Arbeitsrecht:Bundesverwaltungsgericht dämmt Sonntagsarbeit ein

Lokführerstreik - Callcenter von DB Dialog

Callcenter müssen nicht unbedingt an Sonntagen besetzt sein: Das entschied das Bundesverwaltungsgesetz.

(Foto: dpa)
  • Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Callcenter, öffentliche Bibliotheken, Videotheken sowie Lotto- und Totogesellschaften kein besonderes Bedürfnis haben, am Sonntag geöffnet zu sein.
  • Die Gewerkschaft Verdi hatte zusammen mit zwei evangelischen Gemeindeverbänden gegen die Sonntagsarbeit in diesen Branchen geklagt.
  • Ausnahmeregelungen bei Krankenhäusern, der Feuerwehr und Polizei, bei Energieversorgern und Medien sowie bei Betrieben, die ihre Anlagen aus Kostengründen nicht abschalten können, sind von dem Urteil nicht betroffen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Bundesverwaltungsgericht hat der seit Jahren immer mehr ausgeweiteten Arbeit an Sonntagen deutliche Grenzen gesetzt. Die Bundesländer dürfen Sonntagsarbeit künftig nicht mehr so großzügig erlauben wie bisher. Die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig haben am Mittwochabend eine Verordnung des Landes Hessen in wesentlichen Teilen für nichtig erklärt. Danach ist eine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit für Callcenter künftig nicht mehr möglich. Davon waren laut Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel, der die Verordnung zuvor ebenfalls beanstandet hatte, sehr viele Arbeitnehmer betroffen - etwa der Versandhandel, Reisebüros und das Onlinebanking.

Ein besonderes Bedürfnis für den Betrieb von Callcentern am Sonntag sei nicht erkennbar, argumentierte das Bundesverwaltungsgericht. Gleiches gelte für öffentliche Bibliotheken, Videotheken sowie Lotto- und Totogesellschaften. Solche Betriebe hätten keinen "erheblichen Schaden" durch ein Sonntagsverbot zu befürchten, weil entsprechende Bedürfnisse - etwa das Ausleihen von Filmen - auch an den Werktagen befriedigt werden könnten.

Anders als der VGH hält das Bundesverwaltungsgericht allerdings eine Sonntagserlaubnis für die Getränkeindustrie und die Hersteller von Speiseeis für möglich - allerdings nur, wenn die Kapazitäten nicht ausreichten, um den Bedarf zu decken. Dies dürfte vor allem während langer Hitzeperioden im Sommer der Fall sein. In diesem Punkt verwiesen die Richter den Fall zur neuen Prüfung an den VGH zurück. Pferdewetten - ein weiterer Kritikpunkt - halten die Richter dagegen für zulässig.

Das Arbeitszeitgesetz verbietet zunächst grundsätzlich Sonntagsarbeit

Als Konsequenz des Urteils werden auch die anderen Länder ihre Regelungen zur Sonntagsarbeit überprüfen müssen; diese sind laut der Gewerkschaft Verdi der hessischen Verordnung ähnlich. Verdi hatte zusammen mit zwei evangelischen Gemeindeverbänden geklagt, um eine inzwischen sehr weitreichende Aufweichung des Verbots der Sonntagsarbeit zurückzudrängen. Grundsätzlich verbietet das Arbeitszeitgesetz jegliche Arbeit an Sonn- und Feiertagen, lässt aber zugleich dort Ausnahmen zu, wo Produktion und Dienstleistung auch an Sonntagen notwendig ist: etwa in Krankenhäusern, bei Feuerwehr und Polizei, bei Energieversorgern und Medien sowie bei Betrieben, die ihre Anlagen aus Kostengründen nicht abschalten können. Gleiches gilt für Freizeit- und Kultureinrichtungen.

All diese Ausnahmen sind auch von den Klägern akzeptiert; sie wenden sich gegen die darüber hinausgehenden Befreiungen durch die Länder. Das Gesetz ermächtigt die Länder zu entsprechenden Regierungsverordnungen.

Das Urteil dürfte nach Einschätzung von Ulrich Dalibor von Verdi dazu führen, den Sonntag als gemeinsamen freien Tag aufzuwerten, der für Familie und Freunde reserviert ist. "Bei den Ladenöffnungszeiten erleben wir seit Jahren eine Inflation." Inzwischen arbeitet mehr als jeder Vierte zumindest gelegentlich am Sonntag. Immer wieder haben Gerichte dem Sonntagsverkauf Grenzen gesetzt. 2009 untersagte das Bundesverfassungsgericht dem Land Berlin eine Freigabe für den Einzelhandel an allen vier Adventssonntagen.

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