Russlands Werben um Serbien:Vergebliches Trommeln gegen Europa

Russland macht Stimmung gegen die EU in Serbien

Anlässlich des Staatsbesuchs von Russlands Präsident Putin in Belgrad halten serbische Nationalisten Plakate mit dessen Bild empor.

(Foto: AFP)
  • Russland hat in den vergangenen Monaten versucht, Einfluss auf Serbien auszuüben. Das Land solle sich von der EU ab- und Moskau zuwenden.
  • Die russische Stimmungsmache fruchtet offenbar nicht: Die Beliebtheit der EU ist bei den Serben in letzter Zeit gestiegen.
  • Zum 1. Januar gewinnt Serbien noch einmal an Bedeutung, dann übernimmt das Land für ein Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
  • 2008 hat Serbien die Ölgesellschaft NIS zu einem Dumping-Preis an den russischen Gazprom-Konzern verkauft - mit dem Aus der South-Stream-Pipeline bleibt das Land nun auf dem finanziellen Schaden sitzen.

Von Florian Hassel, Belgrad

Schlechter Deal mit der South-Stream-Pipeline

Zumindest auf den zweiten Blick schien es ein vorteilhaftes Geschäft zu sein, als Serbien die Ölgesellschaft NIS 2008 dem vom Kreml kontrollierten Gazprom-Konzern verkaufte. Gewiss, Gazprom zahlte für die Kontrollmehrheit von 51 Prozent nur 400 Millionen Euro. Das war nicht mal ein Fünftel des Marktwerts. Doch das Geschäft sei ja nur Teil eines Energiepakets, rechtfertigte sich Belgrad. Russland werde dafür die Erdgaspipeline South Stream auch durch Serbien bauen: mit Bauaufträgen im Wert von einer halben Milliarde Euro für serbische Firmen und später jährlichen Transitgebühren von bis zu 300 Millionen Euro.

Doch am 1. Dezember verkündete Russlands Präsident Wladimir Putin das Aus für South Stream. Serbien sah nicht nur, dass es vom Kreml nicht konsultiert wurde. Das Land stellte auch ernüchtert fest, dass es versäumt hatte, eine Entschädigung oder Nachzahlung auf den niedrigen Kaufpreis für NIS für den Fall festzulegen, dass South Stream nicht gebaut würde.

Auf die Frage, an wen sich Serbien wegen Entschädigung wenden solle, antwortete der russische Botschafter Alexander Tschepurin ebenso kurz wie falsch mit: "an die EU". Tatsächlich hatte die EU mit South Stream nur insofern zu tun, als sie von Russland verlangte, in jedem geplanten Transitland auch Konkurrenzfirmen den Zugang zur künftigen Pipeline zu erlauben - so wie vom EU-Recht vorgeschrieben. Dies aber verweigerte Gazprom bis zur von Putin verkündeten Absage.

Mit dem 1. Januar steigt Serbiens Bedeutung für Russland noch

Des Botschafters irreführende Antwort ist nur das bisher letzte Manöver, mit dem Russland verstärkt versucht, EU-Kandidat Serbien gegen die EU aufzuwiegeln und stärker dem eigenen Einfluss auszusetzen. Mit dem 1. Januar steigt Serbiens Bedeutung aus Kremlsicht noch: Dann löst Serbien die Schweiz als Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ab. Die OSZE aber ist eines der zentralen Instrumente, mit dem die internationale Gemeinschaft versucht, Moskaus Stellvertreterkrieg in der Ostukraine unter Kontrolle zu bekommen oder gar zu beenden - bisher erfolglos.

Den Anfang der Moskauer Herbstoffensive in Serbien machte der Präsident persönlich. Am 16. Oktober flog Putin ein - offiziell nur, um den 70. Jahrestag der Befreiung Belgrads durch die Rote Armee vom deutschen Besatzungsregime zu feiern.

Dann übten Mitte November 200 russische Fallschirmspringer gemeinsam mit serbischen Soldaten in Nikinci, 50 Kilometer von der Grenze des Nato-Mitglieds Kroatien. Nach Belgrad kam zur selben Zeit Patriarch Kirill, das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche. Der Patriarch feierte nicht nur Gottesdienste mit den Glaubensbrüdern der Serbisch-Orthodoxen Kirche, sondern weihte mit Serbiens Patriarch Irinej auch ein Denkmal für Russlands letzten Zaren Nikolaus II. ein.

"Unter dem Joch der EU"

Und in der serbischen Wirtschaftskammer berieten serbische und russische Wissenschaftler und Propagandisten über Perspektiven des russisch-serbischen Verhältnisses. Leonid Reschetnikow, Ex-General des russischen Auslandsspionagedienstes SWR und in Belgrad Statthalter des kremlfinanzierten Russischen Instituts für Strategische Studien, geißelte Belgrads Ziel der Aufnahme in die EU. Statt zur EU müsse Serbien zu Russland, Bulgarien und Griechenland halten - schließlich seien sie "eine besondere Zivilisation". Das westliche Modell aber wolle "Serbien vernichten und Griechenland in die Knie zwingen".

Jelena Ponomarjowa, Professorin am Moskauer Institut für internationale Studien (MGIMO), der Kaderschmiede der russischen Diplomatie, sekundierte, Serbien werde seine nationale Souveränität verlieren und unter das Joch von EU, Internationalem Währungsfonds und Weltbank, dem "Vierten Reich", kommen. Statt in die EU zu drängen, solle Serbien warten, bis Russland sein Gegenprojekt der Euroasiatischen Union fertig habe, das es dann "auch dem Balkan vorschlagen" werde.

Hilfen aus Moskau: Null, Hilfen aus der EU: 4,2 Milliarden Euro

Mit dem Trommeln gegen die EU findet Moskau in Serbien allerdings zunehmend weniger Gehör. Zwar glaubt noch ein Fünftel der Serben, dass Russland der finanziell größte Gönner ihres Landes sei. Tatsächlich lagen Moskaus kostenlose Finanzhilfen zwischen 2000 und 2013 bei Null, so das EU-Büro der serbischen Regierung. Die Hilfen von EU und Mitgliedsländern wie Deutschland, Italien oder den Niederlanden dagegen machten in diesem Zeitraum etwa 4,2 Milliarden Euro aus.

Außenminister Ivica Dacic sieht Serbiens Vorteil einer EU-Mitgliedschaft vor allem darin, "von der EU nicht zurückzuzahlendes Geld zu erhalten". Die EU hat jedenfalls ihr Image verbessert. Im September 2012 sahen nur 31 Prozent der Serben die EU positiv - im September 2014 waren es bereits 47 Prozent, so Umfragen des Meinungsforschungsinstituts TNS Medium Gallup im Auftrag des Belgrader EU-Büros. Würde Belgrad eine Volksbefragung über den EU-Beitritt abhalten, würden 53 Prozent dafür stimmen, strikt dagegen sind nur 28 Prozent.

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