauensbasis, die Schoeller innerhalb kürzester Zeit schafft, ist der Kern seiner Arbeit. Und nur wegen ihr konnte er sein Markenzeichen entwickeln, diese Nahaufnahmen, bei denen das Strahlen einer Lichtkammer die Augen seiner Objekte zum Leuchten bringt und jede noch so kleine Furche im Gesicht zur Zeichnung macht.

Sitzt man selbst in seiner selbst konstruierten Box aus Leuchtstoffröhren und Lampen, die er am Rande seiner großen Sets stets aufbaut, taucht man in ein ungewohntes Bad aus Licht. Es hat etwas Psychedelisches, wenn man dann umhüllt vom Leuchten und Strahlen in sein Objektiv blickt. Musik läuft, man kommt ins Plaudern, bemerkt kaum, wie sich die Kamera immer näher an einen heranarbeitet, wie der Verschluss ein ums andere Mal jede noch so kleine Nuance einfängt, die sich auf Gesicht, Haar und Augen findet. Unsicherheiten haben da keinen Raum.

Was als Nebenlinie seiner großen Aufträge begann, wurde bald zum neuen Standard der amerikanischen Porträtfotografie. Die Zeitschrift New Yorker erkannte in ihm bald die Größe und kürte ihn zum Nachfolger von Richard Avedon. Müßig, jetzt die Liste der Menschen anzuführen, die sich auf seine Ideen einließen, die bei Barack Obama anfängt und bei Ureinwohnern im Amazonas-Dschungel endet.

In Deutschland kennt man ihn noch kaum. Dabei ist man doch eigentlich immer so stolz, wenn es jemand aus der Heimat in Amerika in die allererste Reihe geschafft hat. Hollywood-Feuerwerker Roland Emmerich zum Beispiel, Basketball-Wunderwaffe Dirk Nowitzki oder die Fernsehformat-Königin Heidi Klum. Für die Amerikaner gehört Schoeller schon länger in diese Reihe der A-Liga-Germans.

Porträts von Fotograf Martin Schoeller: Martin Schoeller wurde 1968 in München geboren und ging 1993 nach New York. Dort kürte ihn der New Yorker zum Nachfolger von Richard Avedon.

Martin Schoeller wurde 1968 in München geboren und ging 1993 nach New York. Dort kürte ihn der New Yorker zum Nachfolger von Richard Avedon.

Eine umfangreiche Retrospektive seiner Porträts ist nun in der Berliner CWC Gallery zu sehen. Da hängen bis zum Februar die opulenten Inszenierungen neben den leuchtenden Köpfen. Und es sind ein paar Bilder dabei, die das Spiel mit dem Vertrauen noch ein paar Schritte weitertreiben. Schauspieler wie George Clooney und Steve Carell haben sich da in seine Lichtbox gesetzt und ihn rechten Schindluder mit ihren Gesichtern treiben lassen, die in Hollywood ja so etwas wie eine Währung sind.

Doch es sind wahrscheinlich gerade Schauspieler, die verstehen, warum sie da keine Angst haben müssen, dass er sie bloßstellt. Sie müssen sich ja von Berufs wegen darauf verlassen, dass jemand mit der Kamera dafür sorgt, dass sie strahlen, wirken und brillieren. Auch wenn er ihnen das Gesicht mit Tesafilm zur Fratze verklebt und sie dann in ein Lichtbad taucht.

Martin Schoeller "Portraits", bis zum 28.2. 2015 in der CWC Gallery, Auguststraße 11-13, Berlin, Di-Sa 11:00-19:00 Uhr. Info: camerawork.de. Gleichnamiges Buch: te Neues Verlag, Kempen, 2014. 280 Seiten, 98,00 Euro.

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