Hannoveraner Tatort "Der sanfte Tod":Keiner mag den Schlachter

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Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit Fleischfabrikant Jan-Peter Landmann (Heino Ferch) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

In "Der sanfte Tod" wimmelt es vor Schweinen, echten und Menschen, die sich wie ebensolche benehmen. Textlich ist der Film fein, inhaltlich jedoch wirkt so manches übertourt.

Von Holger Gertz

Regisseur und Autor Alexander Adolph hat seinem Publikum vor zwei Jahren den Tatort "Der tiefe Schlaf" geschenkt. Ein Ereignis, Gisbert ist das Stichwort. "Der sanfte Tod" heißt jetzt Adolphs neue Episode, die - der Titel deutet es schon an - einige Anklänge bereithält. Wunderliche Musik. Schnell montierte Verhörszenen. Und den Sinn fürs behutsam eingepflegte Detail: Bei Gisbert damals war ein Räuspern wichtig, ein kurzes Räuspern. Diesmal ist es ein Blick.

Der niedersächsische Fleischfabrikant Landmann (Heino Ferch) macht die Kleinbetriebe platt, dealt mit Politikern, manipuliert die Waren, immer im Vertrauen darauf, dass die Leute sein Zeug schon fressen, solange es billig ist: "Alle mögen Fleisch, keiner mag den Schlachter." Auch seine Mutter kennt den Reiz des Fleisches: "Der Asiat knubbert gern. An Schweineschnäuzchen und Schweinefüßchen knubbert er rum, der Asiat." Außerdem: "Der Schwarze mag den deutschen Schweinebauch."

Landmann hat Freunde, vor allem hat er Feinde, sie schreiben ihm Drohbriefe: "Lieber Jan-Peter, ich habe mich gefragt, wie eine Wurst schmeckt, die man aus dir machen würde." Und sie wissen um seine körperliche Beschaffenheit: "Angesichts der vielen Leute, die hineinkriechen wollen, braucht der ein Arschloch, größer als die Elbphilharmonie."

Mit grobem Pinsel gemalt

Textlich ist das sehr fein, oft witzig. Inhaltlich wirkt manches übertourt. Dass das Vorhandensein einer Wurst jedem Buch guttut, ist erwiesen, aber hier wimmelt es vor Schweinemetaphern und Wurstbezügen, in Traumsequenzen grunzen Menschen. Bei der Lebensmittelmafia ist alles genverseucht, bulgarische Leiharbeiter hausen in Baracken - das ist mit eher grobem Pinsel gemalt. Dazu passt, dass sämtliche, aber auch sämtliche Personen im Umfeld des Fabrikanten schwer einen an der Waffel haben.

Lindholms Assistentin, die tolle Bibiana Beglau, ist auch auf spezielle Weise durchlässig, ein Gruß an den Assistenten Gisbert damals, der ja in Wahrheit so viel mehr spürte als die Realos um ihn herum. Es sind diese kleinen Momente, die den Tatort dann doch auch immer wieder besonders machen. Wie ein Mörder in einer kurzen Sequenz enttarnt wird. Wie ein Züchter mit seinem Eber weint. Und wie ein Kraftkerl im Kittel die marzipanfarbenen Schweine vor sich hertreibt, darüber liegt eine bizarr maunzende Melodie, und die Schweine sehen so aus, wie sie immer aussehen: als würden sie lächeln.

ARD, Sonntag 20.15 Uhr.

© SZ vom 06.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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