Designhauptstadt Kapstadt:Farbe den Hütten

Kapstadt, Design, Südafrika

Streetart im Township Langa.

(Foto: Coffeebeans Routes)

Kapstadts Townships haben den Armutstourismus satt. Sie wollen stattdessen mit Design und Kunst ihre Gäste ansprechen - und das Leben in der Stadt nachhaltig verändern.

Von Laura Weißmüller

Die Bilder sind nicht groß. Aber der Eindruck ist es, den sie hinterlassen. Der Künstler hat mit festem Pinselstrich seine Figuren auf die Leinwand gewischt. Dicke Frauen, kleine Kinder, zwei alte Männer, wie sie vor einem weißen Auto sitzen. Es sind keine besonders spektakulären Szenen, doch die kleinen Ölgemälde haben etwas seltsam Strahlendes, fast Surrealistisches. 1300 Rand soll eines kosten, knapp 100 Euro. Nicht viel für ein Gemälde dieser Art - und doch vermutlich ein kleines Vermögen für die Bewohner, in deren Wohnzimmer die Bilder hängen. Denn es ist keine schicke, weiße Galerie, die diese Kunst hier ausgestellt. Sondern ein winziges Häuschen in Langa, der ältesten Township von Kapstadt.

Kaum ein Ort Südafrikas dürfte immer noch so von der Apartheid gezeichnet sein wie Kapstadt. 20 Jahre nachdem Nelson Mandela über das menschenverachtende System gesiegt hat, residiert unter dem Tafelberg das alte Geld, hinter hohen Mauern in cremefarbenen Anwesen oder gleich in edlen Weingütern. Auch die Innenstadt, das City Bowl, gehört der weißen Oberschicht. Der Großteil der etwa 3,7 Millionen Bewohner Kapstadts dagegen ist schwarz und lebt in Townships. Die einzelnen unterscheiden sich stark, doch wirklich wohnen möchte man in keiner. Es gibt so gut wie keinen öffentlichen Nahverkehr und oft auch keine richtige Kanalisation. Ganz zu schweigen von schönen Plätzen, beeindruckenden Bauten, urbanen Anziehungspunkten und vor allem: einer vernünftigen Verbindung zu den anderen Stadtteilen. Das System, das schon so lange als überwunden gilt, hat sich fest einbetoniert. In Kapstadt trennen Straßen, Zuglinien und Brücken, anstatt zu verbinden.

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Design soll das nun ändern. Bis Ende Dezember darf sich Kapstadt Designhauptstadt nennen. Ein Titel, den die weltweite Vereinigung von Industriedesignern Icsid alle zwei Jahre an Metropolen vergibt, die zeigen wollen, dass Design auch etwas anderes sein kann als schön Geformtes für zu Hause. Dass es tatsächlich dabei helfen kann, gesellschaftliche, soziale und ökologische Veränderungen voranzutreiben. Vor zwei Jahren nannte sich Helsinki World Design Capital (WDC) und machte vor, wie Design bei der Planung komplett neuer Stadtviertel helfen kann. Ein Jahr reicht dafür nicht. Viele Projekte, die 2012 initiiert wurden, gibt es bis heute. Design Driven City nennt sich die finnische Hauptstadt zwei Jahre nach der Auszeichnung stolz.

Das Baby schreit, nebenan kocht eine Frau

Etwas Ähnliches schwebt auch Kapstadt vor. Die südafrikanische Metropole will mit Design die eigenen Grenzlinien überwinden. Dass diese urbane Herkulesaufgabe nicht in zwölf Monaten zu vollbringen ist, war von Anfang an klar. Es ging darum, die Trennung erst einmal sichtbar zu machen und sich dann Schritt für Schritt anzunähern. "Live Design. Transform Life" lautet Kapstadts Motto für dieses Jahr. Nicht alle sind damit zufrieden. Doch was der Titel, der so stolz auf den quietschgelben Fahnen im City Bowl und am Flughafen flattert, wirklich bringt, wird sich wohl erst in ein paar Jahren zeigen. Dafür ist jetzt schon sichtbar: Design kann Brücken bauen - und es macht großen Spaß, diese zu betreten.

