"Pille danach":Ein Schritt in Richtung Vernunft

Pille danach

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA empfiehlt, die Pille danach künftig ohne Rezept abzugeben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Union und ihr Gesundheitsminister wollten die Pille danach unbedingt verhindern. Doch Brüssel hat die verqueren Moralvorstellungen der Partei durchkreuzt: Frauen müssen sich nicht länger bevormunden lassen.

Kommentar von Guido Bohsem

Manchmal braucht es Brüssel, um Berlin auf die Sprünge zu helfen, wenn sich dort die Vernunft nicht einstellen will. Denn nichts anderes als eine europäische Entscheidung wird dafür sorgen, dass künftig auch hierzulande Frauen die "Pille danach" erhalten können, ohne zuvor einen Arzt aufgesucht zu haben. Der europäische Arzneimittelausschuss hält erwachsene Menschen für so vernünftig, dass sie mit einem solchen Präparat verantwortungsbewusst umgehen können - auch Menschen in Deutschland.

Die beiden Unionsparteien sind dafür verantwortlich, dass dies den Frauen und Männern in der Bundesrepublik bislang nicht zugetraut wurde. Obwohl von der Weltgesundheitsorganisation bis hin zum Bundesinstitut für Arzneimittel so ziemlich jede Expertengruppe dafür plädiert hatte, die "Pille danach" freizugeben, hatten die Konservativen Bedenken. Schließlich handele es sich nicht um Smarties, lautete ein Argument. Das trifft auch auf Aspirin oder Paracetamol zu, die bei falscher Anwendung und Überdosierung schwere Magenprobleme oder Nierenschäden verursachen können. Trotzdem kann man sie in der Apotheke kaufen.

Die angeblichen gesundheitlichen Risiken mögen für CDU und CSU ein Grund zur Besorgnis gewesen sein. Doch das war nicht der wesentliche Grund. In Wahrheit dürfte den christlich-konservativen Politikern das Thema prinzipiell gegen den Strich gehen. Auch wenn sie es öffentlich nicht sagen: Sie sehen die "Pille danach" als weiteren Schritt zu einer allzu lockeren Sexualmoral und fürchten ganz generell um die guten Sitten. Nicht von ungefähr weisen katholische Krankenhäuser immer wieder mal aus Prinzip Frauen ab, die sich dort wegen eines Rezepts für die "Pille danach" beraten lassen wollen.

"Recht schäbig wirkende Rückzugsgefechte"

Doch ist die Sorge über den moralischen Verfall völlig aus der Luft gegriffen. In Frankreich, Belgien und in den Niederlanden gibt es die "Pille danach" schon jetzt rezeptfrei und weder hat sich Paris in Sodom noch Amsterdam in Gomorrha verwandelt. Sondern auch dort wird die Pille danach vor allem als Verhütungsmittel genommen, wenn die anderen Verhütungsmittel versagt haben - sei es aus Leichtsinn oder Unkenntnis. Vergessen sollte man auch nicht, dass die "Pille danach" Opfer von Vergewaltigungen vor einer Schwangerschaft schützen kann.

Wenn die Union nun Beratungsprotokolle für die Apotheker einfordert oder darauf hinweist, dass die nicht verschriebene "Pille danach" nicht von den Krankenkassen bezahlt wird, so sind das verständliche, aber letztlich auch recht schäbig wirkende Rückzugsgefechte. Jeder seriös arbeitende Apotheker dürfte sich seiner Verantwortung ohnehin bewusst sein. Schließlich sind frei verkäufliche Arzneimittel keine Neuheit für die Pharmazeuten.

Die Union sollte damit aufhören, die Frauen aus moralischen Gründen für unmündig zu erklären. Die Frauen können über ihre Verhütung sehr gut und vernünftig selbst entscheiden, am besten gemeinsam mit ihrem Partner.

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