Wohnungen in München:Teures Elend

Elendshäuser, Abzocke durch Elendswohnungs-Vermieter: Kreillerstraße 75. In der Wohnung von Ali Gheny Hussein mit Familie

Ein gefährlicher Mitbewohner: Der Schimmelbefall an der Wand, der auch zu Asthma führen kann, ist nicht wegzukriegen.

(Foto: Florian Peljak)

Skrupellose Vermieter nutzen die Wohnungsknappheit in München für Geschäfte mit armen Menschen. Die müssen nehmen, was sie bekommen: Schimmel, Kakerlaken und Löcher in der Toilettenwand.

Von Katharina Blum und Andreas Glas

Als "Elendshaus" geriet Ende Oktober ein Anwesen in Kirchtrudering in die Schlagzeilen. Dort lebten zeitweise 70 Menschen auf engstem Raum. Ohne Strom, ohne warmes Wasser, im Garten stapelte sich der Müll, die Toiletten waren kaputt. Trotzdem hatte das Elend einen stolzen Preis: Für einen Platz im Matratzenlager kassierte der Besitzer des Hauses fast 200 Euro Miete.

Damals war von einem extremen Einzelfall die Rede, inzwischen steht fest, dass es in München mindestens 20 ähnliche Fälle gibt. Das geht aus einer internen Liste des Sozialreferats hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Liste zeigt, dass sich skrupellose Vermieter vor allem an den Ärmsten der Gesellschaft bereichern. An Hartz-IV-Empfängern und sogenannten Armutszuwanderern, die sich nicht aussuchen können, wo sie wohnen wollen- und nehmen müssen, was sie kriegen. Fünf traurige Beispiele aus vier Stadtvierteln.

Inhalieren gegen den Schimmel

Es ist Mittagszeit, hinter der Wohnungstür brummt es. Herr H. öffnet, in der Küche sitzt ein Junge vor einem gelben Kasten. Er hält sich eine Atemmaske vor Nase und Mund, seine Augen tränen. Herr H. drückt einen Knopf auf dem gelben Inhaliergerät, das Brummen verschwindet, er sagt: "Mein Sohn hat Asthma, das kommt vom Schimmel." Jedes Jahr im Sommer knöpft sich Herr H. den Schimmel an den Wänden vor. Auf eigene Kosten. Er bürstet, sprüht, streicht. Aber der Schimmel ist schneller als Herr H. Der Schimmel krabbelt kreuz und quer durch die Wohnung, er kommt immer wieder. Seit neun Jahren, sagt Herr H. Seit er mit seiner Familie eingezogen ist.

Herr H. lupft die Gardinen. Er zeigt auf die vier Garagen im Hof: "Früher war da Müll drin, jetzt hat der Vermieter Wohnungen rein gemacht." 89 Menschen waren im Juni hier gemeldet, davon 23 Kinder. Sie wohnen verteilt in sechs Wohnungen, vier Garagen, zwei Kellern. Im Hof türmen sich Müllsäcke, eine kaputte Waschmaschine steht rum, ein alter Ofen und anderes Zeug. Nur selten haben die Mieter warmes Wasser, die Heizung fällt ständig aus.

Eine schimmlige Dreizimmerwohnung kostet 1150, ein feuchter Kellerraum 500 Euro. Dort teilen sich vier Familien ein dreckiges Klo und eine Dusche, aus der nur dann warmes Wasser kommt, wenn man einen Euro in einen Münzautomaten wirft. Herr E., der Hausbesitzer, fühlt sich dafür nicht verantwortlich. "Bin ich dafür da, denen das Scheißhaus zu putzen?", fragt er. Und der Schimmel? "Da kann ich ja nichts dafür, wenn die nicht lüften." Herr E. findet, die Mieter sollten ihm dankbar sein, statt aufzumucken: "Ich habe denen geholfen. Die Leute hätten sonst gar keine Wohnung."

Frau K. hat aufgemuckt. Sie wohnt unterm Dach, mit ihrem Mann und drei Kindern. Sie ist schwanger. Frau K. hat sich immer wieder beschwert, hat mit Hilfe des Wohnungsamts eine Mietminderung erzwungen. "Seitdem macht der Vermieter noch mehr Ärger", sagt sie. Die Fußbälle der Kinder habe er kaputt gemacht, ihren Kinderwagen vom Hausflur in den Hof geschoben, so dass er im Regen schimmlig wurde; dann kündigte er die Wohnung. Zum 8. Dezember soll Familie K. ausziehen. Wohin, weiß Frau K. nicht: "Hier in München finde ich keine Wohnung." Am liebsten, sagt sie, würde sie hier bleiben. Trotz Schimmel und Wasserschäden, trotz der viel zu hohen Miete. "Wir haben ja keine Alternative", sagt Frau K..