Zum Beispiel bei der Maboneng Township Arts Experience. Wer sich unter maboneng.com anmeldet, bekommt eine fachkundige Führung durch die erste "Galerie-Straße" in Langa. Uns zeigt eine junge Township-Bewohnerin, Xola, die zehn bunt bemalten Häuschen. "Es ist wichtig, endlich das Stigma loszuwerden", sagt die 19-Jährige. Gerade hat sie die Highschool beendet, eigentlich will sie Physiotherapeutin werden. Doch heute ist sie Organisatorin, Guide und Galeristin in einem. Sie informiert die Bewohner über den kunstinteressierten Besuch, kassiert die 100 Rand für die Tour, weiß über die Biografie der Künstler - allesamt Township-Bewohner aus Kapstadt - Bescheid und regelt, bei Interesse, auch den Verkauf eines Bildes. Ausstellungsraum ist immer das Wohnzimmer. Zwangsläufig bekommt da der Besucher Einblicke in das Leben der Bewohner. Mal schreit ein Baby, in einer winzigen Küche kocht eine Frau, dazu grölt Hip-Hop aus einem alten Fernsehapparat. Bei allen sind die Sofas in Plastik eingeschweißt. Fleckenschutz fürs beste Stück im Haus. Die familiäre Enge, auch die Armut der Bewohner sind nicht zu übersehen. Und trotzdem: Im Fokus steht hier die Kunst.

"Das Arme-Leute-Repertoire reicht nicht"

"Auch eine Township braucht etwas, das interessant und sexy ist", sagt Tony Elvin. Der Londoner war 2004 zum ersten Mal in Kapstadt, im Winter 2007 zog er hierher. Vermutlich wie all die Heerscharen von Modefotografen angelockt vom warm gleißenden Licht, das in den Wintermonaten das Kap so göttlich leuchten lässt. Eigentlich wollte Elvin nie nach Langa, in London hat er für den Starkoch Jamie Olivier gearbeitet, doch jetzt setzt er alles daran, aus dem Quartier, das Ende der zwanziger Jahre für schwarze Minenarbeiter entstand, ein In-Viertel zu machen. "iKhaya leLanga" nennt sich seine Vision.

"Das Arme-Leute-Repertoire reicht nicht", sagt Elvin in einem ehemaligen Schulgebäude gegenüber den Galerien. Er hat die Foto-Safaris satt, auf denen Touristen mit Bussen in die Viertel mit besonderem Township-Chic fahren, Bilder der windschiefen Behausungen schießen, ein, zwei Dollar Trinkgeld dem Nächstbesten in die Hand drücken und erleichtert aufatmen, wenn der Bus sich wieder gen Hotel aufmacht. "Die Menschen brauchen einen wirklichen Grund, warum sie hierherkommen wollen", sagt Elvin. Wie der aussehen könnte, das zeigen die bunten Zeichnungen an der Wand hinter ihm. Dutzende Entwürfe von Kunstmuseen sind darauf zu erkennen. Eins erinnert an ein Tipi, das andere eher an eine Ansammlung kleiner Iglus. Der Wahl-Kapstädter hat einen Architekturwettbewerb für ein Ausstellungsgebäude im großen Schulhof lanciert. Außerdem möchte er an die Jazz-Tradition von Langa anknüpfen. Er plant einen Club, nur dass diesen dann nicht nur Schwarze, sondern auch Weiße besuchen. Genauso wie das Restaurant, das Elvin vorschwebt, und die Bar, wo sich entspannt ein Sundowner nehmen lässt. Bislang: Zukunftsmusik. Alfred Magwaca, der in Langa das kleine Museum zur Geschichte des Viertels leitet, antwortet auf die Frage, was er sich für Langa wünscht: "Ein Krankenhaus und eine Shoppingmall." Der Visionär dürfte hier noch auf viele Pragmatiker treffen.

