US-Charts berücksichtigen Streaming-Dienste:Mit dem Stream schwimmen

Auch unterwegs entspannt Musik hören: Dank Spotify und Co. kein Problem.

Wer Musik hören will, muss längst keine CD mehr kaufen. Jetzt beeinflussen Streaming-Dienste auch die US-Charts.

(Foto: Afp)

Ab Dezember will das "Billboard"-Magazin für die amerikanischen Album-Charts auch die Nutzung von On-demand-Musiktiteln auswerten. Die Liste der erfolgreichsten Alben wird damit realistischer. Ärgern könnte sich Taylor Swift.

Von Daniel Lehmann

Bei Billboard sagt man, es sei das größte Upgrade seit über 23 Jahren: Das amerikanische Entertainment-Magazin verwendet künftig auch Nutzerzahlen aus Streaming-Diensten für die Album-Charts. Außerdem sollen einzeln verkaufte Songs die "Billboard 200" beeinflussen können, teilte das Unternehmen mit.

Am 3. Dezember wird auf der Website des Magazins erstmals eine nach dem neuen Algorithmus erstellte Top 10 präsentiert. Einen Tag später soll das angepasste Ranking im Netz einsehbar sein.

Charts näher an die tatsächlichen Trends bringen

Das modifizierte Verfahren kommt einem kleinen Ritterschlag für das Musikstreaming gleich. Bislang stützten sich die wichtigsten Charts der USA auf die reinen Verkaufszahlen physischer und digitaler Alben. Mit dem erweiterten Algorithmus will man nun der modernen Technik und den neuen Hörgewohnheiten von Musik besser gerecht werden.

Und das wird auch Zeit: Nutzer sind längst nicht mehr auf klassische Tonträger oder Album-Downloads angewiesen. Streaming-Dienste wie "Spotify" (weltweit 40 Millionen Nutzer) stellen Musikstücke on demand, also auf Abruf, zur Verfügung. Eine Anpassung der Charts ermöglicht somit eine genauere Abbildung der tatsächlichen Trends in der Musikwelt.

Um die Streamingdaten eines Albums mit den Verkaufszahlen vereinen zu können, hat man sich bei Billboard auf eine Kenngröße festgelegt. Wenn die Nutzer die Titel eines Albums insgesamt 1500 Mal hören, zählt dies als ein Albumverkauf. Wie wirkt sich das nun auf die Künstler aus?

Streaming-Nutzer als Zünglein an der Chart-Waage

Nehmen wir das Album "Four" der Teenie-Band One Direction als Beispiel. Der Playlist zur CD folgen allein auf "Spotify" mehr als 200.000 Nutzer. Geht man davon aus, dass sich jeder dieser Nutzer die 27 Songs mindestens ein Mal angehört hat, sind das allein schon 5,4 Millionen Aufrufe. Geteilt durch 1500 ergibt das 3600 Alben, die in die Charts eingerechnet werden - ohne dass die Nutzer wirklich eines davon gekauft haben.

Taylor Swift hingegen, die als eine der beliebtesten Interpreten "Spotify" Anfang November verlassen hat und auch sonst auf keiner Streaming-Plattform mehr zu finden ist, werden bald eine Menge "virtueller" Album-Verkäufe entgehen. Nicht, dass die Sängerin es nötig hätte.

Die 24-Jährige wird aufgrund ihrer "echten" Verkaufszahlen weiterhin weit oben in den Charts mitmischen. In Zukunft könnten Streaming-Nutzer aber zum Zünglein an der Waage werden, wenn es um die genaue Position in den Charts geht - und damit auch um Platz 1. Denn spinnt man das Ganze weiter, ist eine höhere Platzierung gleichbedeutend mit mehr Publicity.

Denn gehört wird nun mal, was in den Charts läuft. Was wiederum mehr Leute dazu bewegen dürfte, vielleicht doch ein weit oben aufgeführtes Album zu kaufen. Belohnt werden also letztlich jene, die ihre Musik auf möglichst vielen Kanälen anbieten.

Aufgewertet werden ab sofort auch die Downloads von einzelnen Songs eines Albums. Zehn heruntergeladene Lieder einer LP werden ebenfalls als ein Albumverkauf gewertet. Dadurch können auch Künstler eine hohe Platzierung in den Charts erreichen, die nur wenige beliebte Songs oder sogar One-Hit-Wonder auf einer Platte haben, diese aber dafür sehr häufig verkaufen.

Deutsche Charts setzen auf den Umsatz

Hierzulande funktioniert das Chart-System noch ein wenig anders. Die offiziellen Charts werden von der GfK Entertainment im Auftrag des Bundesverbands der Musikindustrie (BVMI) erstellt. Die "Top 100 Longplay-Charts" basieren ausschließlich auf den Verkaufszahlen von physischen und digitalen Alben - so weit, so amerikanisch.

"Entscheidend ist für das Ranking jedoch nicht die Anzahl der Käufe, sondern der damit erzielte Umsatz", teilte ein Sprecher der GfK auf Anfrage mit. Eine Anpassung der Album-Charts wie bei Billboard sei vorerst nicht geplant.

Allerdings erstellt die GfK Entertainment seit zweieinhalb Jahren separate Streaming-Charts, die sowohl die kostenfreien als auch die Premium-Varianten von Streaming-Diensten berücksichtigen. In den Jahrescharts 2013 landeten Macklemore & Ryan Lewis mit "Can't hold us" in dieser Kategorie auf Platz 1 - in den umsatzbasierten Single-Charts nur auf Position 6.

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