Erste Rede als Ministerpräsident von Thüringen:Bodo Ramelow entschuldigt sich bei SED-Opfern

Wahl Ministerpräsident in Thüringen

Bodo Ramelow ist zum ersten linken Ministerpräsidenten gewählt worden

(Foto: dpa)
  • Bodo Ramelow ist neuer Ministerpräsident von Thüringen. Damit übernimmt erstmals ein Politiker der Linkspartei ein solches Amt.
  • Es waren zwei Wahlgänge notwendig, da ihm bei der ersten Abstimmung eine Stimme zur notwendigen Mehrheit gefehlt hat.
  • In seiner ersten Rede entschuldigt er sich bei SED-Opfern und kündigt an, er wolle "versöhnen statt spalten".

Die Zitterpartie für Bodo Ramelow ist vorbei. Die rot-rot-grüne Koalition im Thüringer Landtag hat ihn mit 46 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt.

Damit ist erstmals ein Politiker der Linkspartei zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gewählt worden. Allerdings waren im Thüringer Landtag zwei Wahlgänge notwendig, da Ramelow bei der ersten Abstimmung eine Stimme aus der Koalition gefehlt hatte.

Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurde Ramelow von Landtagspräsident Christian Carius (CDU) vereidigt. In seiner ersten Rede vor dem Plenum bedankte sich Ramelow für das Vertrauen in ihn. In Richtung der Opposition von CDU und AfD sagte er, trotz inhaltlicher Differenzen sei ihm viel an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gelegen.

Er wolle "versöhnen statt spalten", sagte Ramelow. Daran wolle er sich persönlich messen lassen. "Wir müssen gemeinsam zusammenstehen, damit aus Worten nicht Taten folgen", sagte Ramelow mit Blick auf massive Anfeindungen gegen Landespolitiker in den vergangenen Wochen. Er kündigte an, dass die Staatskanzlei unter seiner Ägide "ein offenes Haus" für die verschiedenen Landtagsparteien werden soll. Zugleich sprach er seiner Vorgängerin Christine Lieberknecht (CDU) seinen Dank aus und äußerte Bedauern für die Verbrechen der SED-Diktatur. Dabei sprach er einen Freund persönlich an, der im Stasi-Knast in Potsdam gesessen habe. "Lieber Andreas Möller: Dir und allen deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung überbringen."

Für den 58-Jährigen gestimmt hatten im zweiten Wahlgang offenbar alle 46 Abgeordneten der Fraktionen der Linken, der Sozialdemokraten und der Grünen. Gültig waren 90 von 91 abgegebenen Stimmen. Dass nach dem ersten Wahlgang ein Abgeordneter der CDU oder AfD für Ramelow gestimmt hat, ist unwahrscheinlich. Eher dürfte es sich um einen Denkzettel aus den eigenen Reihen der Koalition gehandelt haben.

Hätte es auch im zweiten Wahlgang nicht gereicht, hätte Ramelow mit einem Gegenkandidaten rechnen müssen. Dann hätte einem Kandidaten eine einfache Mehrheit der Ja-Stimmen gereicht. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Erfurter Landtag, Mike Mohring, hatte ankündigt, den früheren Rektor der Universität Jena, Klaus Dicke, gegen Ramelow antreten zu lassen.

Historischer Machtwechsel

Ramelow wollte noch am Freitag sein Kabinett berufen. In der neuen Regierung stellen die Linke vier, die SPD drei und die Grünen zwei Minister. Sie sollen das Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre umsetzten: Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem eine Gebietsreform, ein kostenloses Kita-Jahr und einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor vor. Er war von den Mitgliedern von Grünen und Linken mit großer Mehrheit bestätigt worden. Die SPD hatte ihre Anhänger nach den Sondierungen befragt.

Es ist das erste Dreierbündnis aus Linken, SPD und Grünen in Deutschland, das die CDU von der Macht in Thüringen verdrängt. Die Christdemokraten hatten im Freistaat 24 Jahre lang die Regierungschefs gestellt.

Wenn es bereits im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten einen Abweichler gab, ist das allerdings kein gutes Zeichen für Rot-Rot-Grün, auch wenn Ramelow im zweiten Wahlgang gewählt wurde. Eine Koalition mit nur einer möglicherweise wackeligen Stimme Mehrheit muss auch in Zukunft mit Problemen rechnen.

Der historische Machtwechsel in Thüringen ist umstritten. Gegen eine Regierungsverantwortung der Linken, die im Osten ihre Wurzeln in der SED-Nachfolgepartei PDS hat, hatten 25 Jahre nach dem Mauerfall unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Vorbehalte geäußert. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nach der Wahl: "Es ist Staatspraxis, dass die Bundeskanzlerin jedem gewählten Ministerpräsidenten (...) ihren Glückwunsch übermittelt, und das wird sie selbstverständlich auch in diesem Fall tun."

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kommentierte: "Das ist ein Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland." Am Vorabend der Wahl hatten 1500 Menschen vor dem Erfurter Landtag gegen Rot-Rot-Grün demonstriert - weniger, als erwartet.

Gregor Gysi, Linke-Fraktionschef im Bundestag, sieht in der Wahl ein Signal auch für die Bundesebene. "Ich glaube schon, es ist ein wichtiges Zeichen", sagte Gysi im MDR. Im Bund müsste es für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit aber eine Wechselstimmung geben, die zurzeit nicht herrsche. Auch aus dem Lager der SPD-Linken kommen Forderungen, diese Variante auch für die Bundesebene vorzubereiten. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe sagte in Berlin: "Es gibt keinen Automatismus mehr, dass die CDU den Regierungschef stellen muss - weder in Thüringen noch im Bund." So würde sich für die SPD eine Option ergeben, den Kanzler zu stellen.

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