Trennung von Verteidigungsminister Hagel:Obama allein auf der Insel

Barack Obama

US-Präsident Barack Obama trennt sich von Verteidigungsminister Chuck Hagel.

(Foto: AP)

Zu zögerlich und von vielem überrascht: Die Kritik an Amerikas Außenpolitik hält seit Monaten an. Nun feuert der US-Präsident seinen Verteidigungsminister. Chuck Hagel wirkte mitunter überfordert, doch sein Abschied dürfte noch einen anderen Grund haben.

Eine Analyse von Matthias Kolb, Washington

Chuck Hagel ist zeit seines Lebens Soldat geblieben. Er kämpfte in Vietnam, wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet und verdiente später mit Mobiltelefonen ein Millionenvermögen. Die Bürger von Nebraska schickten den Republikaner als Senator nach Washington. Im Verteidigungsausschuss freundete sich Hagel mit einem jungen Politiker aus Illinois an - es war Barack Obama, der Hagel im Januar 2013 zum Verteidigungsminister machte.

Dieses Amt ist Hagel bald los: Der US-Präsident bildet sein Kabinett um und will in der Sicherheitspolitik neue Akzente setzen. Obama lobte den 68-Jährigen bei der Pressekonferenz so überschwänglich, dass es fast verwunderte, dass er Hagels Rücktritt überhaupt angenommen hat. Denn Obama zufolge hat Hagel selbst "bei der Diskussion über die letzten Jahre meiner Präsidentschaft" festgestellt, dass er seine Ziele erreicht habe und sein Amt niederlegen wolle.

Hagel spielte - ganz Soldat - bei dieser Inszenierung mit, doch seine Abschiedsrede war deutlich emotionaler ("ich werde für immer dankbar sein, dieses Amt anvertraut bekommen zu haben"). Bei der Pressekonferenz wirkte der Republikaner nicht wie ein Politiker, der mit sich im Reinen ist und nun mehr Zeit mit seiner Familie verbringen will. Auch die Miene von Joe Biden zeigte eindeutig, dass der Vizepräsident weiter gerne mit seinem altem Freund aus Senats-Tagen zusammengearbeitet hätte. Für ihn scheint Hagel weiter der geeignete Mann zu sein, um als Verteidigungsminister unter anderem Amerikas Kampf gegen die IS-Miliz zu verantworten.

Doch Obama sieht das anders; offenbar möchte er gerade im Nahen Osten seine Strategie ändern. "Wir müssen einen neuen Schwerpunkt setzen", sagte ein anonymer Regierungsmitarbeiter der New York Times wenige Stunden vor dem Rücktritt. Deutlicher äußerte sich - ebenfalls im Schutze der Anonymität - ein hoher Beamter bei NBC über Hagel: "Er war nicht gut genug für den Job."

Obama setzt weiterhin auf seine engsten Vertrauten

Seit Anfang Oktober war darüber spekuliert worden, dass Obama die Mannschaft für seine Außen- und Sicherheitspolitik verändern werde - Ähnliches hatte George W. Bush 2006 getan, als er unter anderem Donald Rumsfeld als Pentagon-Chef entließ. Besonders hart kritisiert David Rothkopf, der Herausgeber von Foreign Policy, den Präsidenten: Obama umgebe sich nur mit Gleichgesinnten, die ähnlich denken würden wie er. Offene Debatten fänden nicht statt.

Hagel sei nur ein "Opferlamm", während Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice und sein Stabschef Denis McDonough weiter im Amt bleiben würden. Deswegen, so Rothkopfs Argumentation, werde sich an Obamas zögerlicher Außenpolitik auch kaum etwas ändern.

Auch andere Beobachter sehen einen Trend bestätigt: Ein enger Zirkel aus Obama-Vertrauten wacht streng über alle Entscheidungen des Militärs und der jeweiligen Ministerien und bezieht die anderen Mitglieder seines Kabinetts nicht ein. Wer keinen Zugang zu dieser "Insel der Entscheider" habe, bleibe einflusslos. Die New York Times berichtet, dass sich Obama gegen die Idee gesperrt habe, Rice oder McDonough zu entlassen - beide beraten ihn in außenpolitischen Fragen seit seiner Präsidentschaftskandidatur.

