Rocker-Prozess in Coburg:"Warum wollen Sie denn böse sein?"

Prozess um mutmaßlichen Auftragsmord beginnt

Der wegen Mordes angeklagte Paul K. wartet am auf den Prozessbeginn im Sitzungssaal im Landgericht in Coburg.

(Foto: dpa)

Eine Frau soll zwei Rocker zu ihrem Partner geschickt haben, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Doch danach ist der Mann tot. Jetzt stehen alle drei vor Gericht - denn auch die Frau könnte beim Tod ihres Partners nachgeholfen haben.

Von Olaf Przybilla, Coburg

Gerhard Amend, Vorsitzender Richter am Landgericht Coburg, will es an diesem ersten Verhandlungstag genau wissen, ihn interessieren sämtliche Details im Prozess um einen mutmaßlichen Auftragsmord im oberfränkischen Rocker- und Rotlichtmilieu. Ob er denn Hobbys habe, fragt Richter Amend einen der vier Angeklagten. Ja, Angeln, antwortet der. Was er denn da so angele? "Fische", antwortet der Angeklagte. Ah so, sagt der Richter.

Die Befragung zur Person ist damit noch nicht beendet. Welche Krankheiten er denn habe, soll derselbe Angeklagte sagen. Gicht und Arthrose, auch Probleme an der Leber, antwortet der 57-Jährige, ein arbeitsloser Wirt. Aha, an der Leber. "Kommt vom Saufen?", fragt Richter Amend. Der Angeklagte überlegt kurz: "Ist in meinem Beruf üblich." "Aha", sagt der Richter, "Berufskrankheit."

Amend, nebenher Stadtrat in Coburg, ist ein leutseliger Mann. Er hat ein für seine Branche ziemlich ungewöhnliches Talent, Menschen zum Sprechen zu bringen. Vor allem, wenn ihn der Gegenstand der Verhandlung interessiert, und dieser interessiert ihn offenbar sehr. Eine Frau soll zwei Männer aus der Rockerszene damit beauftragt haben, ihren 66 Jahre alten Partner aus dem Verkehr zu ziehen. Der war bis zur Pensionierung Orchestermusiker am Landestheater Coburg. Danach wollte er sich wohl die Altersversorgung etwas aufbessern und vermietete in der Coburger Innenstadt Zimmer an Prostituierte.

Partnerin sollte zurück ins Rotlichtgewerbe

Auch seine 24 Jahre jüngere Partnerin, eine Brasilianerin, war mal Prostituierte. Bis zu 6000 Euro habe sie im Monat verdient, erzählt sie. Aber irgendwann wollte sie diesen Job nicht mehr machen. Stattdessen eröffnete sie das "Clou", eine Kneipe mitten in Coburg. "War ja hier gleich in der Nähe", sagt Richter Amend, "aber ich war nie da, kann ich nichts drüber sagen."

Also erzählt die Angeklagte: Nach ihrem Gusto wollte sie ihre Kneipe eingerichtet haben. Nach ihrem Gusto, das bedeutete: eine Kneipe für alle, eine Art Wohnzimmer. Aber irgendwie klappte das nicht, jedenfalls warf die Kneipe keinen Gewinn ab, ganz im Gegenteil. Ihr Partner, der Musiker, schoss deshalb jeden Monat 1000 Euro zu. Bis es ihm zu dumm wurde, weil das doch alles keinen Sinn mehr habe. Ihr Partner fand, dass es sinnvoller für sie wäre, wieder ins Rotlichtgewerbe einzusteigen. Es gab Streit. Sie schlug vor, dass ihr Partner mal mit ihrem früheren Ehemann, dem Angler und Wirt, sprechen sollte. Mit dessen Erfahrung müsste es doch besser werden. Aber der Musiker wollte nicht.

Opfer sollte nur einen Denkzettel verpasst bekommen

Irgendwann lernte die Wirtsfrau zwei ihrer Gäste besser kennen. Diese sind nun angeklagt, im Dezember 2013 den Orchestermusiker Wolfgang R. nachts in seiner Wohnung auf brutale Weise umgebracht zu haben. R. wurde mit gebrochener Wirbelsäule und zertrümmertem Kehlkopf und Zungenbein aufgefunden. Er erstickte an seinem Blut. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass seine Partnerin die Rocker zum Mord angestiftet hat. Und dass ihr ebenfalls angeklagter Ex-Mann, der arbeitslose Wirt, davon gewusst hat.

Es dürfte einer der wesentlichen Punkte in diesem Prozess werden, ob die Frau tatsächlich wollte, dass ihr Partner R. in dieser Nacht stirbt. Oder ob sie nur wollte, dass er einen Schuss vor den Bug bekommt. "Einen Denkzettel verpasst bekommt", wie sie es formuliert. Es sei angeblich nur darum gegangen, ihrem Partner "Arme und Beine zu verstauchen". Damit er ihr beim Plan, das Gasthaus weiter zu führen, erst mal nicht mehr im Weg stehen kann. Als sie dann aber in die Wohnung zurückkam, für die sie den Rockern den Schlüssel überreicht hatte, war ihr Partner tot. Der Mann müsse noch gelebt haben, sollen die Angeklagten der Polizei erklärt haben. Die Frau könnte also nachgeholfen haben. Ob das zutreffe, will Amend wissen. "Nein", sagt die Angeklagte und weint.

"Warum wollen Sie denn böse sein?"

Auch bei den Rockern will es Amend genau wissen. Beide waren Mitglied im Motorradklub "Bad Seven". "Ich kenn mich da gar nicht aus, da müssen Sie mir helfen", sagt Amend. Was denn das "bad" bedeute, "warum wollen Sie denn böse sein?" Der erste Rocker, ein 23-Jähriger, kann ihm das nicht erklären. "Ich hab' den Klub ja nicht gegründet", sagt er. Welche Funktion er da denn hatte? Sekretär, sagt der 23-Jährige, so was wie Schriftführer. "Aha, gehobene Position also", findet Amend. Na ja, sagt der Angeklagte, bei sieben Klubmitgliedern "eher mittelmäßig".

Seit wann er den Motorradführerschein habe? "Den habe ich gar nicht," berichtet der Angeklagte. "Was? Also, sind Sie so was wie ein Klub ohne Führerschein", fragt Amend. Nein, so auch wieder nicht, sagt der Angeklagte. Irgendwann hätte er den Schein schon noch gemacht. Und eine Maschine habe ihm auch schon vorgeschwebt. Was für eine? "Eine Harley." "Ach, Harley", sagt Amend, "das ist doch was für alte Männer."

Dann wird es wieder ernst. Zu rechtsextremen Organisationen hatte er Kontakt, sagt der 23-Jährige. Bis er in den Klub eintrat, dann nicht mehr. Sein Kompagnon, ein 45-jähriger Reinigungshelfer, räumt ein, dass er sich noch am Tag nach der Tat ein Tattoo am Hals hat stechen lassen, eine Sieben. "Warum denn das?", fragt Amend. Warum nicht, antwortet der Angeklagte.

Zur Sache wollen sich die Rocker an diesem ersten Tag nicht einlassen. Für den Indizienprozess sind 109 Zeugen geladen.

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