Gefälschte Twitter-Accounts:Wenn die Queen #ZeitfürGin verkündet

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Die Echte Queen Elizabeth - oder eine Schauspielerin? In einem Kiofilm verkörperte Helen Mirren die britische Königin. Längst hat die Monarchin auch bei Twitter kreative Nachahmer. (Foto: imago stock&people)

Viele Prominente nutzen den Kurznachrichtendienst Twitter. Bisweilen stammen ihre Botschaften allerdings von Parodisten. Manche Fake-Stars twittern authentischer als die Originale. Bei anderen wird es einfach nur peinlich.

Von Johannes Boie

Niemals vergisst die Königin von England ihre Untertanen. Sie weiß, dass es die Menschen außerhalb des Buckingham Palace auch nicht leicht haben, und sie tut alles, um den Schmerz des Alltags zu mindern. Am 3. Oktober empfahl sie ihrem britischen Volk zum Beispiel, einfach mal die Arbeit ruhen zu lassen: "Jetzt reicht's für die Woche. Macht heute früher Schluss. Falls jemand fragt, sagt einfach, ich hätte es erlaubt." Es war noch nicht mal fünf Uhr am Nachmittag, als die Queen das schrieb. An ihren Tweet hing sie #ZeitfürGin an. Die Untertanen dankten ihrem Staatsoberhaupt den etwas frühen Start ins Wochenende mit 1354 Retweets, also einer Weiterverbreitung ihrer Twitter-Nachricht.

Kann aber die Dame, die 21 Tage später eine Museumseröffnung auf die denkbar langweiligste Art ankündigte, dieselbe sein? "Ein Vergnügen" sei es, die Ausstellung "Das Informationszeitalter" zu eröffnen, schrieb die Monarchin. Von Spaß haben und das Leben nicht so ernst nehmen kam diesmal kein Wort. Und von Gin war keine Rede mehr. Wo ist der Unterschied?

Tatsächlich handelt es sich um zwei unterschiedliche Personen. Elizabeth II. reiht sich ein in eine lange Reihe von Prominenten, die auf Twitter von irgendwelchen Menschen nachgemacht werden. Die Monarchin hat zur Ausstellung getwittert. Die liebenswürdige Obermutter der Nation hingegen ist eine Parodie, die auf Twitter unter @Queen_UK betrieben wird.

Die Grenzen zwischen Satire und Niedertracht sind fließend

Die Grenzen zwischen Parodie und Satire auf der einen, Verleumdung und Niedertracht auf der anderen Seite sind bei diesen Späßen fließend. Gut zu lachen haben diejenigen, die mitlesen. So ist das mit der Parodie seit Homer, sie zieht sich durch Jahrhunderte und Kunstformen. Auf Twitter wächst sie zu einem neuen Höhepunkt.

Denn erstens erfordert es kaum Aufwand, einen gefälschten Account auf Twitter zu betreiben. Zweitens lassen sich Original und Parodie dort oft nur schwer unterscheiden, und jemanden dauerhaft zu parodieren ermöglicht unterschiedliche Formen von Komik und Tragik. Eine Parodie auf Twitter ist viel näher dran an einer Fälschung als etwa eine im Theater, weil ein Tweet halt zunächst mal wie ein authentischer Tweet aussieht, Äußerlichkeiten können in diesem Fall die Fälschung nicht verraten, es sei denn, der Parodierte ist bereits verstorben. Twitter verlangt von seinen Nutzern keine Ehrlichkeit im Anmeldeprozess. Das Unternehmen versucht lediglich, echte, geprüfte Accounts durch einen blauen Haken hervorzuheben. Die Parodien schaden dem Unternehmen nicht.

Deshalb werden Parodien auf Twitter immer wieder mit ihren Opfern verwechselt. Situationen, die ihren Schöpfern vermutlich das Gefühl schenken, das ein Kunstfälscher empfindet, dessen Krakelei als Picasso über den Auktionstisch geht. Der Twitteraccount @bonitotv, der zwar eine Art Harald-Schmidt-Humor verbreitet, aber nicht von Harald Schmidt ist, wurde dem Entertainer in Berichten mehrfach zugeschrieben. Pech für die Journalisten. Jüngstes Beispiel: Die DPA verkündete den Wechsel von Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel zu früh. Sie war auf den Account @ScuderiaFerrarl hereingefallen, der sich nur um einen Buchstaben vom offiziellen Ferrari-Account unterscheidet.

