Gegenkandidat zu Fifa-Präsident Blatter:Gesucht wird der Stimmenbeschaffer

Ali bin Al-Hussein Sepp Blatter Fifa

Prinz Ali Bin Al-Hussein (links) und Sepp Blatter.

(Foto: imago sportfotodienst)

Europas Fußball-Elite sucht nach einem Gegenkandidaten für Fifa-Chef Sepp Blatter. Der jordanische Prinz Al-Hussein wäre nicht allen zu vermitteln - doch womöglich hätte er eine echte Chance gegen den Schweizer.

Von Thomas Kistner

Michel Platini arbeitet angespannt hinter den Kulissen. Der Fußball-Weltverband versackt immer tiefer im eigenen Korruptionssumpf, gerade forderte die britische Regierung die Fifa auf, ihren vollen Report zu Bestechungsvorwürfen bei der WM-Vergabe an Russland und Katar zu publizieren. Und Platini, Chef der Europa-Union Uefa, weiß, dass die westliche (Fußball-)Welt eines nicht mehr akzeptieren wird: dass Sepp Blatter, seit 33 Jahren in Spitzenämtern der Fifa, bei der Präsidentenwahl im Mai 2015 nicht einmal einen Gegenkandidaten Europas vorgesetzt bekäme. Auch hatten er und seine Uefa bereits im Juni versichert, dass sie Blatter die Stirn bieten wollen: notfalls mit einem Herausforder, der nicht aus Europa stammt.

Den meint Platini gefunden zu haben in Fifa-Vizepräsident Prinz Ali bin Al-Hussein. Nur fragt sich, wie gut der Spross des jordanischen Königshauses vermittelbar ist; längst nicht alle Europäer dürften begeistert sein, einen Vertreter der Hemisphäre an ihre Fußballspitze zu hieven, die seit der umstrittenen WM-Vergabe an Katar nicht aus den Schlagzeilen kommt. Auch haben Konflikte in Alis asiatischem Fußballverband AFC, der von Jemen bis Nepal reicht, Tradition. Der Prinz selbst fiel ihnen beim Konvent im Juni zum Opfer. Sein Gegner an der AFC-Spitze, Scheich Salman Al Khalifa, boxte durch, dass ihm als AFC-Chef der Sitz Alis als Fifa-Vizepräsident im Mai 2015 zufällt. Ali, der als geselliger Funktionärstyp gilt, muss sich um einen der drei übrigen AFC-Plätze im Fifa-Vorstand bewerben. Oder gegen Blatter antreten.

Aus Europas Sicht mag Platinis Mann, der seine Ambitionen bisher weder bestätigte noch verneinte, schwer vermittelbar sein. Doch aus Sicht des Weltsports, der diese Ämter vergibt, gäbe es eine Chance - falls der neben Blatter gewiefteste Stimmenfänger der Branche Ali und eine Europa-Asien-Allianz unterstützen sollte: Ahmed Al-Sabah. Der Scheich aus Kuwait führt den Weltverband der olympischen Komitees und den Asien-Rat OCA, er ergriff wiederholt Partei in der WM-Debatte: "Katar hat die WM fair erhalten", sagte er im Oktober der Nachrichtenagentur AFP, "wir werden standhalten und für Katars Recht kämpfen bis zum Ende, weil dahinter (den Vorwürfen; d. Red.) mehr Rassismus als Realität steckt."

Das ist ein interessanter Ansatz bei dem Mann, der laut Brancheneinschätzungen - und laut Selbstauskunft - 2013 in gleich zwei der drei wichtigsten Weltverbände die Thronwechsel massiv mit seinen Stimmenpaketen beeinflusst hat: Im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), wo Thomas Bach die Macht ergriff, bis dahin auch Chef der deutsch-arabischen Handelskammer - und bei SportAccord, dem Dachverband aller (auch nicht-olympischen) Sportarten. Hier wurde Marius Vizer installiert, der Rumäne flog dem Gönner aus Kuwait nach der Kür um den Hals. Hat Al-Sabah Interesse, auch an der Besetzung des dritten Thronamts mitzuwirken?

Aus Sicht des Scheichs, der seine Region ja rassistisch angefeindet sieht, könnte die Lösung Ali auch aus anderen Gründen attraktiv sein: In Asiens Fußballkreisen hält sich das Gerücht, Al-Sabah wolle 2017 einen Verwandten an die AFC-Spitze befördern. Der aktuelle Amtsinhaber, Scheich Salman aus Bahrain, ist eng an Blatter. Zudem verfügt Prinz Ali selbst über beste Drähte in den Olymp: Schwester Haya und Bruder Feisal sitzen wie Al-Sabah im IOC; Haya regiert auch den Reiterweltverband.

Könnten Blatters Opponenten einen sportinternen Aufstand probieren? Die Verbindungen zwischen Fußball und Olympia sind eng. Gerade in vielen kleinen Nationen, die sehr wenig Sportbetrieb, aber sehr großen Bedarf an Entwicklungshilfe haben. Ihre Voten gilt es zu erobern, sie entscheiden über höchste Sportämter: Fiji, Guam etc. Nur hier wäre Blatter zu schlagen.

Platini lotet diskret aus

Was die Allianz angeht, die Platini so diskret auslotet, dass er seinem Umfeld zufolge erst seit kurzem Vertraute in diese Pläne einweiht: Hier wird auch eine Rolle spielen, wie sich die Arbeit von Blatters Fifa- Ethikern auswirkt. Sie haben laut Berichten des britischen Telegraph und der Welt zwei weitere Europäer im Fifa-Vorstand ins Visier genommen: den Spanier Ángel María Villar Llona, der als spanischer WM-Bewerbungschef 2009 ein Bündnis mit Katar geschmiedet und sich später geweigert haben soll, an Untersuchungen der WM-Doppelvergabe durch Chefermittler Michael Garcia mitzuwirken. Und den belgischen Fifa-Chefmediziner Michel D'Hooghe. Dessen Sohn erhielt kurz nach der WM-Vergabe die Offerte, als Gastchirurg in einer Klinik Katars anzuheuern; 2012 siedelte er nach Doha um.

Jedoch müsste nun konsequenterweise auch Mario Lefkaritis aus Zypern untersucht werden. Dessen familieneigener Rohstoffkonzern macht mit Katar lukrative Geschäfte, deren Volumen sich kurz vor der WM-Vergabe stark erhöht hatte. Und als 2011 Katars Staatsfond QIA eine Landzunge bei Larnaka erwarb, berichtete das Lokalblatt Haravgi Erstaunliches: Die Parzelle soll der Familie Lefkaritis gehört haben. Der Zyprer ist ein finanzielles Schwergewicht: Er ist Uefa-Schatzmeister und sitzt auch im Finanzkomitee der Fifa.

An der Frage, wie mit ihm umgegangen wird, zeigt sich, ob und wie stark die Fifa-Ethiker von Blatter abhängen. Deren Untersuchungsfälle Villar und D'Hooge sind seit langem bekannt, ebenso die Ungereimtheiten um Thailands Fifa-Vorstand Morawi Makudi, in dessen Heimat kurz vor dem WM-Votum ein Gas-Deal mit Katar abgewickelt worden war; auch er wird laut Telegraph nun durchleuchtet. So wie Franz Beckenbauer und der Chilene Harold Mayne-Nicholls, der seinerzeit als Chef des WM-Prüfungsstabs vergeblich auf die Hitze im Bewerberland Katar hingewiesen hatte. Sie alle haben wenig bis keine Bedeutung mehr in der Fifa. Mayne-Nicholls hatte es zudem gewagt, eine Kandidatur gegen Blatter zu erwägen. Auch das istnun erledigt.

Dass eingedenk dieser Sachverhalte nicht auch gegen Platini ermittelt wird, der Katar wählte und dessen Sohn beim Sportableger des Katarfonds einen Managerjob erhielt, bringt das Untersuchungskonstrukt der Fifa-Ethiker in heftige Schieflage. Und es wirft Fragen auf, die auf Platinis Verzicht auf eine Thron-Kandidatur gegen Blatter zielen. Beide waren einst Verbündete, heute sind sie erbitterte Gegner.

Nur: Geht das Kalkül mit Prinz Ali nicht auf, wird Platini am Ende gar nicht umhin können, selbst seinen einstigen Gönner Blatter herauszufordern. Meldeschluss für Kandidaten ist erst am 29. Januar. Alles andere würde ihm und der Uefa nicht verziehen werden überall dort, wo der Fußball Wurzeln hat, und wo darauf gedrängt wird, die globalen Funktionärssümpfe trockenzulegen.

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