Nahverkehr:Billige Verkehrssünden, teures Schwarzfahren

Deutsche Bahn AG vor Fahrplanwechsel

Nicht immer handeln Schwarzfahrer vorsätzlich. Manchmal streikt auch nur der Automat.

(Foto: dpa)

Wer beim Schwarzfahren erwischt wird, soll bald 60 Euro zahlen. Das ist richtig so, denn wer ohne Ticket fährt, fährt auf Kosten aller. Doch warum kosten Verkehrsverstöße für Autofahrer oft viel weniger?

Von Jan Bielicki

Lang ist's her, in den Jahren 68ff., da galt es noch als revolutionäre Tat, hinter Berlin-Halensee in den 29er-Bus zu steigen, ohne eine Fahrkarte gelöst zu haben. "Von mir kriegste nüscht", brüllten die Anarcho-Rocker von Ton Steine Scherben gegen die Berliner Verkehrsbetriebe an: "Nee, nee, nee, eher brennt die BVG!"

Das Hohelied auf den Schwarzfahrer hört sich heute eher nostalgisch an. Den meisten Pendlern dürfte bewusst sein, dass die Betriebskosten des öffentlichen Nahverkehrs nicht einfach "bei den Bonzen" zu holen sind, wie die Scherben sangen, sondern vom Steuerzahler und eben vom zahlenden fahrenden Volk kommen. Der Schwarzfahrer ist kein Volksheld, sondern Hinterzieher von Gemeingut - und darum erscheint es nur gerecht, wenn der Bundesrat dem Verkehrsminister nun empfiehlt, das sogenannte erhöhte Beförderungsentgelt, das seit 2003 bei 40 Euro liegt, auf 60 Euro zu erhöhen. Die Steigerung liegt weit über der Inflationsrate, aber ihr Ziel ist ja ein pädagogisches: Der Betrag soll abschrecken.

Das Massenphänomen Schwarzfahren

Denn ein Massenphänomen ist das Schwarzfahren allemal. Allein in Berlins Bussen und Bahnen erwischten Kontrolleure im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Mitfahrer ohne Ticket, auf eine Viertelmilliarde Euro bundesweit beziffern die Verkehrsbetriebe die Einnahmen, die ihnen Schwarzfahrer jährlich vorenthalten. Das ist in der schieren Masse viel - angesichts der fast eine Milliarde brav zahlender Passagiere, die allein Berlins BVG im vergangenen Jahr zählte, jedoch auch nicht dramatisch. Ja, die Zahl erwischter Schwarzfahrer steigt - aber es steigen halt auch immer mehr Menschen in Busse und Bahnen, und mehr Kontrolleure gibt es auch. Und bestimmt nicht jeder, der ohne Fahrkarte unterwegs ist, tut das absichtlich. Wer hat noch nicht vor einem Automaten kapituliert, wenn der das Fahrgeld nicht nehmen will?

Zweifelsohne: Wer schwarzfährt, tut unrecht, und 60 Euro dafür zahlen zu müssen, ist sicherlich angemessen - schon allein damit sich das Risiko nicht lohnt, ohne Fahrschein zu fahren. Und doch erscheint die Strenge, die sich gegen Aus-Nutzer von Bussen und Bahnen richtet, merkwürdig einseitig. Denn Autofahrer mag die Politik anscheinend bei weitem nicht so hart rannehmen, wie ein Blick in den Bußgeldkatalog zeigt: Wer etwa mit 50 Sachen durch eine 30-Kilometer-Zone brettert und damit Leben gefährdet, zahlt gerade mal läppische 35 Euro. Neben einer haltenden Straßenbahn zwischen aussteigenden Passagieren herumzukurven, kostet nur 15, Parken auf Gehwegen bloß 20 Euro. Solche Beträge wirken eher lächerlich als abschreckend - und beleidigen das Gerechtigkeitsgefühl von Bus- und Bahnfahrern mindestens ebenso sehr, wie es allzu dreiste Schwarzfahrer tun.

Dazu kommt: Wer parkt ohne Parkschein, begeht nur eine Ordnungswidrigkeit. Fahren ohne Fahrschein dagegen erfüllt einen Straftatbestand, den Juristen Beförderungserschleichung nennen und der gerade in Großstädten die Justiz erheblich beschäftigt und unnötig belastet. Zu Recht denkt niemand daran, Falschparker strafrechtlich zu belangen - womöglich wegen "Parkraumerschleichung". Ein Bußgeld reicht völlig, es dürfte ruhig höher ausfallen. Und genau das sollte auch für Schwarzfahrer gelten.

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