36 Monate Wohnen "zum günstigen Fixpreis"

Bis in den letzten Winkel. Der Eingangsbereich, der Hinterhof und die Flure, alles videoüberwacht. Zu Besuch im Easyapartment-Hotel, das laut Flyer einen Aufenthalt bis zu 36 Monaten zum "günstigen Fixpreis" in "bester Innenstadtlage" bietet. Im zweiten Stock wohnt eine Osteuropäerin mit ihrem Sohn, vor einem Jahr sind sie eingezogen. Drei mal vier Meter sei ihr Zimmer groß, rechnet der Sohn vor, dazu kommt ein Bad und eine kleine Küchenzeile. Und der günstige Fixpreis im Monat? 1100 Euro. Zu teuer, klar. "Aber uns will ja kein anderer haben", sagt der 15-jährige.

Arbeitskraft gegen Hungerlohn

Dass vielen Migranten der Zugang zum regulären Wohnungsmarkt verschlossen bleibt, wissen vermutlich auch die Eigentümer des Easyapartment-Hotels. Es liegt an der Kreuzung zur Goethestraße, wo Zuwanderer ihre Arbeitskraft für einen Hungerlohn verkaufen. Und obendrein, so scheint es, ziehen ihnen findige Immobilienbesitzer das wenige Geld gleich wieder aus der Tasche.

Zwei Männer aus dem Nachbarhaus erzählen die Geschichte von Herrn M. Beim Einzug zahlte er 600 Euro im Monat, ein halbes Jahr später hatte sich die Miete für sein kleines Apartment verdoppelt. Dann ist er weg, musste weg. Die zwei Männer zeigen auch Bilder von Balkonen, auf denen sich Müllhaufen und Möbel türmen, weil drinnen in den vollkommen überbelegten Zimmern wohl kein Platz mehr war.

Elendshäuser, Abzocke durch Elendswohnungs-Vermieter: Hochfellnstraße 13

Ein Bad, das erst einmal gründlich gereinigt werden muss, in Berg am Laim.

(Foto: Florian Peljak)

"Der Vermieter ist wegen seiner Geschäftspraktiken bekannt", heißt es in der Liste des Sozialreferats. 1400 Euro kostete das 16 Quadratmeter große Apartment eines Klienten. Bringt er die Miete nicht auf, muss er es bis zu einem bestimmten Termin räumen. Eine weitere Notiz: "Der Mieter konnte den Vertrag nicht lesen, geschweige denn verstehen."

Geschäftsführerin Nadine S. erklärt auf Nachfrage, sie wolle sich darüber nicht unterhalten, sie hätte jetzt zu arbeiten. Vor einem Jahr hatte die SZ über einen vergleichbaren Fall eines Objekts in Giesing berichtet, damals bestritt Daniel Haban, der auch für das Haus an der Landwehrstraße Prokurist ist, die Vorwürfe vehement: "Wir sind keine Abzocker und zwingen niemanden, Mietverträge zu unterschreiben". Manche würden "bitten und betteln, dass sie ein Zimmer bekommen". Die Leute würden immer mit einem Dolmetscher kommen. "Die Leute wissen doch, was sie bezahlen müssen. Wir zwingen niemanden, dort zu wohnen."

Wenn Frau H. auf dem Klo saß, konnte ihr das ganze Haus zuschauen. Ein Rohr war geplatzt, es klaffte ein Loch in der Wand ihres Badezimmers. Ein Loch, so groß wie ein LKW-Reifen, mit Blick ins Treppenhaus. "Surreal war das", sagt Frau H., die auf dem Sofa ihrer liebevoll eingerichteten 25-Quadratmeter-Wohnung sitzt. "Ich war im Endeffekt schutzlos", erinnert sie sich an die Zeit mit dem Loch.

Immer wieder habe sie die Hauseigentümer gebeten, etwas zu tun, "aber die haben einfach nicht reagiert", sagt die 57-Jährige. Erst nach Monaten wurde zugemauert. Aber sonst, sagt Frau H., habe sich kaum etwas verändert. Die Heizung gehe immer noch nicht, regelmäßig fliege die Sicherung raus. "Es ist wie David gegen Goliath", sagt Frau H.

