Menschenrechtslage in der Ukraine:UN werfen ukrainischer Armee und Separatisten Folter vor

  • Die UN werfen den prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee "Folter" vor. Zudem warnen sie vor der zunehmend schlechten Lage der Bevölkerung in der Ukraine.
  • Seit September seien den Vereinten Nationen zufolge über 1300 Menschen getötet worden, seit Beginn des Konflikts Mitte April über 4700 Menschen, 10 300 wurden verletzt.
  • Die UN erheben Vorwürfe gegen prorussische Rebellen, aber auch gegen die Regierung in Kiew.
  • Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drängt auf Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien.

Foltervorwurf

Die Vereinten Nationen haben sowohl den prorussischen Separatisten als auch der ukrainischen Armee vorgeworfen, im Konflikt in der Ostukraine "Folter" gegen Zivilisten eingesetzt zu haben. Die Bemühungen der Regierung um eine Wahrung der Einheit der Ukraine und der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung in den Konfliktgebieten waren laut UN-Bericht von "willkürlichen Verhaftungen, dem Einsatz von Folter und dem Verschwinden von Menschen" begleitet, die des "Separatismus und Terrorismus" verdächtigt worden seien. Der Großteil dieser Menschenrechtsverletzungen sei dabei entweder von Freiwilligenbataillonen oder Angehörigen des Inlandsgeheimdienstes SBU verübt worden.

Zugleich warf die UNO auch den prorussischen Separatisten vor, durch "Mord, Folter, Entführungen für Lösegeld und Zwangsarbeit" einen "Verbrecherstaat" in den von ihnen kontrollierten Gebieten um die Städte Donezk und Luhansk errichtet zu haben. Dabei würden sie von "ausländischen Kämpfern" unterstützt. Damit meint der Bericht russische Elitetruppen in der Ukraine, deren Existenz von Moskau bestritten wird.

1300 Tote seit September

Im Ukraine-Konflikt sind nach UN-Angaben seit September über 1300 Menschen ums Leben gekommen. Seit dem Beginn der Kämpfe zwischen prorussischen Rebellen und der ukrainischen Armee im April seien mehr als 4700 Menschen ums Leben gekommen, 10 300 Menschen wurden verletzt. Seit dem 9. Dezember gilt in der Region eine Waffenruhe, die dem ukrainischen Präsidenten Pororschenko zufolge aber immer wieder verletzt werde.

Elend wächst

Mit dem Einbruch des Winters wächst im Osten der Ukraine das Elend der Bevölkerung. Vor allem für Kinder und ältere Menschen habe sich die Lage erheblich verschlimmert, warnte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, in Genf. In den von Rebellen kontrollierten Gebieten herrschten "lebensgefährliche Umstände".

Die mehr als fünf Millionen Bewohner der Region leiden nach einem UN-Bericht unter dem Zusammenbruch des Rechtsstaats und Gewalt. Die Infrastruktur sei weitgehend zerstört. Die Wirtschaft liege am Boden, die meisten Schulen, Krankenhäuser und sozialen Einrichtungen seien geschlossen.

"Vor allem bewaffnete Gruppen verantwortlich"

Nach Einschätzung der UN sind in der Ostukraine alle fundamentalen Menschenrechte bedroht. Für deren Gewährleistung sei auch im Osten der Ukraine die Regierung in Kiew mitverantwortlich, betonen die UN-Experten. Für die Zuspitzung der Lage machen die UN aber in erster Linie die bewaffneten Gruppen verantwortlich.

Sie hätten die Kernpunkte des mit der ukrainischen Regierung geschlossenen Abkommens von Minsk nicht umgesetzt. Zudem werde die Krise durch die Lieferung schwerer Waffen und den Einsatz ausländischer Kämpfer aus Russland angeheizt.

Vorwürfe erheben die UN auch gegen Einheiten, die im Auftrag der ukrainischen Armee im Einsatz sind. Vor allem Freiwilligenkorps und Einheiten des ukrainischen Geheimdienstes werden demnach willkürliche Verhaftungen, Verschleppungen und Misshandlungen mutmaßlicher Separatisten zur Last gelegt.

Steinmeier fordert Verhandlungen vor Weihnachten

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drängt auf neue direkte Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. "Wir sind nach wie vor nicht in der Situation, dass man von nennenswerten Fortschritten bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung reden könnte", sagte Steinmeier am Montag in Brüssel. Er sprach sich für ein Treffen der Kontaktgruppe noch vor Weihnachten aus.

Deutschland und Frankreich mahnten rasche Reformen in der vom Staatsbankrott bedrohten Ukraine an. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande hätten den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in einem Telefonat ermutigt, "nach der Regierungsbildung nun umgehend den geplanten umfassenden Reformprozess in Gang zu setzen", teilte das Bundespresseamt am Sonntagabend in Berlin mit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: