Innenausschuss zur Hogesa-Demo in Köln:Wenn es der Polizei an Phantasie mangelt

Gericht erlaubt Anti-Islamismus-Demo

Verhältnismäßig wenige Polizisten waren bei der brutalen Hogesa-Demo im Oktober in Köln im Einsatz.

(Foto: dpa)

4000 Demonstranten gegen 1300 Polizisten - warum waren bei der Hogesa-Demo in Köln so wenige Einsatzkräfte? Im Innenausschuss in Düsseldorf zeigt sich: Dass Rechtsradikale, Nazis und Schlägertypen zusammen richtig Ärger machen, konnten die zuständigen Beamten sich offenbar nicht vorstellen.

Von Jannis Brühl, Düsseldorf

Jubelperser werden nicht gesichtet, dennoch weht ein Hauch von Anti-Schah-Demonstration durch den Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages. Gregor Golland von der CDU will von Innenminister Ralf Jäger (SPD) wissen, warum bei den Ausschreitungen im Oktober in Köln kein Sondereinsatzkommando (SEK) die Hooligans aufgehalten hätte.

Ein SEK-Mann habe ihm erzählt, wie gefürchtet die Spezialkräfte unter Hooligans seien: "Weil die angreifen. Dann fällt die erste Reihe." So hätte die Polizei sich Respekt verschaffen können, die Ausschreitungen bei dem Demonstrationszug wären nicht so massiv eskaliert. Die SPD reagiert auf den Satz entsetzt, wirft Golland "Polizeitaktiken aus den sechziger Jahren" vor - wie 1967 beim Besuch des iranischen Schahs, als die Berliner Polizei Demonstranten verprügelte.

Nun geht es im Ausschuss in Düsseldorf an diesem Donnerstag nicht um ein paar Hippies, die gegen Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten demonstrierten, sondern um rechte Hooligans mit Lust auf Gewalt. Über den Ausschuss würde die Opposition gern den Rücktritt von Innenminister Ralf Jäger (SPD) einleiten, wegen der Polizei-Einsatzplanung vor der Demonstration der "Hooligans gegen Salafisten" (Hogesa).

Die entscheidende Frage: Warum waren nur 1300 Polizisten aufgeboten, um mit mehr als 4000 Hooligans fertig zu werden? Polizeiinspekteur Dieter Wehe sagt vor dem Ausschuss aus und stellt klar, dass die Polizei tatsächlich mit 4000 Hooligans gerechnet hatte. 1300 Beamte erschienen ihr dennoch als ausreichend.

2500 Hooligans verschwunden in der Planung?

Ungeklärt bleibt, wie viele Polizisten eingesetzt worden wären, wenn nur die 1500 Hooligans erschienen wären, die der Veranstalter ursprünglich angekündigt hatte. Denn nicht einmal der Minister kann erklären, warum im Einsatzbefehl drei Tage vor der Veranstaltung von 1500 Demonstranten die Rede ist - obwohl intern bekannt war, dass 4000 kommen würden.

Sind die 2500 Hooligans im Laufe der Planung einfach verschwunden? Ein "handwerklicher Fehler", sagt Wehe nun. Weiteres müsse die "Nachbereitung" des Einsatzes klären, sagt das Ministerium.

Wären im Fall von 1500 Hooligans nur ein paar Hundert Polizisten im Einsatz gewesen? Oder hat die Polizei sich früh auf 1300 Einsatzkräfte festgelegt, und dann nicht nach oben korrigiert, als sie ihre Schätzung auf 4000 Teilnehmer anhob, wie die Opposition mutmaßt? Sie würde Jäger gern stärker beschädigt sehen, er steht ohnehin schon wegen des Flüchtlingsskandals unter Druck.

Mit dem Wissen von heute mehr Beamte eingesetzt

"Quantitativ war das keine Fehleinschätzung", sagt Jäger. Lediglich die Brutalität der "eruptiven Gewalt" konnte nicht vorhergesehen werden. Fahrlässig sei das nicht. Eine seltsame Erklärung, schließlich sind Hooligans wie Rechtsradikale als gewaltbereit bekannt.

Jägers Verteidigung: "Mit dem Wissen von heute hätten wir mehr Beamte eingesetzt." Man habe nicht absehen können, dass diese Allianz so brutal sein würde. Sie besteht ihm zufolge aus drei Elementen: Aus Hooligans, Rechtsradikalen und einer Gruppe, die bisher weder mit der einen noch der anderen Gruppe zu tun hatte, nämlich Menschen, die "wegen allgemeiner Kriminalität auffällig wurden, vor allem Körperverletzung". Jäger meint Personen, die auf pure Gewalt aus seien statt auf Vereinsfarben oder Reichskriegsflaggen.

Hooligans, Neonazis, Schläger

Folgt man Jägers Argumentation, bedeutete das: Die Sicherheitsbehörden sind überfordert, wenn sich extreme Gruppen zusammenschließen. Ihnen fehlte offenbar die Phantasie, dass die Extreme der Hooligans und der Neonazis durch ein drittes ergänzt werden könnten: das, was Jäger "Schläger" nennt. Und dass diese Mischung das Gewaltpotential nochmals steigern könnte.

Das Eingeständnis mangelnder Vorstellungskraft - das ist das Maximum an Selbstkritik, das der Minister äußert.

Polizeiinspekteur Wege schlüsselt die Verdächtigen von Köln auf: 134 Strafverfahren laufen gegen 78 Personen. Von denen waren sieben bereits als "Straftäter rechts motiviert" von der Polizei erfasst, acht als politisch motivierte Straftäter, die aber aus der Erfassung gefallen sind, etwa wegen Löschfristen. Und acht Personen waren vor den Kölner Ausschreitungen als "Gewalttäter Sport" erfasst.

Wehe bestätigt auch die Berichterstattung des Spiegels über eine dramatische Szene auf der Demo: "Eine schwarzgekleidete und vermummte Person bedrohte Beamte in einer Polizeikette mit einem Faustmesser", aus etwa drei Meter Entfernung. Ein Beamter drohte mit der Hand an der Schusswaffe deren Gebrauch an. Die Person verschwand. Identifiziert werde sie vermutlich nie, sagt Wehe.

Jäger entwickelt am Ende doch noch ein bisschen Phantasie, und zwar der unheimlichen Sorte: "Was wäre, wenn es dem organisierten Rechtsextremismus gelänge, sich eine solche Bewegung zunutze zu machen?" Bei dieser Vorstellung wird sogar die Opposition kurz still.

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