Doch allein ist Tony Elvin nicht mit seinem Wunsch, in Townships etwas zu schaffen, das Bewohner wie Touristen gleichermaßen anzieht und die so lange getrennten Stadtteile miteinander verbindet. In vielen Vierteln entwickelt sich gerade etwas, das man in Kapstadt bislang nur in weißen Bezirken kannte. So hat mitten in Khayelitsha, der zweitgrößten Township der Stadt, vor zwei Jahren "The Department of Coffee" aufgemacht. Ausgebildete Baristas reichen hier aus Fenstern mit rot lackierten Rahmen perfekt geschäumten Latte macchiato und Cappuccino to go. Wer mehr Zeit hat, sitzt an kleinen Tischen auf liebevoll selbstgebauten Hockern. In der Innenstadt nichts Ungewöhnliches, doch für einen Stadtteil wie Khayelitsha geradezu eine Sensation. Der Boom in der Gastronomie, den das Land genauso wie die teuren und heute überwiegend nutzlosen Stadien der WM 2010 verdankt, hat die Townships erreicht. Und wer sich die Gäste ansieht, merkt: auch essen verbindet.

Bestes Beispiel dafür ist Yondela's Shack Fusion Kitchen. Wer zu dem Restaurant will, ruft bei dem Koch persönlich an und fährt dann auf dem Weg an einem der schönsten Weinanbaugebiete in der Provinz Westkap vorbei, Stellenbosch. Tiefes Grün vor sattblauen Bergen, Postkartenmotive im Endlosquerformat. In einem der eleganten Weingüter hat Yondela Tyawa sein Handwerk gelernt. Jetzt empfängt der Mann mit dem feinen Oberlippenbart und der Glatze in der Edelversion einer Wellblechhütte. Studenten der nahen Stellenbosch University haben ihm aus recycelten Materialien das Haus in der Township gebaut. Im Gegensatz zu den benachbarten Gebäuden hat es Strom und eine Toilette, außerdem ist es isoliert - in Südafrika, das weiß man spätestens seit der WM 2010, kann es in unseren Sommermonaten empfindlich kalt werden, jetzt im Winter steigen die Temperaturen.

Auch Tyawa hat heute mehrere Rollen: Zum einen serviert er in dem gemütlichen Raum ein fein durchkomponiertes Drei- Gänge-Menü. Zum anderen will er mit dem Haus zeigen, das ein Leben jenseits der unisolierten Wellblechhütte möglich ist. Sein Haus kostet 60 000 Rand, 4400 Euro, erschwinglich selbst für die Menschen hier, von denen die meisten in den Weinanbaugebieten arbeiten. Außerdem produziert das Gebäude seinen Strom selbst. iShack nennt sich dieses Uniprojekt, das zeigen will, wie Unterkünfte für Ärmere kostengünstig, aber auch umweltfreundlich gebaut werden können.

Was das alles mit Design zu tun hat? Viel. Denn wie wir wohnen, was wir essen und welchen Job wir haben, dürfte unser Leben mehr prägen als all die hübschen Dinge aus den Hochglanzmagazinen.

Informationen

Anreise: z. B. mit South African Airways von Frankfurt über Johannesburg nach Kapstadt, hin und zurück ab etwa 900 Euro, www.flysaa.com

Unterkunft: Charmant ist die Villa Zest in Green Point. Das Haus im Bauhaus-Stil ist angenehm schlicht eingerichtet und hat sieben Zimmer. DZ mit Frühstück ab 110 Euro, www.villazest.co.za

Designtouren: Alle im Text erwähnten Orte kann man problemlos auf eigene Faust besichtigen. Wer es lieber organisiert mag, der sollte eine Tour bei Coffeebeans Routes buchen, alle Mitarbeiter sind leidenschaftlich bei der Sache, www.coffeebeansroutes.com. Yondelas Shack-Küche: Tel.: 00 27/7 86 48 85 99

Weitere Auskünfte: www.dein-suedafrika.de, www.wdccapetown2014.com

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