Da Außenminister John Kerry gerade mitten in den schwierigen Nuklearverhandlungen mit Iran stecke, habe sich Obama "für das einfachste Opfer" entschieden, zitiert die NYT eine anonyme Quelle aus dem Weißen Haus. Hagel mag zwar ähnlich wie Obama die Irak-Invasion von George W. Bush kritisiert haben und den Einsatz von US-Soldaten im Ausland skeptisch sehen - dass er aber die Syrien-Politik von Sicherheitsberaterin Rice in einem öffentlich gewordenen Memo kritisiert hatte, half ihm nicht und verringerte sein Ansehen.

Anders als sein Vorgänger Bush leitet Obama keinen grundlegenden Kurswechsel ein und wagt es nicht, altgediente Vertraute rauszuwerfen und sich mit neuen Beratern zu umgeben, die womöglich neue Vorschläge machen.

Wer künftig das Pentagon leiten könnte

Den Vorwurf, dass Obama dem eigenen Militär misstraue und vor allem die Kriege in Afghanistan und Irak besonders schnell beenden und die US-Soldaten nach Hause holen wollte, hatten zuvor die früheren Verteidigungsminister Robert Gates und Leon Panetta in ihren jeweiligen Memoiren geäußert.

Gewiss: Verglichen mit Gates und Panetta verfügte Hagel nicht über die nötige Erfahrung, das riesige Verteidigungsministerium zu führen. Im Alltagsgeschäft fiel Hagel so wenig auf, dass er als "unsichtbarer Mann" galt und selbst hochrangige Pentagon-Mitarbeiter nicht wussten, welche Meinung Hagel bei bestimmten Themen vertrat. Zudem war seine Hauptaufgabe, das Ende der Kampfeinsätze zu organisieren und Amerikas Militär auf eine Zukunft mit niedrigeren Budgets vorzubereiten, alles andere als einfach. Zuletzt zierte ein Heftplaster Hagels Wange - für die Verletzung war eine Schranktür verantwortlich, doch das weiße Pflaster passte zur Glücklosigkeit des einzigen Republikaners im Kabinett Obamas.

John McCain freut sich auf eine Abrechnung mit Obamas Politik

Die Freundschaft zwischen den Ex-Senatoren scheint aber nicht endgültig zerstört zu sein. Der treue Soldat aus Nebraska wird so lange im Amt bleiben, bis sein Nachfolger bestimmt und vom Senat angenommen wird.

Als mögliche Nachfolger werden zurzeit vor allem zwei Namen genannt. Michèle Flournoy, die ehemalige Unterstaatssekretärin, wäre die erste Frau an der Spitze des Pentagons. Ashton Carter, ein weiterer Kandidat, lehrte zunächst an der Harvard-Universität, bevor er in die Politik ging und zuletzt Vizeverteidigungsminister war. Beide gelten als exzellente Kenner der Materie mit viel Organisationserfahrung, doch es ist unklar, ob Obamas Team im Weißen Haus einem von ihnen mehr Eigenständigkeit zugestehen wird.

Bisher ist nicht abzusehen, wann der US-Präsident einen Kandidaten benennt und ob dieser oder diese noch in diesem Jahr vom zuständigen Senatsausschuss angehört wird. So oder so erwartet den Pentagon-Chef in spe eine unangenehme Befragung. Denn nach dem Sieg der Republikaner bei der Kongresswahl wird künftig jener Mann den Verteidigungsausschuss leiten, der die Außenpolitik des Weißen Hauses am lautesten kritisiert. Es ist John McCain, der 2008 selbst ins Weiße Haus einziehen wollte.

Selbst wenn McCain den Bewerber für Hagels Nachfolge für kompetent halten sollte: Das Vergnügen, die Anhörung zur Abrechnung mit Obamas Sicherheits- und Außenpolitik zu machen, lässt sich der Republikaner aus Arizona ganz sicher nicht entgehen.

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