Autonomie für Schottland:London und Edinburgh streiten um Kompetenzen

Nicola Sturgeon Is Voted In As Scotland's First Minister

Enttäuscht von den Vorschlägen, die dem schottischen Regionalparlament mehr Kompetenzen einräumen sollen: Schottlands Ministerpräsidentin Sturgeon.

(Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images)

Schottlands Parlament soll mehr Rechte erhalten. Premierminister David Cameron will schottischen Abgeordneten dafür im Gegenzug Abstimmungsrechte entziehen. Schottlands Ministerpräsidentin Sturgeon nennt die Londoner Vorschläge enttäuschend.

Von Christian Zaschke, London

Gut zwei Monate nachdem die Einwohner Schottlands für den Verbleib im Vereinigten Königreich gestimmt haben, hat eine Kommission erste Vorschläge vorgelegt, welche zusätzlichen Kompetenzen an das schottische Regionalparlament gehen sollen. Die Londoner Parteien hatten kurz vor dem Referendum im September gemeinsam versprochen, Schottland weitreichende Selbstverwaltungsrechte einzuräumen, wenn die Wähler gegen die Unabhängigkeit stimmen. Am Donnerstag hat die Kommission unter Vorsitz von Lord Robert Smith ihre Ergebnisse vorgelegt.

Demnach soll das schottische Parlament künftig die Einkommensteuersätze festlegen und sämtliche Einnahmen behalten und in Schottland ausgeben können. Die Labour-Partei war ursprünglich gegen diesen Vorschlag, hat aber eingelenkt, um ihre starke schottische Basis nicht zu verärgern. Zudem soll die schottische Regionalregierung in der Lage sein, Teile der Sozialausgaben unabhängig festzulegen. Dieser Punkt trägt der Tatsache Rechnung, dass die Schotten traditionell für ein großzügigeres Sozialwesen sind als die Engländer.

Ferner soll das Regionalparlament dafür sorgen, dass 16- und 17-Jährige in schottischen Wahlen mitstimmen dürfen. Bereits bei der Abstimmung über die Unabhängigkeit hatte diese Altersgruppe gewählt. Umstritten ist, ob in Schottland ein eigenes Abtreibungsrecht gelten soll. Die schottischen Grünen, die Scottish National Party (SNP) und Kommissionschef Smith sind dafür, die übrigen Parteien dagegen.

Im Gegenzug ein "Trick"

Premierminister David Cameron sagte am Donnerstag: "Ich bin hocherfreut über die Vorschläge. Wir halten das Versprechen, das wir den Schotten vor der Abstimmung gegeben haben." Er kündigte an, dass es nun rasch darum gehen müsse, dass im Gegenzug zur Verlagerung von Kompetenzen nach Schottland im Parlament von Westminster nur noch Abgeordnete aus englischen Wahlkreisen über Fragen abstimmen dürfen, die lediglich England betreffen. Der frühere Labour-Premierminister Gordon Brown nannte das "einen Trick" der Konservativen.

Von den 59 schottischen Abgeordneten in Westminster gehören 40 der Labour-Partei an. Wenn diese künftig in vielen Fragen nicht mehr mitstimmen dürften, wäre eine eventuelle Labour-Regierung weitgehend handlungsunfähig. Die Partei argumentiert daher, man dürfe nicht zwei Klassen von Abgeordneten in Westminster einführen, also solche, die in allen Fragen mitstimmen dürfen, und solche, die bisweilen von der Wahl ausgeschlossen sind. Stattdessen sollten allen Regionen des Vereinigten Königreichs mehr Selbstverwaltungsrechte eingeräumt werden. Sechs Labour-Stadträte und der Londoner Bürgermeister Boris Johnson haben in einem Brief gefordert, dass die Regionen in vergleichbarem Maß wie Schottland gestärkt werden.

Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon nannte die Vorschläge der Kommission "enttäuschend". Sie sagte: "70 Prozent unserer Steuern werden weiterhin in Westminster erhoben, 85 Prozent des Sozialwesens werden weiterhin von Westminster kontrolliert." Sturgeon ist Chefin der SNP, die sich für die Unabhängigkeit Schottlands einsetzt und im Regionalparlament über eine absolute Mehrheit verfügt.

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