Klimawandel:Hitzewallungen in der Antarktis

Klimawandel: Pinguine auf einer Eisscholle: Wärmeres Wasser greift das Eis in der Antarktis an, haben Forscher ermittelt.

Pinguine auf einer Eisscholle: Wärmeres Wasser greift das Eis in der Antarktis an, haben Forscher ermittelt.

(Foto: AFP)
  • Das Wasser im Südpolarmeer wird immer wärmer und beginnt das Eis der Antarktis anzugreifen. Eine neue Studie zeigt regionale Unterschiede.
  • Die Erwärmung wird besonders heikel, wenn die derzeit noch intakte Filchner-Ronne-Eisplatte beim Weddellmeer instabil wird. Das ließe den Meeresspiegel merklich ansteigen.

Von Marlene Weiß

Wasser mit einer Temperatur zwischen 0,5 und 1,5 Grad mag zum Baden noch etwas frisch sein. Für antarktische Verhältnisse ist das jedoch ungewöhnlich warm. Trifft solches Wasser von unten auf die Eismassen der Antarktis, dort, wo sie ins Meer hinausragen, lässt es sie schmelzen. Bislang war nur eine tiefere Wasserschicht im Südpolarmeer derart warm. Nun aber zeigt sich: Die Schicht wird wärmer und steigt immer höher. Stellenweise hat sie bereits begonnen, auf den flachen Küstenbereich zu schwappen, und dort das Eis anzugreifen.

Für eine Studie, die an diesem Freitag in Science erschienen ist (Bd. 346, S. 1227, 2014), haben Forscher um Sunke Schmidtko vom Geomar-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel Wassertemperatur-Daten aus den vergangenen 40 Jahren analysiert. Sie zeigen große regionale Unterschiede. Schon länger ist bekannt, dass das Küstenwasser vor der westlichen Antarktis deutlich wärmer ist als an anderen Teilen des Kontinents; und dort schmelzen auch die Gletscher bei Weitem am stärksten. Erst vor wenigen Wochen hatten kalifornische Forscher berichtet, dass sich die Schmelzgeschwindigkeit der Gletscher in der westantarktischen Amundsen-See im vergangenen Jahrzehnt verdreifacht hat.

"Das passt perfekt zusammen", sagt Schmidtko. Wie seine Kollegen und er in Science schreiben, hat sich das ohnehin wärmere Küstenwasser der Westantarktis seit den 1970er-Jahren kräftig weiter erwärmt, um bis zu 0,3 Grad pro Jahrzehnt. Das kalte Küstenwasser in anderen Regionen dagegen blieb kalt. Die Erklärung der Wissenschaftler für diesen Unterschied ist alles andere als beruhigend: Rund um die Antarktis erwärmt sich das Wasser in der Tiefe, ein Stück vor der flachen Küste, und es steigt in Richtung Oberfläche. Während es in der Westantarktis schon kräftig an die Küste schwappt und das Wasser dort erwärmt, wird es im Weddellmeer im Nordwesten noch von der Strömung vorbeitransportiert, die Küste bleibt kalt. Aber wenn die Entwicklung so weitergeht, ist es damit in absehbarer Zeit vorbei.

"Erstaunlich - und besorgniserregend", sagt ein Polarforscher

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das wärmere Wasser aus den tieferen Schichten um etwa 30 bis 50 Meter pro Jahrzehnt nach oben bewegt und ist gleichzeitig alle zehn Jahre etwa 0,1 Grad wärmer geworden. Zuletzt scheint sich der Anstieg sogar beschleunigt zu haben, etwa im südlichen Weddellmeer, wo die jüngsten Messungen das warme Wasser in nur noch 350 Meter Tiefe verorten - Anfang der 1980er-Jahre waren es noch 600 Meter. Damit ist es nun sehr nahe an der Kante, wo das tiefe, offene Meer ins flache Küstenwasser übergeht - und nicht mehr weit vom Festland-Eis entfernt.

Das ist besonders heikel, weil die derzeit noch intakte Filchner-Ronne-Eisplatte beim Weddellmeer die zweitgrößte der Antarktis ist. Sie bedeckt eine Fläche, die größer als Deutschland ist. Wenn sie durch heranschwappendes warmes Wasser instabil wird und schmilzt, ließe das den Meeresspiegel merklich ansteigen.

Auf die theoretische Möglichkeit, dass warmes Wasser von unten an das ins Meer ragende Eis gelangen könnte und dort verheerende Wirkungen hätte, haben Forscher vom Alfred-Wegener-Institut schon 2012 in Nature hingewiesen. "Dass es jetzt Hinweise gibt, dass das Meer sich tatsächlich in diese Richtung entwickelt, ist erstaunlich - und besorgniserregend", sagt Ralph Timmermann, einer der Autoren des Papiers. Damit sei das Szenario in den Bereich des wirklich Möglichen gelangt.

Als Grund für die Veränderungen im Meer vermuten die Wissenschaftler um Schmidtko veränderte Windmuster auf der Südhalbkugel. Die Winde sind es, die die Meeresströmungen antreiben.

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