"Little Dorrit" auf Arte:Sozialkritik mit Folgen

Charles Dickens' Little Dorrit (1/8)

Die Miniserie Little Dorrit - hier mit Georgia King als blonde Pet, Rivalin der mittellosen Heldin - gewann 2009 sieben Emmys.

(Foto: BBC/Mike Hogan)

Charles Dickens' Fortsetzungsroman als TV-Serie nach einem Drehbuch vom Autor von "House of Cards": "Little Dorrit" erzählt die Geschichte einer jungen Frau in einem Londoner Schuldgefängnis und weist deutlich auf gesellschaftliche Missstände hin.

Von Katharina Riehl

Die erste Folge dieser Serie erschien im Jahr 1855, und ihr Showrunner hatte schon in den Jahren zuvor mit Fortsetzungsgeschichten eine sehr ordentliche Karriere gemacht. Ende der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts wurden die Abenteuer des Oliver Twist monatlich im Literaturmagazin Bentley's Miscellany gedruckt, gut zehn Jahre später erschien, ebenfalls in monatlichen Portionen, das Leben des David Copperfield. 1855 dann erdachte Charles Dickens das Mädchen Amy, das in einem Armengefängnis aufwächst - die Geschichte von Little Dorrit . Auch sie veröffentlichte Dickens als Fortsetzungsroman.

Viele kluge Menschen haben sich in den vergangenen Jahren Gedanken darüber gemacht, wie das Genre der Fernsehserie jahrelang als billiges Fast Food der Unterhaltungsindustrie gelten und dann eine fast unglaubliche Karriere machen konnte. Heute sind Serien wie House of Cards der Liebling der Intellektuellen und all jener, die es gerne wären. TV-Serien, heißt es, seien die Romane der Gegenwart; zum Beispiel über Hill Street Blues schrieb die preisgekrönte Romanautorin Joyce Carol Oates - und das schon vor mehr als 30 Jahren -, diese sei endlich moralisch genauso komplex, so düster und so großstädtisch wie ein Roman von Charles Dickens.

Es passt also nicht nur wegen dieser Anmerkung ganz hervorragend in den allgegenwärtigen Serienwahnsinn, dass die BBC und der US-Sender PBS aus einem Fortsetzungsroman eben jenes Charles Dickens eine Fernsehserie gemacht haben. Erzählt wird die Geschichte der 21-jährigen Amy Dorrit, die, aufgezogen von ihrem Vater, nie ein anderes Zuhause kannte als das Schuldgefängnis von London. Wie ein Mensch in so einem Schuldgefängnis arbeiten soll, um seine Schulden wieder loszuwerden, das ist eine der Fragen, die über dieser Geschichte hängen und so ein Thema, das den Sozialkritiker Charles Dickens beschäftigte.

Wider die ungehörige Verkitschung der Historie

Little Dorrit lief bereits vor ein paar Jahren im britischen und amerikanischen Fernsehen und gewann 2009 sieben Emmys, unter anderem für die beste Miniserie, die beste Regie und das beste Drehbuch von Andrew Davies, der schon Jane Austens Stolz und Vorurteil zum Film machte und die weniger historischen Romane über die moppelige Bridget Jones. Arte zeigt die ursprünglich zwölfteilige Serie nun in acht etwas längeren Episoden. Von 1855 bis 1857 waren es noch 19.

Man kann an Little Dorrit und ihrem gesellschaftspolitischen Ansatz schön sehen, auf welchem Rezept der große Erfolg britischer Historienserien in den vergangenen Jahren sonst beruht hat. Die ITV-Serie Downton Abbey ist ein weltweiter Exporthit, hervorragend gemacht und wunderschön anzusehen - und doch vor allem eine fast ungehörige Verkitschung der Verhältnisse in Großbritannien Anfang des 20. Jahrhunderts.

Die gütige Adelsfamilie Crawley lebt da in symbiotischer Beziehung zu ihren treu ergebenen Bediensteten in einem hübschen Schloss, und weil diese Hausherren so furchtbar gute Menschen sind, ist den Kellerbewohnern nichts eine größere Genugtuung als dem Earl of Grantham zum Dinner in den Frack zu helfen und Lady Grantham die glitzernde Spange ins Haar zu fummeln. Downton Abbey ist im Grunde ein Märchen.

Auch Dickens' Little Dorrit ist natürlich kein Dokumentarfilm, sondern eine Geschichte voller Liebe, Intrigen und dunkler Geheimnisse: Amy verliebt sich in einen Mann mit Geld, der sich für eine reiche Blondine interessiert. Aber auch das ist so weltfremd ja nicht.

Little Dorrit, Arte, jeweils zwei Folgen, donnerstags, 20.15 Uhr.

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