UN-Bericht zum Menschenhandel:Das Leid von 40 000 Sklaven

  • Ein Drittel der Opfer von Menschenhandel ist minderjährig, schätzt das UN-Büro zur Drogen- und Verbrechensbekämpfnung (UNODC) in einem am Montag veröffentlichten Bericht.
  • Die Opfer stammen vor allem aus Afrika, Süd- und Ostasien sowie Osteuropa und werden nach Westeuropa, Nordamerika und auf die Arabische Halbinsel geschleust.
  • 70 Prozent der Opfer sind Frauen, aber auch Jungen und Männer sind von Menschenhandel betroffen. Nur wenige der Täter werden verurteilt.
  • Das Problem ist vermutlich noch viel größer. Viele Krisenstaaten werden in der Studie nicht berücksichtigt.

Von Robert Gast

Sie verlassen ihre Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben - und werden in der Ferne als Zwangsarbeiter oder Sexsklaven missbraucht. Jedes Jahr erleiden weltweit zehntausende Menschen dieses Schicksal. Und offenbar zählen immer mehr Kinder zu den Opfer von organisiertem Menschenhandel. Das ist die zentrale Botschaft eines Berichts, den das UN-Büro zur Drogen- und Verbrechensbekämpfnung (UNODC) am Montag in Wien vorgestellt hat.

Demnach war zwischen 2010 und 2012 ein Drittel (33 Prozent) der dokumentierten Opfer von Menschenhandel minderjährig. Im Zeitraum 2007 bis 2010 waren es noch 28 Prozent.In Afrika ist die Zahl der minderjährigen Opfer deutlich höher: Hier sind 62 Prozent der Menschen, die verschleppt werden, noch Kinder. In europäischen und zentralasiatischen Ländern sind es dagegen 18 Prozent. Mehr als 70 Prozent der Opfer weiblich. Aber auch Männer und Jungen geraten in die Fänge von Menschenhändlern. "Der Trend zu Buben hat seit 2004 zugenommen", heißt es in dem Bericht.

40177 Schicksale aus 152 Ländern

Ob die Gesamtzahl der vom Menschenhandel betroffenen Personen zu- oder abgenommen hat, wagt der Bericht nicht abzuschätzen. Insgesamt sind in dem UN-Bericht 40177 Schicksale aus 152 Ländern dokumentiert, die in 124 Ländern ihr Leben fristen. Demnach stammen die allermeisten Opfer aus Süd- und Ostasien, Afrika, Osteuropa und Südamerika. Illegale Schleuser bringen sie vor allem nach in Zentraleuropa, Nordamerika oder auf die Arabische Halbinsel.

Mehr als die Hälfte der verschleppten Menschen wird dem Bericht zufolge als Sexsklaven ausgebeutet, etwa 40 Prozent muss Zwangsarbeit leisten. 0,3 Prozent werden Organe entnommen, welche die Menschenhändler anschließend verkaufen. Gleichzeitig werden nur wenige Täter gefasst. Zwar ist Menschenhandel in den allermeisten Ländern, die Daten an das UNODC geliefert haben, verboten. Aber von 34000 Angeklagten wurden in den Jahren 2010 bis 2012 lediglich 13000 verurteilt, so der Bericht.

Das Bild ist unvollständig

In knapp der Hälfte der Länder komme es jährlich zu weniger als zehn Verurteilungen wegen Menschenhandels. 15 Prozent der Nationen haben überhaupt kein entsprechendes Urteil gefällt - dabei sind sich die UN-Experten sicher, dass es in so gut wie jedem Land Menschenhändler gibt. "Trotz Fortschritten in der Gesetzgebung kommt es immer noch nur selten zu Verurteilungen", heißt es in dem Bericht.

Die nun präsentierte Studie ist vollständiger als vergangene Erhebungen. 510 Routen der Menschenhändler konnten die Ermittler mittlerweile offenlegen. Doch nach wie vor bleiben große Lücken: Aus vielen Ländern liegen keine Daten vor, insbesondere aus Krisenstaaten in Nord- und Ostafrika wie Sudan, Lybien und Somalia, aber auch die Situation in Iran, Irak, Saudi Arabien und Syrien bleibt im Dunkeln.

Die im Bericht vorgestellten Zahlen seien nur jene, bei denen ein Vergehen gemeldet wurde, sagte UNODC Direktor Yury Fedotov. "Es ist offensichtlich, dass das Ausmaß moderner Sklaverei noch viel gravierender ist." Insgesamt lebten immer noch zwei Milliarden Menschen in Ländern, die nur einen sehr ungenügenden Schutz vor Menschenhandel böten.

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