Boxkampf Fury versus Chisora:Auf Klitschko warten niveaulose Zeiten

BESTPIX Vitali Klitschko v Dereck Chisora - WBC Heavyweight World Championship

Dereck Chisora (li.): Würde am liebsten auch gegen Wladimir Klitschko kämpfen - muss ab erst Tyson Fury bezwingen

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Legt Tyson Fury mit Beleidigungen los, wird selbst Dereck Chisora ganz still. In London kämpfen beide Box-Schwergewichtler um den großen Auftritt gegen Weltmeister Klitschko.

Von Saskia Aleythe

Schreiend im Kreis rennen, die Augen weit aufgerissen, das muss schon drin sein. Wladimir Klitschko ist eine Boxmaschine mit stählernen Nerven, doch sollte in ferner Zukunft sein Leben neu verfilmt werden und so manche Einstellung auch einen verzweifelten, ja sich dem Wahnsinn nahe stehenden Klitschko zeigen - es wäre durchaus verständlich. Der Mann macht schließlich im realen Leben einiges mit.

Im Restaurant wird ihm das Essen gemopst von Shannon Briggs, der Klitschko auch gerne mal mit einem Motorboot so lange umkreist, bis die Wellen ihn vom Surfbrett reißen. Unschöne Erinnerungen teilt Klitschko auch mit Dereck Chisora: Der britische Profiboxer simbabwischer Herkunft tauchte 2013 in der gleichen Disco auf Ibiza auf und versuchte, eine Prügelei mit dem Ukrainer anzuzetteln. Vermöbeln oder vermöbeln lassen: 2015 könnte Chisora regulär auf Klitschko treffen. Am Samstagabend müsste er dafür in London allerdings erst Tyson Fury bezwingen, der Sieger wird der nächste Pflichtherausforderer Klitschkos um den Titel der WBO sein.

Chisora trägt längst den Status eines Skandalboxers, verschafft hat er ihn sich 2012 im Rahmen des Kampfes gegen Vitali Klitschko in München. Da setzte es eine Ohrfeige beim Wiegen, auf der Pressekonferenz nach dem verlorenen Kampf schlägerte er sich mit David Haye, sodass ihm der britische Verband für ein Jahr die Lizenz entzog. Und auch Wladimir lernte ihn näher kennen als ihm lieb war: Im Ring spuckte Chisora den jüngeren Klitschko-Bruder Wasser ins Gesicht.

Ein anderer Gegner wäre Klitschko daher vermutlich ganz recht, doch dieser Tage tut sich die Erkenntnis auf: Chisoras Gegner Tyson Fury ist noch viel dreister.

Wo immer der 26-Jährige zitiert wird, sind Sternchen in der britischen Presse oder der Piepton im Fernsehen nicht weit. Im Pöbeln ist der britische und Commonwealth Champion im Schwergewicht aus einer irischen Familie längst Weltmeister. Mal kippte er einen Tisch auf einer Pressekonferenz um, dann wiederum beschimpfte er Chisora und einen Reporter derart wüst, dass der britische Verband ihn mit einer Geldstrafe von umgerechnet fast 20 000 Euro belegte. Fury wusste auch das zu nutzen: Beim nächsten öffentlichen Auftritt tauchte er mit Klebeband auf dem Mund auf und schlüpfte in die Opferrolle.

Hoffen auf den großen Zahltag gegen Klitschko

Worte, die Fury benutzt, wenn er über Chisora redet, klingen dann so: "Ich werde sein fettes, hässliches Gesicht einschlagen. Er ist der hässlichste Mann, den ich je gesehen habe. Er kann nicht reden und ist total nutzlos." Hackfleisch wolle er aus ihm machen, Chisora sei außerdem ein Möchtegern-Boxer und zehn Level unter ihm. Als dieser den Kampf im Juli zunächst absagen musste, weil er sich die Hand gebrochen hatte, packte Fury mehr Schimpfwörter in einen Tweet als Eminem in einem Songtext unterbringen könnte.

Natürlich macht Fury das, um sich und den Kampf zu vermarkten. Auf der Pressekonferenz am Donnerstagabend stimmte er plötzlich versöhnliche Töne an und erklärte: "Der Kampf muss jetzt nicht mehr verkauft werden, alle Tickets sind weg." Auf einmal wurde aus dem Jammerlappen Chisora ein ernstzunehmender Gegner, aus "dafür brauche ich nicht mal ein Trainingscamp" wurde "ich habe so hart trainiert wie noch nie für diesen Kampf, weil ich kommendes Jahr Wladimir treffen will".

Neben dem Europameistertitel der EBU und dem britischen Schwergewichtstitel geht es in dem aktuellen Duell in der ausverkauften Londoner ExCeL Arena tatsächlich vor allem um das Recht, als nächster Pflichtherausforderer um den Weltmeistertitel der WBO in den Ring zu steigen und damit um die Chance, Klitschko vom Thron zu stoßen. Von dem Aufeinandertreffen mit Klitschko erhofft sich Fury vor allem das große Geld: Gegen Chisora gibt es einen sechsstelligen Betrag, bei Klitschko-Kämpfen liegt die Börse stets in Millionenhöhe. Zudem konnte Fury die vergangenen 18 Monate nur einen Kampf bestreiten, dreimal hatten Gegner die Kämpfe wieder abgesagt - in Rage twitterte Fury danach sogar das Ende seiner Boxerkarriere.

In 22 Profikämpfen hat Fury noch keine Niederlage kassiert, auch dieses Mal ist er der Favorit. Bereits 2011 waren sich Chisora und Fury begegnet, damals hatte Letzterer nach Punkten gewonnen. Mittlerweile ist Chisora deutlich leichter, ihm werden auch der härtere Punch und große Nehmerqualitäten nachgesagt. Doch sein entscheidendes Manko bleibt die Größe: Mit 1,88 Metern ist er ganze 18 Zentimeter kleiner als sein Gegenüber mit 2,06 Meter. Den passenden Spruch hat Chisora trotzdem: "Wenn ich mit ihm fertig bin, ist er genauso groß wie ich."

Sollte tatsächlich Fury der Herausforderer von Wladimir Klitschko werden, hätte es der Ukrainer also ungewohnterweise mit einem größeren Gegner zu tun. Aber bis dahin werden noch einige Monate vergehen, Klitschko strebt ohnehin erst die Eroberung des WBC-Titels an. Derweil wird Fury zumindest auf Twitter sein Unheil treiben, wo er auch gerne mal potenzielle Gegner herausfordert. Zuletzt vertippte er sich allerdings beim Adressaten - und forderte statt eines anderen Boxers eine Profifußballerin aus Manchester zum Kampf auf.

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