Bitter ging eine Verwechslung auch für Jeff Jarvis aus. Dem Autor von "Was würde Google machen", der selbst minütlich als @jeffjarvis die Anzahl seiner Follower checkt, wird auf Twitter von der Parodie @profjeffjarvis der Spiegel vorgehalten, indem Jarvis' Liebe für die neue, digitale Welt überzeichnet wird. Leider ist Jarvis kaum weniger wahnsinnig als seine Parodie. Der Philosoph und Mathematiker Nassim Taleb hielt es deshalb neulich für möglich, sich mit dem echten Jarvis zu unterhalten, während er sich tatsächlich öffentlich mit dem Parodie-Account unterhielt. Falls man in dem Zusammenhang von einer "Unterhaltung" sprechen möchte.

Taleb zum vermeintlichen Jarvis: "Du bist ein beschissener Scharlatan, der die intellektuelle Szene vergiftet." Am Ende klärte ihn der echte Jarvis auf, doch da war es zu spät. Peinlich für alle Beteiligten. Abgesehen vom Parodie-Account, natürlich. Für den war es ein Erfolg, weil er entlarvte, mit was für einem Schwätzer der echte Jarvis leicht verwechselt werden kann.

So ist die Parodie auf Twitter wie in jeder anderen Form mehr als pure Blödelei. Oft prangert sie zwischen den Zeilen ihrer Witze Missstände an.

Irritierendes Insiderwissen über den FC Bayern

Moritz Rodach zum Beispiel twittert regelmäßig aus vertraulichen Runden in München, am liebsten aus jenen beim FC Bayern. Der Mann ist erstaunlich nah dran an den Mächtigen des Vereins und der Stadt: "Wahnsinn, jetzt kommen auch noch Jupp Heynckes und Jürgen Klinsmann vorbei. Mottoabend: Saufen wie Udo Lattek. Madchester lebt #fcb #manfcb"

Nichts davon stimmt. Moritz Rodach erinnert unter @focussiert damit daran, dass der Focus-Herausgeber Helmut Markwort auf focus.de unter dem Pseudonym Moritz Rodach Berichte über den FC Bayern veröffentlicht hat. Markwort saß damals im Aufsichtsrat des Sportvereins. Journalistische Unabhängigkeit ist etwas anderes. Andere Redakteure wären dafür gefeuert worden, Markwort hat die Affäre beiseitegewischt. Dass auf Twitter an sie erinnert wird, ist das Verdienst von @focussiert.

Ähnlich erfrischend wirken die Tweets von @notzuckerberg, der den Facebook-Erfinder, Obernerd und Datensammler Mark Zuckerberg persifliert und auf dem Kieker hat: "Wenn mir kalt ist, presse ich mein Gesicht gegen einen Server. Die Hitzeausstoß wärmt mich wie das Wissen, dass sich der Server gerade durch Eure Leben wühlt." Wenn der Mark Zuckerberg so ehrlich wäre, wäre das herzerwärmender als jeder heiß gelaufene Server.

Wenn Søren Kierkegaard und Kim Kardashian verschmelzen

Individuelle Lebensweisheiten, bei denen keine Fragen an Authentizität auftauchen können, liefern Nutzer, die als Gott, Margot Honecker oder Lord Voldemort twittern. Auch Kierkegaard ist auf Twitter aktiv, allerdings als rätselhaft-tragische Hybridhälfte eines Doppelpacks mit dem amerikanischen Showstar Kim Kardashian. Als @KimKierkegaard, vermischt die Doppel-Parodie den seichten Bel-Air-Lifestyle, in dem die Autos groß und die Erkenntnisse klein sind, mit Leben und Gedanken von Søren Kierkegaard, in denen es sich andersrum verhält. Ergebnis des radikalen Remixes: "Training mit meinem Personal Trainer bringt mich um. Aber wenn ein Märtyrer stirbt, beginnt seine Herrschaft erst." Oder auch: "Es ist das ernste Licht des Todes, das mir den Glanz einer Kardashian verleiht."

Glanz ist etwas, wonach viele Twitternutzer streben, der Glanz der vielen Follower zum Beispiel. Oder der Glanz eines superwichtigen Nachrichtenfuzzis.

@clauskleber weiß, dass man ihn nur über die verkürzte Sprache superwichtiger, internationaler Fernsehleute erreichen kann. Zum Beispiel im Sendungshinweis zum Heute Journal ("hjo"): "Bin nicht leicht beeindruckt", (natürlich nicht) "aber UN-Frau in Irak ist besonderer Fall. Da kommt starke Generation. International, engagiert." Was soll man dazu sagen? Ein Hammer. Muss einschalten. HJO. Heute Abend. Das Lustigste an @clauskleber: Das ist tatsächlich der ZDF-Mann selbst, der da schreibt. Dass sich einer mal selbst parodieren würde, das ist auch für Twitter-Verhältnisse ziemlich erstaunlich.

© SZ vom 27.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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