Maximilianstraße:Warum das Modehaus Schlichting insolvent ist

Lesezeit: 2 min

Müttern mit Kinderwagen war der Weg bis zum Fachgeschäft Schlichting in der Maximilianstraße wohl oft zu weit, nun hat es Insolvenz angemeldet. (Foto: Stephan Rumpf)

Generationen von Eltern kauften hier Baby- und Kinderbekleidung. Nun ist das Modehaus Schlichting insolvent. Grund war der Umzug an die Maximilianstraße. Ein weiterer Ortswechsel soll nun die Rettung bringen.

Von Franziska Gerlach

Münchens erste Adresse für Baby- und Kindermode - das war das Fachgeschäft Schlichting in letzter Zeit offenbar nicht immer: Das Traditionshaus hat Insolvenz angemeldet. Wie das Unternehmen mitteilt, verlor man Kunden, seit das Geschäft vor drei Jahren in die Maximilianstraße 35 umgezogen war - direkt an den Altstadtring. Zuvor war Schlichting annähernd 40 Jahre lang in einem Altbau an der Weinstraße zu Hause.

Generationen von Eltern und Großeltern kauften hier ein, bis im Jahr 2011 der Mietvertrag auslief: Statt exklusiver Mode für den Nachwuchs findet der Kunde in dem zwischenzeitlich sanierten Gebäude heute Kinderkleidung für einen Bruchteil des Preises, hergestellt vom schwedischen Textilkonzern H&M.

Bei Schlichting hat letztlich zur Krise geführt, dass bei sinkenden Umsätzen die Miete für die etwa 1300 Quadratmeter große Verkaufsfläche an der Maximilianstraße zu hoch war. "Diese Schere zu schließen, ist der Geschäftsleitung trotz eingeleiteter Sanierungsmaßnahmen und intensiver Gespräche mit dem Vermieter nicht gelungen", teilt die Firma mit.

Neuer Umzug soll die Rettung bringen

Um an die Erfolge vergangener Tage anzuknüpfen, will Schlichting nun ein weiteres Mal umziehen. "Der Plan ist, eine frequentiertere Lage in der Münchner Innenstadt zu finden", sagt Andreas Fichtner. Dem Prokuristen von Schlichting ist bewusst, dass freie Immobilien in zentraler Lage in München Mangelware sind. Insofern sei die Suche ein Kampf gegen die Zeit. "Wir sind aber guter Dinge und haben mit unserem Insolvenzverwalter einen entsprechenden Partner", sagt Fichtner.

Während der Phase der vorläufigen Insolvenz, in der sich das Unternehmen befinde, seit der Antrag beim Amtsgericht eingereicht wurde, übernehme die Agentur für Arbeit die Gehaltszahlungen für die 18 Mitarbeiter. Entlassungen solle es keine geben, sagt der Prokurist.

Trotz der Schieflage dürfte es den Kunden am späten Samstagvormittag kaum aufgefallen sein, wie es um Schlichting steht: Die Mitarbeiter verrichten ihre Arbeit freundlich und professionell. Als ein kleines Mädchen mit seiner Mutter das Geschäft betritt, läuft es zielsicher auf ein cremefarbenes Spitzenkleid zu.

An der Kasse nimmt eine blonde Frau mit Louis-Vuitton-Tasche am Arm und einer Kundenkarte in der Hand gerade ihre Einkäufe entgegen - nur wenige Meter und eine Schaufensterscheibe trennen sie von den Autos, die hinter ihr über den Altstadtring brettern.

Eröffnung des ersten Geschäfts war im Jahr 1932

Diesen Standort an der Maximilianstraße hält auch Wolfgang Fischer vom Händlerverband "City-Partner" für wenig geeignet: Immerhin befinde sich die nächste Tiefgarage erst in einiger Entfernung an der Oper. "Das ist einer Mutter, die mit dem Kinderwagen unterwegs ist, unter Umständen zu weit", sagt Fischer. Überdies höre er immer wieder von Anwohnern, dass im hinteren Teil der Maximilianstraße weniger los sei, seit es das Café Roma dort nicht mehr gibt.

Den Geschäftsbetrieb von Schlichting führt nun Michael George fort, den das Münchner Amtsgericht zum vorläufigen Insolvenzberater bestellt hat. Der Rechtsanwalt der Kanzlei Lecon vertraut darauf, dass der gute Ruf des Traditionshauses Schlichting aus der Misere führen wird. Ihm sei in München noch niemand begegnet, der Schlichting nicht kenne, sagt George. Auch durch die jüngsten Ereignisse sei der Name seines Erachtens "nicht verbrannt".

Im Jahr 1932 hat Walter Schlichting in der Sonnenstraße ein Geschäft eröffnet, in dem zunächst Korb- und Gartenmöbel, Kinderwagen und Haushaltswaren verkauft wurden. Als die Geschäfte im Jahr 1966 an die Stuttgarter Familie Mayer übergingen, die das Unternehmen heute in dritter Generation führt, ergänzte sie das Sortiment um Textilien und Möbel für Kinder.

Wer sich die hochpreisige Markenware leisten konnte, hatte vom Kinderwagen bis zum Babybettchen die komplette Erstausstattung zur Auswahl. Die weniger solventen Bürger begnügten sich mit einer Rassel oder einem Strampler. Doch wenigstens ein, zwei Teile von Schlichting mussten schon sein, wenn ein Münchner Kindl auf die Welt kam. Auch wenn zuletzt weniger Kunden kamen.

© SZ vom 24.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: