Öl und die Weltwirtschaft:Europas Chance im Wettlauf mit den USA

Öl und die Weltwirtschaft: Eine Ölraffinerie im Irak: Der Rohstoff ist billig wie seit Jahren nicht

Eine Ölraffinerie im Irak: Der Rohstoff ist billig wie seit Jahren nicht

(Foto: AP)
  • Der Ölpreis ist so billig wie seit vier Jahren nicht. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) hat am Donnerstagnachmittag entschieden, weiter so viel Öl zu fördern wie bisher. Die Preise fielen daraufhin weiter.
  • Der Grund für den Preisverfall: der Schieferöl-Boom in den USA und die malade Wirtschaftslage in vielen Ländern. Ein großes Angebot trifft somit auf eine relativ geringe Nachfrage.
  • Der Ölpreis und die Weltkonjunktur waren ein großes Thema auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel, der derzeit in Berlin stattfindet. Kommt Europa aus der Krise? Sieben Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise eilen die USA dem alten Kontinent wirtschaftlich davon. Doch Spitzenmanager geben Europa noch eine Chance.

Von Guido Bohsem und Markus Zydra, Berlin

Vielleicht müsste man mal Tony Abbott fragen. Das läge nahe, denn immerhin hat Australien seit über zwei Jahrzehnten keine Rezession mehr erlebt. Mehr als 23 Jahre lang hat es keine zwei Quartale in Folge gegeben, in dem die Wirtschaftsleistung down under gesunken wäre. Da müsste der australische Premierminister und G-20-Vorsitzende dem Rest der Welt doch was davon erzählen können, was sein Land richtig und der Rest der Welt falsch macht.

Denn rund läuft es nicht, sieht man sich die konjunkturellen Aussichten der 20 führenden Wirtschaftsnationen an. Von Australien abgesehen, dürfen sich allein die USA über einen Aufschwung freuen, der den Namen tatsächlich verdient. Der Rest verzeichnet Mini-Wachstum oder steckt in der Rezession. Sieben Jahre nachdem die internationale Finanzkrise dort begonnen hat, enteilt Amerikas Wirtschaft Europa und dem Rest der Welt, so scheint es.

Was macht Australien, vor allem aber, was machen die USA richtig? Das war das Thema beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung, der an diesem Donnerstag in Berlin begonnen hat.

Die Antwort fällt komplex aus, in einer Welt, die nach Worten von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) von Krise zu Krise taumelt, politisch und wirtschaftlich. In der alte Gewissheiten nicht mehr gelten, in der ganz alte Konflikte neu aufbrechen und der technologische Wandel in rasender Geschwindigkeit fortschreitet, angetrieben von der digitalen Revolution.

Deutlicher Preisverfall in den vergangenen Monaten

Zum Beispiel: Öl. Galt es lange Zeit als sicher, dass der Treibstoff der Welt immer knapper und teurer wird, ist es jetzt ganz anders. Sein Preis ist in den vergangenen Monaten deutlich gefallen. Für die Nordseesorte Brent und für US-Rohöl musste man zuletzt vor über vier Jahren so wenig bezahlen wie an diesem Donnerstag und kein anderes Land profitiert davon so sehr wie die Vereinigten Staaten.

Großes Angebot, geringere Nachfrage

Der Preisverfall ist verursacht durch den Schieferöl-Boom made in USA und die malade Wirtschaftslage in vielen Ländern der Welt. Es kommt zu einer Situation großen Angebots und verhältnismäßig geringer Nachfrage, und es wird auch noch eine Zeit lang so bleiben. Die zwölf ölproduzierenden Länder entschieden am frühen Abend, weiter so viel Öl zu fördern wie bisher. Für den Ölpreis ging es daraufhin steil bergab: Das Nordseeöl Brent verlor in der Spitze 8,4 Prozent und kostete 71,25 Dollar. Das könnten gute Nachrichten sein, insbesondere für die europäischen Nationen. Doch schlagen die niedrigen Preise des in Dollar gehandelten Öls wegen des schwachen Euro-Kurses nicht voll durch und ein Einstieg in das Fracking wird von den meisten Nationen abgelehnt.

Niedrigere Energiepreise in den USA

Die Folge ist, dass die Energiepreise in den USA derzeit deutlich niedriger sind als in Deutschland. "Wenn man möchte, dass auch die energieintensive Industrie weiterhin in Europa bleiben soll, dann können wir nicht mehr so weitermachen", urteilte das Total-Vorstandsmitglied Philippe Sauquet auf dem SZ-Gipfel. Auch BDI-Chef Ulrich Grillo warnte vor den Standortnachteilen. Die Konkurrenten in den USA hätten nur ein Drittel der Energiekosten zu tragen. Zwar würden die Unternehmen nicht die Koffer packen und das Land verlassen. Doch neue Investitionen gebe es eben auch nicht.

Zurückhaltung in Europa

Europa erscheine ihm derzeit in einem Zustand des Stillstandes, urteilte der Emirates-Vorstandschef, Tim Clark, von Großbritannien einmal abgesehen. In den USA und auch in China entwickele sich das Wirtschaftsleben in atemberaubender Geschwindigkeit. Der digitale Wandel werde begeistert aufgenommen, während man in Europa den Wandel des Wirtschaftslebens eher zurückhaltend annehme.

Nach Clarks Worten stoppten vor allem die überbordende Bürokratie und verkrustete Strukturen die Chancen in Europa. Auch Grillo plädierte für eine engere Kooperation unter den europäischen Nationen im Bereich der Digitalisierung zum Beispiel. "Wir müssen zusammenrücken."

Auch hier könnte das Beispiel USA als Vorbild dienen, die ein großer Währungsraum mit unterschiedlichen Staaten sind, mit Staaten allerdings, die deutlich einheitlicher funktionieren als dies Deutschland und Frankreich oder Griechenland und Luxemburg tun. Wohl auch mit diesem Hintergedanken rief der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in Helsinki zu mehr Kooperation unter den europäischen Nationen auf. Nichts anderes als eine vollständige Fiskalunion forderte der oberste Notenbanker.

Draghi: Brauchen eine Bankenunion

Die Zweifel am Bestehen des einheitlichen europäischen Währungsraums könne man erst dann vollständig überwinden, wenn diese Einheit in allen relevanten Bereichen hergestellt sei. "Das heißt, wir brauchen eine Bankenunion, eine Union der Kapitalmärkte, eine Wirtschaftsunion und eine Fiskalunion", sagte Draghi. In einem einheitlichen Währungsraum könne kein relevantes Politikfeld isoliert betrachtet werden. "Jedes interagiert mit dem anderen und beeinflusst es", betonte Draghi.

Unter einer Fiskalunion wird in der Regel eine einheitliche Steuer- und Haushaltspolitik verstanden. Die Idee ist in der Euro-Krise immer wieder diskutiert worden. Während Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Anhänger dieser Vision ist, gehört Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den Skeptikern.

Zu den großen Nachteilen Europas zählten die Wirtschaftsführer auf dem SZ-Gipfel auch den Ukraine-Konflikt. Der alte Kontinent sei von den Folgen der Sanktionen deutlich mehr betroffen als die USA. Und wohl auch deshalb erntete der bisherige Kurs der Bundesregierung Kritik. So zweifelt beispielsweise der Chef des US-Herstellers von Maschinen für die Landwirtschaft AGCO, Martin Richenhagen, am Sinn der Sanktionen gegen Russland. Dies sei ein veraltetes Instrument, das in der heutigen, enorm vernetzten Wirtschaft mitunter Konsequenzen an völlig unerwarteter und unerwünschter Stelle zeigten, sagte er auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel.

BDI-Chef Grillo hingegen stützte die Sanktions-Politik. Einig waren sich beide zudem mit Total-Vorstand Sauquet, dass Europa noch eine Chance im Wettlauf mit den USA habe. Die immer noch guten Rahmenbedingungen und die hervorragend ausgebildeten Arbeitskräfte sprächen dafür. Es sei aber mehr Anstrengung nötig, um den Anschluss an die amerikanische Wirtschaft nicht zu verlieren.

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