Nach Angaben der Stadt sind es 63 Davids, die in dem dreistöckigen Laimer Wohnhaus als Mieter gemeldet sind. Und Goliath ist in diesem Fall eine Berliner Hausverwaltung, die in München noch weitere Häuser besitzt. Zum Beispiel das 45-Parteien-Haus in Berg am Laim, wo im dritten Stock Familie I. wohnt. In einer Wohnung, die - abgesehen vom winzigen Bad und der noch winzigeren Küche - nur aus einem Wohnzimmer besteht, das mit drei Betten zugestellt ist, in denen die ganze Familie schläft. Fünf Personen auf 18 Quadratmetern, für 607 Euro im Monat, plus bis zu 1500 Euro Nebenkostennachzahlung im Jahr. In der Miete inbegriffen: Schimmel, Ungeziefer, undichte Fenster.

Kakerlaken in Schwabing

"Die Wohnungen sind alle im Arsch", sagt Kemal A. Er hat sich selbst zum Hausmeister ernannt, kümmert sich freiwillig um kleinere Reparaturen. Weil sich ja sonst keiner kümmert. Er öffnet eine Wohnungstür im Erdgeschoss. Dahinter wuchert der Schimmel meterhoch an den Wänden, auf dem Fußboden liegt der Putz, neben der Eingangstür gammelt die winzige Küchenzeile. "Hier haben vor kurzem noch Leute gewohnt", sagt Kemal A, "aber die Hausverwaltung sagt: Tut mir leid, wir können nicht reparieren, wir haben kein Geld. Aber wenn du die Miete einen Tag zu spät zahlst, kommt sofort eine Mahnung."

Mietrechtler vermuten, dass hinter der Berliner Hausverwaltung mehrere Investoren stehen, für die der Minimalaufwand Strategie ist. Auch bei Facebook gibt es eine Gruppe, in der sich mehr als 300 Mitglieder aus ganz Deutschland über die Praktiken der Berliner Hausverwaltung austauschen. Für eine Stellungnahme war dort niemand erreichbar.

Gleich über dem Bett krabbeln die Kakerlaken. "Das sind nur die kleinen", sagt der Vater, "die großen kommen erst nachts raus." Mit einem Spray aus dem Baumarkt nebelt er die Wohnung regelmäßig ein, doch die Viecher sind zäh, sie kommen immer wieder. Und der Vermieter? Der weigert sich, einen Kammerjäger zu schicken. Dabei würde sich der Weg für den Kammerjäger lohnen. Er könnte im Garten gleich noch die Ratten verjagen.

Das Haus der Familie steht inmitten einer unauffälligen Wohngegend in Schwabing. Aus dem Innern strömt modriger Geruch, der Putz ist längst von der Mauer gebröckelt, die Tür ist ramponiert. Schon 2005 haben die Behörden das Haus als "vermutlich nicht mehr renovierbar" bezeichnet. Doch hier wird nicht abgerissen, hier wird immer noch gewohnt. "Der Vermieter kümmert sich einen Scheißdreck", erzählt der Neffe, der auch mal hier gelebt hat, in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung mit der Gemeinschaftstoilette auf dem Gang. Drei Erwachsene und drei Kinder wohnen in der Zweizimmerwohnung, das jüngste ist gerade Mal 14 Monate alt. 700 Euro zahlt die rumänische Familie jeden Monat für die knapp 40 Quadratmeter, deren Zimmer aufgeräumt und sauber sind.

Die Mutter im pink-glitzernden Trainingsanzug, ihr Mann, der sich das alles anders erträumt hat, und die Oma - sie alle wissen, dass sie für die Wohnung zu viel bezahlen. Doch beschweren wollen sie sich nicht. Zu groß ist die Angst vorm Vermieter, einem Rechtsanwalt. "Hier ist es wenigstens warm", sagt die Oma. In der Liste des Sozialreferats heißt es: "Herr Y. weigert sich, Unterstützung zur Durchsetzung seiner Mieterrechte anzunehmen und somit trägt er auch einen Anteil an der sich nicht veränderbaren Wohnsituation". Das Einzige, was sich von Zeit zu Zeit ändert, ist die Höhe der Miete. Vom kommenden Jahr an verlangt der Rechtsanwalt 90 Euro mehr im Monat.

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