Markt Indersdorf:Gebrannte Geschichte

Bayerns größter Backstein stammt aus der Indersdorfer Klosterkirche. Er wurde 1972 bei Grabungen für den Einbau einer neuen Heizung entdeckt. Das außergewöhnliche Exponat ist jetzt im Augustiner Chorherren Museum zu sehen

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Räume finden, Sammlerstücke aus Speicher und Keller holen und in eine Vitrine legen? Ganz so einfach ist es nicht, ein Museum zu gründen, das die Geschichte und Bedeutung einer Institution widerspiegelt, die für einen Ort identitätsstiftend ist. Diese Erfahrung hat auch der Indersdorfer Heimatverein gemacht. Mit Leidenschaft, Herzblut und Jahre langer ehrenamtlicher Arbeit ist es engagierten Bürgern gelungen, diesem Anspruch mit dem Augustiner Chorherren Museum gerecht zu werden. Die historischen Gebäude Mesnerhaus und Schneiderturm wurden saniert, wobei denkmalschützerische Belange eine große Rolle spielten. Spenden und Zuschüsse wurden eingesammelt, um das Projekt finanziell stemmen zu können. Und einige Exponate fanden nur durch die große Hartnäckigkeit der Ausstellungsmacher und die Hilfe von Politikern ihren Weg in das neue Museum. Jetzt aber ist die Museumslandschaft im Landkreis noch attraktiver geworden. Sie hat einen Ort hinzu gewonnen, der nicht nur die spannende Geschichte der Augustiner Chorherren erzählt, sondern auch den Bogen von der Gründung des Klosters bis zur jüngeren Zeitgeschichte spannt.

Das vor drei Wochen eröffnete Museum hat mit den Augustiner Chorherren ein Alleinstellungsmerkmal. Die Schau macht die Bedeutung des Chorherrenstifts für das Dachauer Land vom 12. bis ins späte 18. Jahrhundert deutlich. Denn das Kloster war nicht nur geistlich, wirtschaftlich und politisch bedeutend, sondern auch ein kulturelles und wissenschaftliches Zentrum. Als die Einrichtung 1783 wegen politischer Differenzen schon 20 Jahre vor der Säkularisation aufgehoben wurde, verfügte die Bibliothek über mehr als 6000 Bücher und 515 Handschriften. Die Schau befasst sich auch mit diesem Thema. An einer Wand ist eine raumhohe Kopie des Stichs aus der Propst-Mohrhart-Chronik angebracht, der die damalige Bibliothek abbildet. Viele Chorherren hatten auch ein Faible für die Wissenschaft und die Astronomie. In einem Raum der Ausstellung ist auf einem ebenfalls wandhohen Stich das physikalische Kabinett mit verschiedenen Geräten wie Sextanten oder Vakuumpumpe zu sehen. Die Chorherren beschäftigten sich mit den Anfängen der Elektrizität, Mechanik, Hydraulik und der Speicherung von Energie. "So hat es im Kloster ausgesehen", kommentiert Wolfgang Riedmair das riesige Bild, der neben Hans Kornprobst die Konzeption der Ausstellung maßgeblich gestaltete. Riedmair stellte auch die Exponate der Sternwarte zusammen, die sich am originalen Standort unter dem Dach des Schneiderturms befindet. Dort ist etwa eine Kopie des Beheim-Globus oder ein Planetarium ausgestellt, dessen Sternenhimmel an die Decke projiziert werden kann.

Markt Indersdorf: Ein neues Glanzstück der Dachauer Museumslandschaft: das Augustiner Chorherren Museum im Schneiderturm.

Ein neues Glanzstück der Dachauer Museumslandschaft: das Augustiner Chorherren Museum im Schneiderturm.

(Foto: Toni Heigl)

Natürlich veranschaulichen die gesammelten Exponate auch das klösterliche Leben und das seelsorgerische Wirken der Pröpste und Chorherren. Die Schau zeigt liturgische Gewänder und Geräte, Gemälde, Skulpturen und Grafiken, die Leben und Alltag der Chorherren widerspiegeln. jeder Raum widmet sich einem bestimmten Thema, etwa der Wallfahrt oder der Schule, welche die Salesianerinnen und die Barmherzigen Schwestern betrieben. Thema ist auch das International D.P. Children's Center, das erste internationale Kinderzentrum in der von den Amerikanern verwalteten Zone nach dem Zweiten Weltkrieg. Ärzte, Pädagogen und Sozialarbeiter der Vereinten Nationen betreuten hier vor allem jüdische Kinder, deren Eltern von den Nationalsozialisten verschleppt oder ermordet wurden. In der Ausstellung sind die Fotos von Kindern zu sehen, die im Oktober 1945 im Kloster waren.

Die Räume im Mesnerhaus und Schneiderturm sind individuell inszeniert. Einfache, kubische Vitrinen, direkt auf die Wände aufgemalte Schriftzüge und die Farben Gold, Dunkelrot und Dunkelblau bestimmen die Gestaltung. In einer Vitrine im ersten Raum des Museums ist ein maßstabsgetreues Modell der heutigen Klosteranlage zu sehen, darunter etwas versteckt ein Exponat, das Kornprobst zu den außergewöhnlichen Stücken des Museums zählt: Bayerns größter Backstein, der 1972 bei Grabungsarbeiten in der Klosterkirche geborgen wurde. Der Stein wurde wohl um das Jahr 1250 hergestellt. "Er ist eine kleine Sensation, weil es schwierig war, einen Stein dieser Größe zu brennen", sagt Kornprobst. Das gute Stück hat die Maße 74 mal 72 mal 13 Zentimeter. Nach seiner Entdeckung wurde es im Bauarchiv des Landesamts für Denkmalpflege in Thierhaupten deponiert. Als der Heimatverein den Stein 2010 zurück haben wollte, legten sich die Denkmalschützer quer. Ein erstes Schreiben der Indersdorfer blieb unbeantwortet, der nächste Versuch wurde mit der Begründung abgelehnt, der Zustand des Steins lasse einen Transport nicht zu. Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath schaltete Kunststaatssekretär Bernd Sibler ein. Das wirkte. Eine Woche vor der Museumseröffnung traf der Stein in Indersdorf ein.

Markt Indersdorf: Ein ziemlich großes Trumm; 74 mal 72 mal 13 Zentimeter: Bayerns größter Backstein gilt als handwerkliches Kunststück.

Ein ziemlich großes Trumm; 74 mal 72 mal 13 Zentimeter: Bayerns größter Backstein gilt als handwerkliches Kunststück.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die SZ stellt die wichtigsten Exponate des Augustiner Chorherren Museums in einer losen Serie vor.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: